Die Klostermanagerin und ihre Powerschwestern

Brauchtum & Geschichte

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«Starke Zuger Frauen» früherer Zeiten entfalteten sich in gesellschaftlichen Nischen – so etwa im klösterlichen Leben, wie die Zugerin Maria Ursula Zurlauben (1651–1727). Sie wirkte gleich in zwei Klöstern in leitenden Positionen.

  • Das Kloster Frauenthal vor 80 Jahren: Während zweier Zeitperioden lebte Ursula Zurlauben hier. (Bild ETH Archiv)
    Das Kloster Frauenthal vor 80 Jahren: Während zweier Zeitperioden lebte Ursula Zurlauben hier. (Bild ETH Archiv)

Zug – Man kann es nicht anders sagen: Die Zurlauben waren eindeutig die bestimmende Zuger Familie der frühen Neuzeit, weil sie Politik, Wirtschaft und Militär dominierte. Im Jahr 1651 kam deren Tochter Anna Maria Zurlauben zur Welt, von der hier eingehender zu berichten ist. Ihre Mutter war Maria Barbara Reding von Biberegg, die Tochter einer besseren Schwyzer Familie; doch die Mutter verschied ein Jahr nach der Geburt von Anna Maria, als sie die nächste Tochter gebären wollte – solche Tragik kam damals in den besten Familien vor, auch bei den Zurlauben.

Anna Marias Vater Beat Jakob Zurlauben war früh Witwer und strebte rasch eine zweite Heirat an, was ihm gelang, als Anna Maria vierjährig war. Beat Jakob wirkte als «Ritter zum goldenen Sporn», aber auch als Ammann, als Gardehauptmann mit eigenen Kompagnien im Solde Frankreichs, Venedigs, der Toskana, Modenas und Savoyens sowie als Politiker in verschiedenen Chargen.

Eines von 22 Kindern

Aber allen auswärtigen Aufgaben zum Trotz kam er den ehelichen Pflichten nach, hatte er doch mit seinen zwei Ehefrauen insgesamt 22 Kinder! Eines seiner Kinder ist diese Anna Maria Zurlauben. Sie wird in der Folge als Angehörige einer privilegierten Familie einen typischen Lebenslauf hinlegen. Anna Maria wächst in Zug im Weingartenhof (am Ort der ehemaligen Hauptpost) auf, zuerst unter der Obhut ihrer Mutter Maria Barbara, dann ab 1655 mit ihrer Stiefmutter Maria Margaretha Pfyffer von Wyher, einer Angehörigen des Luzerner Landadels. Im Zurlaubenhof an der Hofstrasse (heute Nr. 5) wohnt ihr Onkel. Viele von Anna Marias Geschwistern machen Karriere, andere zieht es ins Kloster. Ihr Bruder Beat Heinrich Josef und ihre (Halb-)Schwestern Maria Jakobea und Maria Barbara Zurlauben widmen sich dem Söldnergeschäft, während ihr Bruder Plazidus sein Ordensgelübde – die sogenannte Profess – ablegt, als Anna Maria Zurlauben zwölf Jahre alt ist; drei Jahre später legt auch ihr Bruder Gerold die Profess ab. Zudem entscheidet sich ebenso ihre Schwester Marie Cäcilia für das klösterliche Leben und geht ins Kloster Feldbach.

Deshalb verwundert es wenig, dass Anna Maria Zurlauben ebenfalls eine klösterliche Laufbahn ins Auge fasst – für Frauen jener Zeit durchaus ein Weg für ein ambitioniertes Leben. Schon im zarten Alter von nicht einmal 16 Jahren legt sie im Kloster Frauenthal in Cham, wo sie schon zuvor bereits als «Tischtochter» gewirkt hat, ihre Profess ab. Sie heisst fortan Schwester Maria Ursula und lebt anschliessend während sechs Jahrzehnten hinter Klostermauern. Trotz oder gerade wegen der strengen Ordensregeln ermöglicht das Leben im Kloster den Frauen ein durchaus erfülltes Wirken voller Bildung, Sicherheit, Gemeinschaft, Spiritualität, Entfaltung und Führungsaufgaben.

