Das ungespielte Theaterstück

Brauchtum & Geschichte

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Serie Zuger Skandale – Teil 13: Der Baarer Autor Manfred Züfle erhält von der Bürgergemeinde Zug den Auftrag, ein Theaterstück für die Bühne im Casino Zug zu verfassen. Aber das Stück, zu kritisch, wird nicht aufgeführt. Der Autor rächt sich und gibt das Stück als Buch heraus.

  • Hier im Theater Casino hätte Züfles Stück aufgeführt werden sollen: Doch die Theater- und Musikgesellschaft wollte nicht. (Bild zentralgut/Bibliothek Zug)
    Hier im Theater Casino hätte Züfles Stück aufgeführt werden sollen: Doch die Theater- und Musikgesellschaft wollte nicht. (Bild zentralgut/Bibliothek Zug)

Zug – Die Bürgergemeinde Zug nimmt in den 1980er-Jahren die Veränderungen ihrer Stadt wahr und will sich kulturell mit «Zuger Bürgergesprächen» einbringen. In einem ersten Schritt will sich die Bürgergemeinde selber engagieren. Deshalb vergibt sie 1986 den Schreibauftrag für ein Theaterstück dem Baarer Autor Manfred Züfle.

Dieser, seit Jahren in Zürich zu Hause und eine anerkann­termassen kritische Feder, vertieft sich in die Zuger Themen und Verhältnisse. Ein Jahr nach der Auftragserteilung liefert er das Stück «Die Werbung oder Margarete oder der schwarze Toni» ab, er nennt es im Untertitel die «Revue einer eigentümlichen Stadt».

Schell und Schumacher

Im Stück mit dem langen Titel bringt der Autor die Zuger Fasnachts- und Brunnenfigur Greth Schell (1672–1740) mit dem historisch verbürgten Rebellen Anton Schumacher (1677–1735) zusammen, dem «schwarzen Schumacher», sie verloben sich sogar. Von den Lebensjahren her hätten die Beiden wirklich aufeinandertreffen können. Politiker Schumacher stellte sich gegen den lukrativen Pensionenhandel und gilt bei Züfle in der «parteiischen Einschätzung des Autors» als eine «wichtige, die vielleicht einzig überragende Figur unserer Geschichte».

Vor der historischen Kulisse behandelt Manfred Züfle aktuelle Themen wie den Finanzplatz Zug und seine Protagonisten. Dabei schält er über die Dialoge der handelnden Figuren in seiner «Multimedia Show» heraus, was das Finanzgeschehen mit der Stadt Zug macht oder bereits gemacht hat.

Eine Hauptfigur im Stück nennt sich «Number one»; dieser wohnt in einer Mausefalle und erfreut sich an Speck und Käse, und er trägt unverkennbar Charakterzüge des Zuger Rohstoffhändlers Marc Rich. Züfle nennt im Stück die Stadt Zug unzimperlich «die Hure der Mächtigen und Reichen». Das kommt alles karikierend und klamaukig, politisch und possenhaft daher, die Figuren sind symbolisch aufgeladen (und das Ganze wirkt aus heutiger Sicht ziemlich überladen).

Bezahlt und benennen

Aber die auftraggebende Bürgergemeinde nimmt das Stück dankend entgegen, bezahlt dem Autor das vereinbarte Honorar und reicht das Manuskript der Theater- und Musikgesellschaft Zug (TMGZ) weiter, damit diese es im Zuger Casino inszenieren könnte. Doch die Fachleute der TMGZ lesen Züfles Werk und raten von einer Inszenierung ab. Man spricht von ungenügender dramatischer Kraft der Züfle’schen Nummernfolge, von schwachen Figuren, vom Fehlen bühnenwirksamer Szenen, von mangelnder Brisanz und zu hohen Kosten einer professionellen Aufführung, es kursieren Kostenschätzungen von mindestens 300 000 Franken.

Die TMGZ meint zur Aufführbarkeit des Stücks wörtlich: «Manfred Züfles Didaktik führt ihn zum thesenhaften Benennen, zu langen Referaten, wo einleuchtend-kritische Aktion vonnöten wäre. Cabarettistisch Überspitztes wird zu umständlich eingeführt, als dass es noch irgendwie überraschen und überzeugen könnte.» Darauf entbrennt eine gesamtschweizerische Debatte, in die sich Autorenverbände, Parlamentsmitglieder und vor allem Medien einschalten und mit Vehemenz ihre Positionen vertreten. Handelt es sich um einen Fall von politischer Zensur? Oder doch von mangelnder Textqualität?

Feuerchen und Föhn

Die «Luzerner Neusten Nachrichten» kritisieren nach der Lektüre: «Die Revue gibt vor, eine kritische Auseinandersetzung zu sein, und dabei ist sie doch nur die Wiederholung eines ziemlich grob gerasterten Klischees.»

Manfred Züfle bläst dabei munter Luft in das Feuerchen, das sich zu einem Flächenbrand ausweitet, wenn er schreibt: «Der Föhn bläst zwar in Zug, aber nur draussen, auf dem See, durch die malerischen Gassen; in den Köpfen soll’s ruhig sein, nach dem Motto: Wenn ihr nicht lieb seid, ist’s fertig mit dem Segen.» Züfle hat sich zuvor in der Literaturszene gut vernetzt, sodass sogar der europäische Schriftstellerkongress ebenso gegen die Nicht-Auf­führung protestiert wie die Schweizer Autorenvereinigung «Gruppe Olten».

Weil sein Stück nicht auf eine Zuger Bühne kommt, gibt Züfle seinen Theatertext, zusammen mit Materialien und einer ihm genehmen Beurteilung des Stücks als Büchlein heraus: im Zürcher Rotpunkt-Verlag, aber in den Zuger Wappenfarben Weiss-Blau-Weiss – eine weitere Provokation. Wie schrieb doch Züfle im umstrittenen Stück:

«In Zug, in Zug,

da gibt’s kei Sünd.

In Zug, in Zug,

das weiss ein Kind,

da gibt’s kei Sünd,

da gibt’s kei Sünd.

Sündigen tun die andern

von einer Stadt zur andern.

In Zürich wohl am meisten.

Wir sind lieb,

wir sind brav,

wir sind das weisse Schaf.»

Solche Zeilen fordern die Schafe heraus, die zurückblöken. Das Theaterstück Züfles hätte die «Bürgergespräche» lanciert. So findet in der Folge die Debatte, die sein Stück hätte auslösen sollen, nun doch noch statt, in dem über die Verhinderung des Stücks diskutiert wird. Das «Zuger Tagblatt» meinte: «Was der Zuger Casino-Bühne zu frech ist, kann anderen Theater nur gerade recht sein.»

Doch nach dem Abflauen der aufgeladenen Debatten hat sich nie eine Theatergruppe an «Die Werbung oder Margarete oder der schwarze Toni» herangewagt. Das Theaterstück ist Papier geblieben. (Text von Michael van Orsouw)

Hinweis

Dr. Michael van Orsouw, Historiker und Schriftsteller, beleuchtet Zuger Skandale des 20. Jahrhunderts. In der nächsten und letzten Folge zieht er essayistisch zur ganzen Serie Bilanz.