Ein «degradierter» Zuger Aristokrat

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Neben der Oswaldskirche liegt das Grab des letzten Zurlauben-Sprosses. Er hat der Nachwelt Bedeutendes hinterlassen.

  • Hier hinter der Kirche St. Oswald ruht Beat Fidel Zurlauben, ein Zuger Bürger. (Bild Andreas Faessler)
    Hier hinter der Kirche St. Oswald ruht Beat Fidel Zurlauben, ein Zuger Bürger. (Bild Andreas Faessler)

Zug – Südlich des Chores der St.-Oswald-Kirche gleich rechts neben dem Eingang zum einstigen Beinhaus steht ein obeliskenförmiger Grabstein mit Sockel in einer hochrechteckigen Mauernische, flankiert von einer Steintafel mit Inschrift. Die Grab­stelle wird von einer fein säuberlich zugeschnittenen Hecke begrenzt. Hier liegt Beat Fidel Anton Johann Dominik Zurlauben beerdigt, letzter Spross der einst einflussreichen Zuger Aristokratenfamilie. Von seinen fünf Kindern überlebten ihn nur seine beiden Töchter. Alle drei Söhne fanden den Tod vor dem Vater, somit starb das Geschlecht mit dessen Ableben anno 1799 aus.

Beat Fidel Zurlauben, geboren 1720, war eine der schillerndsten Figuren in der Geschichte der Patrizierfamilie. Als gebildeter Mann, dessen Interesse vor allem der Wissenschaft und Geschichte galt, trat er zunächst in die Fusstapfen seiner Vorgänger und begab sich in den Dienst des französischen Hofes, wo er es zu höchsten Ehren brachte. Im Alter von 60 Jahren jedoch beendete Zurlauben seine militärische Karriere und kehrte in seine Heimat Zug zurück, wo er vergeblich versuchte, in der Politik Fuss zu fassen. Knapp 50 Jahre zuvor nämlich war sein Vorfahre Fidel Zurlauben (1675-1731) als hoher Zuger Amtsherr gestürzt worden, was das Ende des politischen Einflusses der Familie faktisch besiegelt hatte.

Zu diesem Bedeutungsverlust gesellten sich für den als eigen­sinnig geltenden Beat Fidel ­Zur­lauben ab 1789 finanzielle Schwierigkeiten: Als Folge der Französischen Revolution wurden die Pensionsgelder aus Frankreich eingestellt. Zurlauben war nun so gut wie ohne Einkommen. Sein ausgeprägtes Interesse als Historiker und seine damit einhergehende rege Sammeltätigkeit sollten ihm schliesslich die Existenz retten: Im Laufe der Jahre hatte Zurlauben ein umfangreiches Archiv und eine riesige Privatbibliothek von hohem wissenschaftlichem Wert aufgebaut. Er entschied sich, den gesamten Fundus zu verkaufen. Im Benediktinerkloster St. Blasien im Südschwarzwald fand Zurlauben eine Abnehmerin. Er erhielt 5600 Gulden plus eine jährliche Leibrente. Dabei durfte er den gesamten Archiv- und Bibliotheksbestand bis zu seinem Tod in Zug behalten und nutzen. Durch diese glückliche Wendung war Beat Fidel Zurlaubens Existenz und ein für ihn würdiger Lebensabend gesichert.

Nach seinem Tod erwarb die helvetische Republik im Wissen um die Bedeutung des Zurlauben-Archives den gesamten Bestand vom Kloster St.Blasien, dies noch bevor ein Transfer dorthin begonnen hatte. Um 1803 ging der gesamte Bestand – als «Acta Helvetica» bezeichnet – in den Besitz des Kantons Aargau über. Von 1973 bis 2014 ist dieser wertvolle Nachlass im Rahmen des Editionsprojektes Zurlaubiana wissenschaftlich aufgearbeitet und erschlossen worden. Die für die Öffentlichkeit zugängliche Zurlaubiana ist eine überaus wertvolle Quelle für die Geschichtsforschung.

Das Grab eines «einfachen Bürgers»

So liegt hier neben der Oswaldskirche ein um die Wissenschaft verdienter Herr mit einer bewegten Biografie beigesetzt. Sein Grabstein trägt das Wappen der Zurlauben und der Kolin – er war mit Maria Barbara Helena Elisabeth Kolin verheiratet. Auf der Tafel ist neben den Lebensdaten zu lesen: Bürger Beat Fidel Anton Zurlauben / Generalleutnant in französischen Diensten. Die Inschrift birgt ein delikates Detail: Aus dem «Baron de Zurlauben», der als Anhänger des Ancien Régime selbst grosse Adelsallüren hegte, ist ein gewöhnlicher Bürger geworden. Die Auswirkungen der Französischen Revolution – sie reichten bis tief in die historisch bedingt adelsfeindliche Schweiz. (Andreas Faessler)

Hinweis
Mit «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.