«Vertavo»: Vier Frauen, ein Klang

Musik

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Volle Reihen, starke Musik: Das Vertavo String Quartet aus Norwegen begeisterte in Oberwil mit Werken von Nielsen, Schulhoff und Schumann – mit viel Energie und ausgeglichenen, gleichberechtigten Stimmen.

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Oberwil b. Zug – Einiges wiederholte sich gegenüber den drei bisherigen Konzerten: Erneut mussten die Organisatoren um engeres Sitzen auf den Bänken bitten, damit der Publikumsaufmarsch bewältigt werden konnte. Trotz nasser Wetterprognose erlebten die rechtzeitig eintreffenden Leute vor dem Konzert einen wunderbaren Blick über den Zugersee. Erst in der Pause fielen die ersten paar Tropfen, und nach Konzertende prasselte der angesagte Regen dafür umso reichlicher.

Das aus Norwegen angereiste «Vertavo String Quartet» bestand aus Øyvor Volle und Annabelle Meare, Violinen, Berit Cardas, Viola, sowie der Cellistin Bjørg Lewis, also aus vier Frauen. Heute, wenn die oberen Streicherstimmen vieler Orchester ganz überwiegend in weiblicher Hand liegen, ist das keine Seltenheit mehr.

Stärkere Beachtung ver­diente die Werkauswahl: Man («frau») verzichtete auf Werke aus der Frühzeit des Streichquartettspiels, bei welchen etwa bis Beethoven fast immer die erste Violine gegenüber den anderen Stimmen dominiert. Carl Nielsen und Erwin Schulhoff gaben der zweiten Violine praktisch den gleichen Anteil an musikalischer Gestaltung und spieltechnischen Schwierigkeiten. Mit resolutem, aber sympathischem Auftreten markierten auch die beiden Unterstimmen sofort eine wichtige Position. Unterstützt wurden sie von einer Akustik, die – ganz im Gegensatz zum ersten Sommerklänge-Konzert – diesmal eher die tiefen Frequenzen begünstigte.

Musik, die inneres Mitgehen verlangt

Die «Sommerklänge» sind sicher keine Kinderkonzerte; auch das Programm in Oberwil verlangte intensives inneres Mitgehen für das Publikum. Carl Nielsen (1865–1931) gilt nach wie vor als der bedeutendste dänische Komponist seiner Epoche. Sein frühes Streichquartett in g-Moll, Opus 13, begann mit einem «Allegro energico», das über alle Energie auch spieltechnische und harmonische Klippen enthielt. Diese wurden nicht nur technisch souverän gemeistert, sondern stilgerecht angemessen musikalisch gestaltet.

Die «Fünf Stücke für Streichquartett» von Erwin Schulhoff (1894–1942) kombinierten freie, fast atonale Harmonien mit einer meist sehr prägnanten rhythmischen Struktur. Die klar gegliederten kurzen Sätze wirkten stilistisch einheitlich und verrieten nur wenig über ein in sich verworrenes Leben: Der gebürtige Prager begann als Bewunderer der Atonalität aus der Wiener Schule, interessierte sich aber auch für Jazz. Später war er überzeugter Kommunist und akzeptierte die künstlerischen Limiten des «sozialistischen Realismus». Nur der Krieg hinderte ihn an der Reise aus Deutschland in die Sow­jetunion.

Auch Robert Schumann (1810–1856) verstand in seinen drei Streichquartetten – gespielt wurde das mittlere, Opus 42, Nr. 2 – die vier Stimmen als gleichberechtigte Partner. Nach mehreren vorangegangenen, fast rabiaten Einsätzen überraschte die Feinheit in der Gestaltung des «Andante quasi variazioni». Nach dem in den Hauptteilen überaus schnellen «Presto» erschien es angemessen, den Schlusssatz trotz der Bezeichnung «Molto vivace» etwas ruhiger anzugehen.

Als früherer Denkmalpfleger des Kantons Zug war Georg Frey mit dem Aufführungsort bestens vertraut. Die neubarocke Kapelle der Psychiatrischen Klinik Zugersee entstand vor ziemlich genau 100 Jahren.

(Neo-)Barocke Konzertkulisse

Der lichtdurchflutete Raum enthält neben der neobarocken Ausstattung auch noch ursprünglichen Barock, nämlich den fast 300 Jahre älteren Hauptaltar aus der im 19. Jahrhundert abgerissenen Klosterkirche Baden.

Trotz des starken Schluss­applauses verzichteten die vier Musikerinnen auf eine Zugabe. Das bereits letzte Sommerklänge-Konzert folgt kommenden Sonntag in Oberägeri mit einem gemischten Programm bekannter Barockmeister. (Text: Jürg Röthlisberger)