Mahnmal der sozialen Verbundenheit
Kunst & Baukultur, Brauchtum & Geschichte
Auf dem Kirchplatz Gut Hirt begegnet man einem Teil der Zuger Geschichte, den man bisher nicht gesehen, sondern lediglich gehört hat.
Zug – Den besonders Aufmerksamen mag aufgefallen sein, dass der Klang, der sich vom Glockenturm der Gut Hirt Kirche über die Stadt legt, seit einigen Jahren gedämpfter ertönt. Der Grund hierfür ist, dass die historischen Klöppel ersetzt worden sind und bereits seit 2020 nicht mehr in den dafür vorgesehenen Glockenschalen hängen.
Mehr als 80 Jahre lang hatten sie durch ihre Schläge an das Innere der fünf bronzenen Kirchenglocken den Bewohnern und Bewohnerinnen die Stunden und das Gebet angekündigt. Nun sind die alten Klöppel als Kunstinstallation auf dem Kirchplatz dauerhaft ausgestellt.
Die Kirche im Quartier
Die Geschichte der Klöppel ist eng verbunden mit der Entstehungsgeschichte der Kirche. Hoch über dem Neustadtquartier hingen die fünf Klöppel ab 1939 in den aus 8850 Kilogramm Bronze gegossenen Glocken des Kirchturms. Eineinhalb Jahre zuvor war die Kirche nach langem Engagement der Bewohner und Bewohnerinnen des Quartiers errichtet worden. Im Zuge des städtischen Wachstums und der Entstehung der Arbeiterquartiere in Zug hegten viele Menschen den Wunsch nach einem religiösen Zentrum. Während der Kirchenbauverein Gut Hirt bereits seit 1909 besteht, dauerte es für den Baustart des Gotteshauses noch länger. Gemeinsam sammelte die Quartierbevölkerung über Jahre genug Geld, um 1936 den Grundstein der Kirche zu legen.
Drei Jahre später, im Januar, wurden die fünf Glocken in Aarau gegossen und am 19. März – dem Josefstag – in feierlicher Prozedur nach Zug geschafft. Gezogen von Pferdegespannen trafen die Glocken im Gut Hirt ein und wurden durch Dekan Albert Hausheer geweiht. Am darauffolgenden Tag wurden sie durch tatkräftige Unterstützung von Zuger Schülern und Schülerinnen in den Glockenturm hinaufgezogen.
Jahrzehnte vergingen, in denen die Glocken Teil des täglichen Rhythmus der Kirche waren. Bis 2020 der Glockenstuhl renoviert werden musste und die historischen Klöppel ersetzt wurden, um die Geräuschemissionen zu mindern. Anstatt aber im Stillen zu verschwinden, fanden die historischen Stücke ihren neuen Platz in unmittelbarer Nähe der Kirche.
Die Erinnerung klingt weiter
Die Installation beeindruckt durch ihre klare Struktur und die gezielte Materialwahl. Geordnet nach Grösse und in gleichmässigem Abstand hängen die fünf Glockenklöppel in gerader Linie nebeneinander. Befestigt durch robuste Drahtseile sind sie an dem schlicht gehaltenen schwarzen Stahlgerüst angebracht, welches sich harmonisch in die Umgebung einfügt – insbesondere im Zusammenspiel mit einem benachbarten Kunstwerk, das ebenfalls mit schwarzen Elementen arbeitet.
Die Konstruktion wirkt zugleich technisch und zurückhaltend, wodurch der Fokus auf den eindrucksvollen Klöppeln liegt. Ergänzt wird das Kunstobjekt durch eine ebenfalls in Schwarz gehaltene Informationstafel, auf der in weisser Schrift und filigranen Gravuren religiöse Abbilder, Inschriften und Informationen zu den Glocken zu finden sind. Entstanden ist das Werk unter der gestalterischen Leitung des Zuger Kurators Heiri Scherer in Kooperation mit dem Büro Antosch Architekten. Die handwerkliche Umsetzung erfolgte durch Metallbau Weber, Hodel Bau und Kobal Grafik.
Die Installation steht sowohl als Symbol der Erinnerung an die geschichtlichen Entwicklungen jener Zeit als auch für die Kraft gemeinschaftlichen Willens und Handeln. Mit dem Ausstellen der Klöppel ist die Geschichte nun dauerhaft im Stadtraum verankert. (Text: Janine Gruber)