Die Aushebung eines illegalen Bordells

Brauchtum & Geschichte

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Serie Zuger Skandale: 1932 traf die Polizei auf ein unbewilligtes Freudenhaus in der Vorstadt. Es war lange unentdeckt geblieben, weil die zuständigen Polizisten selber die Dienste der Damen in Anspruch nahmen!

  • Das «Rigi» profitierte: Beim Wiederaufbau des Quais nach der Katastrophe bekam es seine prominente Lage. (Bild Bibliothek Zug)
    Das «Rigi» profitierte: Beim Wiederaufbau des Quais nach der Katastrophe bekam es seine prominente Lage. (Bild Bibliothek Zug)
  • Nach der Vorstadtkatastrophe 1887 war das Haus (Bildmitte) beschädigt: Aber es blieb stehen. (Bild Bibliothek Zug)
    Nach der Vorstadtkatastrophe 1887 war das Haus (Bildmitte) beschädigt: Aber es blieb stehen. (Bild Bibliothek Zug)
  • Markanter Kopfbau mit Türmchen: Hier spielten sich wilde Geschichten ab. (Bild Bibliothek Zug)
    Markanter Kopfbau mit Türmchen: Hier spielten sich wilde Geschichten ab. (Bild Bibliothek Zug)

Zug – Tausende von Fahrzeugen, Tausende von Menschen zu Rad oder zu Fuss kommen täglich daran vorüber – und die wenigsten kennen diese Skandalgeschichte. Es geht um das Haus mit Türmchen an der Vorstadt 32, an der nordwestlichen Ecke der Vorstadt. Dort befand sich ab 1832 die Gastwirtschaft «Zum freien Wort».

Ab 1890, nach überstandener Vorstadtkatastrophe, wurde daraus ein markanter Kopfbau mit türmchenartiger Hausecke als Auftakt der Vorstadtbebauung; das neue Hotel bekam den Namen «Rigi» und verfügte über eine eigene Kegelbahn.

1929 musste die Kegelbahn einer Metzgerei und Wursterei weichen, denn der neue Besitzer Georg R. war Metzger und wollte Teile der gut gelegenen Liegenschaft selber nutzen. Deshalb vermietete er Gastwirtschaft und Hotel ab September 1932 an zwei Frauen aus Zürich, an Anna M. und Maria Anna R.

Offenbar ging es in diesem Lokal bei den Wirtinnen hoch zu und her. Auf jeden Fall musste bereits im Juni 1933 das Lokal vom einen Tag auf den anderen geschlossen werden. Im «Rigi», so ging in Zug das Gerücht, hätten die zwei Frauen ein veritables Bordell betrieben!

Für das katholische Zug der Dreissigerjahre war das ein Skandal sondergleichen. Das «Arbeiterblatt» spöttelte, «dass nicht nur mit trinkbaren Gegenständen im dortigen Hotel gehandelt wurde ... für das sittenfromme Zug und seine Sittlichkeitsheuchler eine ungeheure Blamage».

«Ausgesprochene Dirnen»

Stimmten die Gerüchte? Die Polizeibehörden des Kantons Zug untersuchten den Fall und stellten in der Tat «wiederholte Unzucht mit einem Gast» fest. Mehr noch: Die polizeiliche Untersuchung ergab, «dass beide Frauen M. und R. als ausgesprochene Dirnen dastehen, welche bewusst und ungeniert der Unzucht sich hingaben, Unzucht in ihrem Hotel duldeten, die Polizeistunden nicht selten missachteten». Alle Gerüchte entpuppten sich also als die Wahrheit.

Daraufhin wunderten sich im damaligen Kleinstädtchen Zug nicht wenige darüber, dass das Bordell an prominenter Lage während zehn Monaten funktioniert hatte, ohne dass die Stadtpolizei eingeschritten war. Der Untersuchungsbericht hält dazu etwas gewunden fest, dass die Frauen «es verstanden, zu Flaschenweingelagen städtische Polizeiorgane einzuziehen, was augenscheinlich der Grund ist für die sehr nachsichtige Wirtschaftskontrolle seitens der städtischen Polizei».

Im Klartext: Die zuständigen Polizisten der Stadtpolizei Zug hatten an den Gelagen im «Rigi» an der Vorstadt 32 selber teilgenommen. Die Wirtinnen gaben an, dass «Wachtmeister P. und Polizeisekretär K. mit diesen Frauen recht zärtlich waren», was diese aber verständlicherweise bestritten, denn sie mussten um ihre Polizeijobs bangen. Hier stand Aussage gegen Aussage. Aber auffällig war schon, dass der Bordellbetrieb trotz auffälligen Standorts zehn Monate lang unbehelligt geblieben war.

Wie ging es weiter? Die Polizisten blieben im Amt. Doch die beiden «Wirtinnen» Anna M. von Basel und Maria Anna R. aus Sigriswil bekamen Bussen aufgebrummt und wurden aus dem Kanton Zug ausgewiesen. Deshalb mussten die Hausbesitzer der Familie R. wieder selber den Wirtsbetrieb übernehmen.

Doch auch das ging nicht ohne Probleme. Denn Vater Georg R. galt als Alkoholiker. Deshalb bekamen seine erwachsenen Kinder das Wirtepatent zugesprochen, allerdings nur unter der Auflage, dass ihr Vater der Wirtsstube fernbleibe.

«Die Exaktheit seiner Registratur»

Polizeisekretär Franz Xaver K. (1894–1975), der auch im «Rigi» verkehrt hatte, machte später trotz der delikaten Affäre Karriere: Er war während des Zweiten Weltkriegs Offizier im Luftschutz, wurde freisinniger Kantonsrat und Zivilstandsbeamter, was angesichts seiner amtlich belegten Bordellbesuche einer gewissen Peinlichkeit nicht entbehrt.

Mit seiner Frau Bertha feierte er den Goldenen Hochzeitstag. «Sein Pflichtbewusstsein, die Genauigkeit der Protokolle und die Exaktheit seiner Registratur waren sprichwörtlich», hiess es in einem Nachruf.

Das Hotel Rigi wechselte die Hand: Metzger und Wirt R. verkaufte das Hotel Rigi und zog in den Kanton Aargau. 1939 wirtete eine Frau Lina S.-S. im Hotel Rigi. Auch sie hielt sich offensichtlich nicht an die Polizeistunden. Und im Protokoll des Regierungsrates vom 30.12.1939 heisst es ausserdem, es habe öfters unzüchtige Handlungen gegeben zwischen Gästen und Serviertöchtern, «auch eigentliche Unzucht».

Weil die Wirtin Lina S. davon wusste, erhielt sie eine Busse von 100 Franken und musste die Kosten der Untersuchung von 157 Franken bezahlen. Aber Polizisten waren bei diesem zweiten Unzuchtsfall nicht mehr beteiligt. Oder sie liessen sich nicht erwischen ...

Hinweis Dr. Michael van Orsouw ist Historiker und Schriftsteller. Er beleuchtet Zuger Skandale des 20. Jahrhunderts. In Folge 6 geht es um bestechliche Beamte. (Text von Michael van Orsouw)