Gesucht: Nicht das Idyll, sondern das Leben

Kunst & Baukultur

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Die Zuger Künstlerin Doris Schläpfer lebt in Frankreich, liebt Italien und denkt gern an den englischen Humor zurück, den sie lange genoss.

  • Sehr gerne kreativ in der Ferne: Doris Schläpfer lebt und arbeitet seit Jahrzehnten im Ausland. (Bild: Stefan Kaiser)
    Sehr gerne kreativ in der Ferne: Doris Schläpfer lebt und arbeitet seit Jahrzehnten im Ausland. (Bild: Stefan Kaiser)

Zug – Es ist schön, mit Doris Schläpfer an einem Montagvormittag in einem Zuger Café zu sitzen und ihren Erzählungen vom Leben in der Fremde, die bald einmal keine mehr ist, zu lauschen. Doris Schläpfer ist witzig, offen und entspannt. Sie ist Künstlerin und Mutter zweier erwachsener Kinder, Tochter und Sohn leben beide in Frankreich – wie ihre Mutter auch, seit nun schon 26 Jahren. Die Achtzigerjahre wiederum verbrachte Doris Schläpfer in London, «die Thatcher-Jahre», wie sie lachend sagt, mit ihrem leicht französischen Akzent. In ihren Zwanzigern war sie damals in England, eine junge und abenteuerlustige Künstlerin, die auch ohne viel Geld im neoliberal regierten Grossbritannien auskam.

Die allererste Auslandserfahrung machte Doris Schläpfer aber in Italien, wo sie als Kunststudentin zwei Jahre im Einsatz zuerst für einen Bildhauer war und dann bald weitere Aufgaben im Kunstbereich fand. Vielleicht wurde Doris Schläpfer ein gewisses Nomadentum auch schon in die Wiege gelegt: 1957 in Basel geboren, wuchs sie die ersten fünf Lebensjahre dort auf, um dann für fünf Jahre mit den Eltern nach Abtwil bei Sankt Gallen zu ziehen. Erst 1968 ging es nach Zug – Doris Schläpfers Eltern wie auch schon ihre Grosseltern führten Restaurants. Und in Zug war es das Restaurant Zugerberg, das die Familie in die Zentralschweiz führte.

Im Herzen zieht es sie zur Kunst

Die Tochter verdient sich in jungen Jahren zwar immer wieder ihr Geld im elterlichen Betrieb, doch im Herzen zieht es sie zur Kunst. Und als sie mit 17 Jahren an der Kunstgewerbeschule in Luzern hört, dass ein Luzerner Bildhauer im italienischen Pietrasanta jemanden sucht, um Hilfe beim Schleifen seiner Skulpturen zu haben, zögert Doris Schläpfer keine Sekunde und macht sich auf in den Süden. Aus geplanten zwei Monaten werden zwei Jahre, die die Studentin auch mit der Arbeit für ihre Eltern im Restaurant am Zugerberg finanziert.

Italien liebt Doris Schläpfer bis heute sehr. Regelmässig reist sie nach Turin, Genua, Ligurien. «Ich mag die Sprache, die Leichtigkeit, das Essen», erklärt die Künstlerin. «In Italien ist die Zeit länger.»

Die Italiener nähmen sich einfach mehr Zeit für alles. Doris Schläpfer sagt mit einem lustigen Lächeln in ihrem freundlichen Gesicht: «Eigentlich mag ich Italien lieber als Frankreich, aber das hat vielleicht auch mit Nostalgie zu tun, weil ich damals so jung war, als ich zwei Jahre in der Toskana lebte.» Und sie fügt an: «In mediterranen Regionen fehlt mir das Englische, in London das Mediterrane.» Was das englische Wesen betrifft, so liebt sie vor allem dessen schwarzen Humor.

Frankreichs Natur vermittelt ihr Freiheit

Und was mag sie an Frankreich? Immerhin lebt und ar­beitet sie dort seit 26 Jahren. Doris Schläpfer lacht ihr sympathisches Lachen und sagt so spontan wie weise: «Das weiss ich erst, wenn ich wieder weg­ziehe.» Nach kurzem Überlegen findet die Künstlerin: «Dort, wo ich wohne, in Bages in Okzitanien, ist die wilde Landschaft toll. Allein schon die Natur vermittelt ein Gefühl von Freiheit.» Italien, England, Frankreich. Ist man in der Ferne kreativer? «Ja», antwortet die 65-Jährige, «für mich ist das Ausland inspirierender.» Eine gewisse Unordnung interessiere sie. In der Schweiz sei die nur schwer zu finden.

Und wo ist für sie Heimat? Wieder ein offenes Lachen: «Bin ich im Süden, habe ich Sehnsucht nach dem Norden, bin ich im Norden, habe ich Sehnsucht nach dem Süden.» Doris Schläpfer ergänzt, dass sie Grossstädte sehr gerne habe, dort aber nicht mehr leben könne: «Die Luft ist zu verschmutzt und ich bekomme schnell Bronchitis.» Die war noch kein Thema, als sie zum ersten Mal zurückkam in die saubere Schweiz, nach ihren zwei Jugendjahren im Norden Italiens. «Ich bekam einen kleinen Kulturschock», erinnert sich Doris Schläpfer, «alles schien mir plötzlich so schwer und unbeweglich zu sein in meiner Heimat.» Und so war es nur folgerichtig, dass die junge Künstlerin 1979, mit 22 Jahren, nach London zog.

Ihr Malstil in London: wild und figurativ

Ein Jahr studierte Schläpfer an der St. Martins School of Art. Ihr Geld in einem Jahrzehnt London verdiente sie als Künstlerin, immer wieder bei ihren Eltern im Restaurant in der Schweiz und auch mit Brotjobs in der englischen Metropole: meist waren das Tapezier- und Malerarbeiten. «Es waren super Jahre», resümiert Schläpfer. Sie habe viele, viele Konzerte besucht; Rock, Pop, Punk, New Wave. Depeche Mode habe sie erlebt, als die Band noch völlig unbekannt war. Ihr Malstil damals: wild und figurativ.

Konzerte mag Doris Schläpfer auch heute noch. In ihrer Galerie in Estarac bei Bages, die sie seit einem Jahr führt, veranstaltet sie oft Konzerte oder Theater. Mitten im Nirgendwo – «NullepArt» heisst die Galerie – kommen so mehr Besucher in die Pinienwälder, die laut Schläpfer fast zu schön sind, um wahr zu sein. Es hat dort Kraniche, pinke Flamingos und Salzwasserlagunen, über denen das Licht mal blau und mal silbrig scheint. «Doch ich arbeite nicht mit Schönheit», erklärt die Künstlerin. Und alles andere hätte einen auch gewundert – denn Doris Schläpfer sucht das Leben, und nicht das Idyll. Und das gerne in der Ferne. (Text von Susanne Holz)

Hinweis

In der Zürcher Galerie Ziegler stellt Doris Schläpfer noch bis zum 29. Oktober 2022 in einer von Serge Ziegler & Deborrah Schaer kuratierten Gruppenausstellung unter dem Motto «xxs» aus, die weiblichen Künstlerinnen gewidmet ist – darunter so grosse Namen wie Laurie Anderson, Marion Baruch oder Niki de Saint Phalle.

Und in Zsuzsa`s Galerie in Adligenswil nimmt sie im November 2022 an der Gruppenausstellung zum «Projekt DESSIN Zeichnung in der Zentralschweiz» teil.