Paradox: Aus dunkler Höhle stammt die hellste Farbe
Kunst & Baukultur
Die Ausstellung «Zuger Farben» lockt ihre Bewunderer direkt zu den Höllgrotten. Da hat eine Farbe ihren Ursprung, die man dort nicht erwartet.
Baar – Ja, welche Farben hat er denn nun, der Kanton Zug? Heiri Scherer wollte das wissen und schickte den Aargauer Farbforscher und Maler Stefan Muntwyler auf Streifzug. Muntwyler sammelte sodann im ganzen Kanton besondere Erden und Steine. Diese Ausgangsmaterialien verarbeitete der deutsche Pigment-Spezialist Georg Kremer, einer der Besten seines Fachs, in seinem Atelier in Aichstetten im Allgäu zu Pigmenten und machte daraus den Zuger Aquarellkasten.
Acht original Zuger Farben enthält dieser Aquarellkasten. Er kostet 120 Franken und erfreut sich grosser Beliebtheit. Und nachdem er mit seiner speziellen Farbenpracht bereits mehrfach im Kanton ausgestellt war, ist er nun an einem ganz besonderen Ort zu sehen, sozusagen dort, wo die Geburtswiege einer der acht Farben stand: bei den Höllgrotten in Baar. «Himmel und Höll», so heisst das diesjährige Programm anlässlich des 150-Jahr-Jubiläums seit Entdeckung der Höhle. Geboten werden Konzerte, spezielle Führungen und nun eben auch die Ausstellung zu den Zuger Farben.
Jede Farbwahl wird erklärt
Zur Vernissage am Samstag hatte sich eine kleine und feine Runde äusserst Interessierter in der Staudenscheune bei den Höllgrotten versammelt. Heiri Scherer sprach die einführenden Worte und sagte: «Das Weiss ist von den Höllgrotten - ausgerechnet!» Warum diese dunklen Grotten gerade ein helles Weiss hergeben, das kann man nachlesen: Auf einem grossen Tisch inmitten der Scheune sind in den kommenden Wochen die fertigen Zuger Farben in ihren Aquarellkästchen sowie als Rohmaterial in Glasschüsselchen fein säuberlich aufgereiht. Zur Herkunft und Entstehung jeder Farbe gibt es einen Text: Und hier reiht sich wiederum Wissen an Humor und auch an Poesie.
So heisst es beim «Neuheimer Grau polychrom» beispielsweise, es tendiere zu einem warmen Beige, «das an die Wasserfarbe der Lorze nach einem Gewitter erinnert». So schön lässt sich also ein Grau beschreiben. Zur Herstellung dieses subtilen Tons diente Sand aus den Kiesgruben der Sand AG Neuheim: «feinkörniger Kies» mit vielen Farbnuancen. Schmunzeln muss man beim «Notikoner Chriesischtei-Schwarz»: Zu lesen ist hier, dass man seit der Antike die Farbe Schwarz aus verkohlten Kirsch-, Pfirsich- oder Mandelkernen gewinne. Und nirgends wüchsen pro Einwohner mehr Kirschbäume als in der Schweiz. Die Suche nach geeigneten Kernen für ein Zuger Schwarz muss allerdings anspruchsvoll gewesen sein: «Um die hochwertigsten Kerne im Kanton ausfindig zu machen, blieb nichts anderes übrig, als die vielen Kirschwasser zu verkosten. Das Rennen machte Hermann Röllins Cuvée von Notikoner Hochstämmern.»
Blau ist nicht gleich Blau
Und welche Farben blühen dem Betrachter noch? Natürlich das «Zuger Wappen-Blau». Obwohl im Kanton Zug wohl nie Kupfer abgebaut wurde, der einzige Kupfergigant des Kantons heisse Glencore, und dieser sei bergmännisch nur ausserkantonal tätig, erstrahlt das Zuger Wappen-Blau als hochwertiges Kobaltblau, gewonnen durch das Glühen von Tonerde und Kobaltphosphat. Interessant zu wissen ist: Das Zuger Wappen ist eine farbliche Umwandlung des österreichischen Wappens - von Rot-Weiss-Rot zu Weiss-Blau-Weiss. Und: Das Zuger Blau ist heller als das Zürcher Blau, dieses wiederum ist heller als das Luzerner Blau.
Beim Bahnbau entdeckt
Ach ja, das «Baarer Höllgrotten-Weiss»! Es wurde aus einem Stück Sinterstein aus dem Höhleninneren gewonnen. Die Höllgrotten übrigens wurden 1863 entdeckt, beim Tuffabbau für die Auskleidung des Eisenbahntunnels Bonstetten. (Susanne Holz)
Hinweis«Höllweiss und Tunnelgrau» - Ausstellung zu den Zuger Farben von Heiri Scherer, in der Staudenscheune bei den Höllgrotten, geöffnet bis 1. September, jeweils Samstag und Sonntag von 11 bis 17 Uhr.