Die Zuger Kulturoase riecht nach Zimt

Kunst & Baukultur, Theater & Tanz, Musik

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In der Gewürzmühle kann man so frei sein, wie man will. Wie fühlt sich das an? Zwei Künstlerinnen und ein Künstler 
erzählen von Arbeit, Rost und Ämtliplan.

  • Freier Raum heisst auch mal: Badeteich im Garten. Bild: PD
    Freier Raum heisst auch mal: Badeteich im Garten. Bild: PD
  • Eine kulturelle Nische aus der Vogelperspektive. Bild: PD
    Eine kulturelle Nische aus der Vogelperspektive. Bild: PD

Zug – Dieser Artikel ist in der September-Ausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier gehts zu den anderen Artikeln.

Es ist ein Haus mit vielen Ateliers, gefüllt mit Künstlern, Kunsthandwerkern, Kreativen. Die Räume sind gross und hell und auf dem Gang riecht es noch immer nach Zimt, Pfeffer, Kurkuma und allem gleichzeitig. Dabei sind die Gewürze bereits seit zwanzig Jahren aus dem Haus beim Herti-Quartier verschwunden. Das Atelier- und Kulturhaus Gewürzmühle feiert in diesem Jahr Jubiläum. Höchste Zeit für einen Besuch.

Räume, in denen man frei sein kann
Angefangen hat alles 1999. Die Müller gingen. Das Haus blieb. Die Prok, die Zuger Probe- und Kulturraumgenossenschaft, konnte das Areal mieten und hat dort die Atelierräume zur Verfügung gestellt. Räume, in denen man so frei sein kann, wie man nur will. Was aber auch von Anfang an wichtig war: strenge Hausregeln und ein klarer Ämtchenplan.
Wie lernt man ein Haus kennen? In dem man mit seinen Bewohnern spricht. Diese drei haben wir getroffen.

Gisela Bitterli, bildende Künstlerin
«Ich war froh, ein Atelier in der Gewürzmühle zu bekommen. Das Fabrikgebäude, in dem ich jahrelang gearbeitet hatte, sollte abgerissen werden. Es war eine schnelle Entscheidung, und so pendle ich seit 2005 von Zürich nach Zug.
Neugierig, wie sich meine Arbeit mit dem Ortswechsel weiterentwickeln würde, nahm ich mir viel Zeit, um das Umfeld zeichnend und foto­grafierend zu erforschen. Der Ort, die Gewürzmühle, ist ja wirklich ein Unikat. Mit dem Flüsschen Lorze nebenan und dem Grün rundherum. In dieser kontemplativen Situation kann man, wenn man das so will, viel Ruhe finden. Mein grosszügiges Atelier und die freundlichen Kontakte schätze ich. Im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen ergeben sich Impulse und Kooperationen. Davon ist ein gemeinsames Projekt der Tag der offenen Tür.

Mit Werner Iten entstand eine intensive Zu­sammenarbeit in Performance Art. Speziell zum «Lorze Happening» kommt ein stattliches Stammpublikum. Daneben gibt es zufällige Passanten, die schauen, was wir im Fluss treiben.
Die Gewürzmühle ist für mich der Ort, an dem das Experiment und die flüchtige Kunstform einen guten Platz haben.»

Werner Iten, bildender Künstler, Musiker
«Es hat gerade alles so gut gepasst, es fügte sich fast wie von selbst. Ich bin gerade nach Zug umgezogen, das war 2006, ich war auf der Suche nach einem Atelier, weil ich nun nicht mehr zu Hause arbeiten konnte. Gisela Bitterli hat mich dann eingeführt in der Gewürzmühle. Wobei ich viele von den anderen bereits kannte, ich war ja auch oft an den Anlässen, die es dort gab.

