Hier wurde der Sommer ganz lässig begrüsst

Musik

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Latino-Rock liess den See ein bisschen beben. Und «geile Sieche» gabs beim Konzert von Chica Torpedo auf und vor der Bühne.

  • Beim Konzert der Chica Torpedos kamen Stimmungsraketen auf ihre Kosten. (Bild Christof Borner-Keller)
    Beim Konzert der Chica Torpedos kamen Stimmungsraketen auf ihre Kosten. (Bild Christof Borner-Keller)

Oberägeri – «Rock and Roll in Nicaragua, Rock and Roll in Bogotá» der brandneue Song der Berner Latinrocker namens Chica Torpedo hat das Zeug zum Ohrwurm. Mit Musik so breit wie die Aussprache begeistern die Musiker um Schmidi Schmidhauser am Mittwochabend auf dem Festplatz am See in Oberägeri ihr regenresistentes Publikum. Mitten auf dem Biertisch sitzt das Baby und wippt mit, vor der Bühne tanzen sie in Sommerblusen und in Sommerdaunen. «Ihr seid ja geile Sieche», so oder so ähnlich adelt Schmidi Schmidhauser seine Ägerer Fans, als sie zuletzt noch eine weitere Zugabe einfordern.

Geile Sieche sind aber auch die auf der Bühne, die mitunter so psychodelisch-drängend daherkommen, als weilte Carlos Santana in ihrer Mitte ein Sound, der eine drohende Sturmflut vom Ägerisee in den Bereich des Möglichen rückt.

«Sommerzeitblues hat einen Preis»

Und überhaupt: «Chica Torpedo», wie schön wäre doch die Welt, hätten Frauen tatsächlich solch eine durchschlagende Kraft... Die Berner Mundartrocker mit dem Hang zum lässigen Latin machen die Erde für immerhin zwei Stunden rund: für die aus Oberägeri und die aus Unterägeri, für die Kleinen und die Grossen, für die mit den langen Haaren und für die mit den geschlossenen Augen. Kalt ist es zunächst, die Sonne geht, der Wind kommt. Auf der Wiese nebenan jagen Kinder einem Ball hinterher, und direkt beim grossen Plakat mit dem schwarzen Stier, das von den beiden Konzertveranstaltern Kultur Oberägeri und El Toro Ober- und Unterägeri kündet, steht der First Act des Abends, der Zuger Eddie Feldmann, und zieht sich ein wärmendes Shirt über sein feinnerviges Gesicht. «Hätte gar nicht gedacht, dass ihr so einfache Gemüter seid», hat er sich kurz zuvor über die verlangte Zugabe gefreut und dann gesungen: «Alles hat seinen Preis, sogar der Sommerzeitblues.» Dann ist es soweit: Die Chicos um Schmidi Schmidhauser, plus eine Chica an der Posaune –, formieren sich. Nina Thöni im gepunkteten Kleid, der Bandleader mit violetten Gläsern auf der Nase, der Gitarrist in Schokograu und Anzug, Anselmo Torres an den Congas mit schwarzem Lederhut. «Du bisch mini Liebschti, mini Süessi, mini Principessa», haucht der Sänger. Das hört man gern. Währenddessen freut sich die Oberägerer Kulturbeauftragte Claudia Häusler über das zahlreich erschienene Publikum. «Wir wollten mal ein bisschen Weltmusik für Oberägeri, und das noch, bevor in Zug die Saison so richtig losgeht», erzählt sie, die sich wenig später nicht scheut, die Boxen mit einer Plane vor dem Regen zu schützen. «Nie ohne Plastik», witzelt eine Musikbegeisterte fröhlich seitwärts der Bühne. Die Gitarren rocken, Sehnsucht rockt, der Gitarrist im schokograuen Tuch lässt seine Muskeln spielen, und einer im Publikum legt den Kopf in den Nacken, Blick gen Himmel, und bläst Rauch in den Regen. Die Welt ist schön, zumindest genau jetzt und hier, was will man mehr. «Möget ihr no?», ruft der Sänger. Ja klar, die Percussion bleibt dran, die Gitarre tut, was sie kann, und der kleine Mann mit dem bunten Anorak und dem grossen Gesang stimmt das Lied vom Meer an. Das Saxofon kommt nach vorne und mischt die Melodie auf. Schmidi Schmidhauser stimmt an: «Gärn z Bärn». Und: «Ihr müsst mitsingen!»

Das Schlagzeug wirbelt

Die Menge tanzt, der Trompeter dreht sich um die eigene Achse, der Sänger hüpft, das Schlagzeug wirbelt. So könnte es noch lange weitergehen, doch irgendwann sind die Musiker müde. Vom grossen Seebeben verschont, verabschieden sich Chica Torpedo mit viel Gefühl: «Du bisch i mim Härz, dort han i di scho immer gha, vo Aafang a.» Das dürfen die Ägerer ruhig persönlich nehmen, waren die Latinrocker aus Bern vor zehn Jahren doch schon mal da. (Susanne Holz)