Die einsame Weinende

Questo e quello

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Wer ist sie, die da trauert und wehklagt mitten im See? Zu sehen bekommen sie fast nur die Fischer - und allenfalls Leute, die ein Privatboot besitzen.

  • Ihr Schmerz ist gross. Doch wen oder was beweint die Frauenfigur, die hier in der Nähe von Buonas einsam über dem Wasser des Zugersees schwebt? (Werner Schelbert)
    Ihr Schmerz ist gross. Doch wen oder was beweint die Frauenfigur, die hier in der Nähe von Buonas einsam über dem Wasser des Zugersees schwebt? (Werner Schelbert)

Buonas – Ihr Anblick ist wahrhaft herzerweichend: Aufrecht stehend vergräbt sie ihr trauerndes Gesicht in der rechten Hand, weint offenbar bitterlich. Doch wer ist diese unglückliche Frau, welche hier als rund einen Meter grosse Statue aus einer Art Gussbeton oder Kalk mitten im Zugersee steht? Die Recherche dazu hat einzig Geschichten ergeben, die unter den Seeleuten und Schiffsangestellten kursieren. Fast jeder Angestellte der Zugersee-Schifffahrt kennt die Statue als «die Weinende». Unter ihnen erzählt man sich beispielsweise die Legende, dass hier einst die Asche der Frau eines gewissen Gretener Dölf aus Cham, den man den «Chiemenvogt» nannte, im See bestattet worden sei. Oder war es etwa doch seine Asche? 

Für die Segler hat die Figur eine hilfreiche Funktion, wie Ernst Weiss vom Segel-Club Cham in dessen Zeitschrift «Horbächler» berichtet. So weise ihnen die «Weinende» die Einfahrt zu einer kaum erkennbaren Schilfinsel und der Bucht dahinter, denn in dieser Region gibt es einige Untiefen, welche die Bootsleute in unangenehme Situationen bringen könnten. Deshalb wird laut Ernst Weiss diese Stelle unter den Insidern auch «Magellan» genannt. Und tatsächlich: Wenige Meter neben der Statue, die auf einer Eisenstange steht, wird das Wasser immer seichter. Nichts für Boote mit Tiefgang, hier würde schnell auf Grund gelaufen. Wer den sicheren Weg in die Bucht jedoch gefunden hat, kann sich - wenn er denn so will - die Kleider vom Leibe reissen und nackt sonnen und baden, denn Einsicht in die Bucht gibt es kaum. Die Uferregion ist dort so sumpfig und bewachsen, dass es keinen Seezugang gibt für Spaziergänger. Die Sicht von der nahegelegenen Bootshütte im Underfreudenberg wird ebenfalls durch Uferbewuchs behindert, und der öffentliche Schiffskurs verläuft in sichtsicherer Distanz. Zudem schaut die Statue zum Ufer hin. Und somit eröffnet sich uns auch, weshalb kaum jemand von unserem Fräulein weiss, das geschätzte 70 bis 80 Meter vom Ufer entfernt - umgeben von nichts als Wasser - bittere Tränen weint. Es ist davon auszugehen, dass die Figur zu regenreichen Zeiten gar bis zu den Knien im Wasser steht.

Oder wer weiss: Vielleicht wollte jemand mit der Statue der Toten vom Seeunglück gedenken, das sich 1817 vor Buonas ereignete. Ein von Walchwil her kommender, mit Sand beladener Nauen kenterte damals, was sechs Menschen das Leben kostete, die hier vielleicht bis zum heutigen Tage als arme Seelen wandeln. Unbestritten dürfte wohl sein, dass die Frau nicht etwa weint über ihre eigene Einsamkeit oder weil sich in der Bucht unbeobachtete Bootsausflügler unziemlichem Verhalten hingeben - es liegt auf der Hand, dass sie jemandes Tod beklagt. Das Motiv der trauernden Figur findet sich besonders häufig auf Biedermeierfriedhöfen und Grabstätten aus der Gründerzeit. Oft sind es Engelswesen, aber auch irdische. Bei Letzteren handelt es sich vielfach um Personen, die dem Verblichenen in irgendeiner Weise nahestanden.

Die Recherchen zur trauernden Dame im Zugersee haben zu keinen konkreten Ergebnissen geführt. Ihre Machart ist jedenfalls neuerer Art. Auch das Amt für Raumplanung, das unter anderem für alles, was im und am See geschieht, zuständig ist, weiss nichts von der «Weinenden». Und weitere potenzielle Informationsquellen waren urlaubsbedingt nicht konsultierbar. Deshalb sei an dieser Stelle angemerkt, dass allfällige Hinweise zur Statue gerne an den Autor gerichtet werden können.Andreas Faessler andreas.faessler@zugerzeitung.ch

Ihr Schmerz ist gross. Doch wen oder was beweint die Frauenfigur, die hier in der Nähe von Buonas einsam über dem Wasser des Zugersees schwebt? (Andreas Faessler)

HINWEIS
Mit «Hingeschaut!» gehen wir wöchentlich mehr oder weniger auffälligen Details mit kulturellem Hintergrund im Kanton Zug nach.