Für mich war es eine neue Erfahrung, in ein Atelier ausserhalb der eigenen Wohnung zu gehen, um zu arbeiten. Es ist einfach professioneller. Natürlich hat man auch hier Fluchtmöglich­keiten, um sich vor der kreativen Arbeit zu drücken. Aber deutlich weniger als zu Hause. Gleich am Anfang habe ich ein Ämtchen bekommen: Unterhalt der Umgebung. Diese Ämtchen waren schon immer wichtig in der Gewürzmühle, es geht darum, dass jeder seinen Teil dazu beiträgt, dass das Haus schön bleibt. Der Ort kann schnell verwahrlosen, wenn sich niemand kümmert. Die Ämtchen sorgen immer wieder für Diskussionen. Aber dadurch, dass das Haus auf diese Weise eben selbstverwaltet ist, können wir auch die tiefen Mieten beibehalten.

Ohne die Räume in der Gewürzmühle hätten wohl einige Arbeiten von mir so nicht entstehen können. Das Projekt Nagelfluh beispielsweise, dort habe ich eine Performance gemacht mit unglaublich vielen Gegenständen, die ich alle irgendwie zum Klingen gebracht habe. Ich konnte im grossen Raum, wo sonst das Theater probt, üben. Oder auch die Performance, die ich mit Gisela fast jedes Jahr im Bach hier nebenan mache, die würde es ohne den Ort hier nicht geben. Ich bin jetzt vor etwa zwei Jahren aus dem zweiten Stock in den Holzschopf gezogen, ich habe mit der Goldschmiedin Klea Weibel das Atelier getauscht. Das war für mich sehr gut, nun kann ich Musik machen, ohne dass jemand gestört wird.»

Klea Weibel, Goldschmiedin
«Ich habe in Thessaloniki, in Griechenland, meine Ausbildung zur Goldschmiedin gemacht. Dann kam ich 2011 wieder zurück in die Schweiz und wollte hier arbeiten. Aber die Stelle, die 
ich nach einem Praktikum gefunden habe, war irgendwie sehr industriell. Ich wollte mir aber meine kreative Freiheit erhalten. Also habe ich mich nach einem Atelier herumgehört, wo ich für mich und für einige Kunden arbeiten kann. Eine Goldschmiedin aus Zug hat mir die Gewürzmühle empfohlen.

Ich konnte den Holzschopf mieten. Zu der Zeit, 2013, war noch ein Architektenbüro in einem der Ateliers untergebracht. Sie haben mir ge­holfen, ein paar Renovationen am Schopf zu organisieren. Fenster, die man öffnen kann, beispielsweise. Es war eine super Zeit.
Aber teilweise etwas zu laut für mich, wenn 
ich konzentriert arbeiten musste. Weil der Hof direkt vor meiner Tür war. Im Winter war es auch relativ kalt und manchmal etwas feucht, das tut meinem Werkzeug überhaupt nicht gut, das fängt an zu rosten. Zum Glück konnte ich dann mit Werner das Atelier tauschen. Das hat uns beiden sehr gut gepasst, denke ich.

Ich bin 32 und mit Abstand die Jüngste im Haus. Die Gemeinschaft im Haus ist ein schöner Austausch. Ich bin manchmal, statt zu Hause zu bleiben, zum Mittagessen in die Gewürzmühle gegangen, um da mit Werner, oder wer sonst noch anzutreffen war, zu essen. Sie hatten im­mer gute Geschichten, ich habe ihnen gerne zugehört. Jetzt, wo ich Familie habe, mache ich das leider nicht mehr so oft.
Immer wieder gibt es wegen der Ämtchen Diskussionen. Die Zeit im Atelier ist kostbar. Viele haben ja einen Brotjob nebenher, der es ihnen erst ermöglicht, hier Zeit zu verbringen. Und wenn man dann diese Zeit mit Hofwischen oder Jäten verbringen muss, gefällt das nicht allen. Aber man muss es wie eine Zen-Übung sehen. Dann kann sogar Hofwischen ganz entspannend wirken.

Meine Arbeiten entstehen oft im Prozess. Natürlich habe ich gelernt, nach Skizze zu arbeiten. Aber manchmal merke ich erst während der Arbeit selbst, wie etwas wirklich sein muss. Oder ich mache aus einem ursprünglichen Fehler ein dekoratives Element, das dann zu einem umso schöneren Endprodukt führt.»

Text: Lionel Hausheer