Bald schon in einer Führungsposition

Es ist damals üblich, dass Töchter der besseren Familie entweder standesgemäss heirateten oder dann in Klöster eintraten, wo sie oft ihrer Herkunft entsprechend führende Positionen einnehmen konnten. Folgerichtig dauert es nicht lange, bis Schwester Maria Ursula Zurlauben die ehren- und verantwortungsvolle Aufgabe der Priorin des Klosters Frauenthal bekleidet. Die offensichtlichen Fähigkeiten von Schwester Maria Ursula bleiben nicht unbeachtet: Die Zisterzienserinnen sind dank ihrer regelmässigen Konvente gut miteinander vernetzt. Als 1705 im Kloster Mariazell-Wurmsbach bei Rapperswil am Zürichsee die Klosterökonomie durcheinandergeraten ist, wird Schwester Maria Ursula vom Kloster Frauenthal gerufen. Klöster sind damals nicht nur spirituelle Zentren wie heute, sondern darüber hinaus bedeutende Handels- und Wirtschaftsbetriebe mit eigenen Landwirtschaftsbetrieben, Werkstätten und Manufakturen. Sie, die 54-jährige Klostermanagerin und Angehörige der einflussreichen Familie Zurlauben mit praktischer Erfahrung als Priorin, soll das zerrüttete Klosterunternehmen am Zürichsee auf Vordermann bringen. Sie fungiert dabei als Managerin und Reorganisatorin. Um volle Entscheidungsfreiheit zu haben, bekommt sie die Position der Äbtissin. Als Erstes begutachtet sie die Buchhaltung: Das Kloster hat beträchtliche Schulden und nur gerade 20 Gulden noch in der Kasse. Sie bilanziert: «Bin also von einer feisten Wiese (Frauenthal) auf eine weit magere überkommen.»

Turnaround mit Hilfe der Familie

Taten sind gefragt. Äbtissin Ursula greift für ihre Sanierungsaufgabe auf ihr familiäres Netzwerk zurück. Denn ihre Verwandten bekleiden mittlerweile in ihren Klöstern leitende Aufgaben: Ihre Cousine M. Euphemia ist Äbtissin im Kloster Tänikon, Bruder Gerold Abt im Kloster Rheinau und Bruder Plazidus Abt in Muri. Die Klosterelite der Familie Zurlauben steht einander mit Rat und Tat und auch mit Geld bei: Schwester Maria Ursula sorgt somit für einen aktiven Know-how-Transfer und Geldfluss zwischen Zug, Cham, Rapperswil, Tänikon, Muri und Rheinau. Sie saniert ihr Kloster und schafft den Turnaround, wie man heute sagen würde.

Im Kloster Wurmsbach wird Äbtissin Ursula gewiss vernommen haben, dass ihre einstigen Mitschwestern vom Kloster Frauenthal während des Zweiten Villmerger Krieges 1712 nach Zug fliehen müssen. Stattdessen sind im Kloster bis zu 608 Soldaten und Offiziere der katholischen Truppen untergebracht. Die geflohenen Nonnen finden in Zug Unterschlupf – typischerweise auf dem Zurlaubenhof der Familie von Schwester Maria Ursula Zurlauben.

Als Ursula 66-jährig ist, demissioniert sie 1717 als Äbtissin in Wurmsbach; aufgrund eines Briefes, der überliefert ist, dürfte sie leicht frustriert sein und Undank geerntet haben. Auf jeden Fall kehrt sie nach Cham ins Kloster Frauenthal zurück. Sie verbringt nochmals zehn Jahre auf der Lorzeninsel des Frauenklosters und stirbt im Alter von 76 Jahren. Die beiden Kloster Wurmsbach und Frauenthal bestehen bis heute, auch dank Schwester Ursulas Wirken. (Michael van Orsouw)

Hinweis
Für die Serie «Starke Zuger Frauen» stellt der Historiker und Schriftsteller Dr. Michael van Orsouw in einer Serie der «Zuger Zeitung» bemerkenswerte Frauen aus der Zuger Geschichte vor. In Folge 2 geht es um eine Glockengiesserin.