Hürlimanns Komödie feiert Premiere
Theater & Tanz
Das Theater Casino Zug inszeniert «De Franzos im Ybrig» anlässlich des 75. Geburtstags des bekannten Autors in Eigenproduktion.
Zug – Der Plot, der sich auf der grossen Bühne des Theater Casino Zug wie ein wilder Traum voller Farben und Töne entfaltet, hat einen historisierenden Hintergrund und ist einfach zu umreissen: Im Jahr 1798 steht Napoleon mit seiner Grande Armée vor den Toren einer Schweiz, an der die neuen aufklärerischen Ideen und sozialen Umstürze bislang vorbeigegangen sind. Für die Bergler auf dem Ybrig aber sind Dezimalsystem und Schulpflicht des Teufels; sie bereiten sich auf die Verteidigung ihrer alten Welt vor.
Am Stammtisch wird der Widerstand organisiert. Der schwarzberockte Pfarrer (Andreas Lohri) überwacht Diskussion und Moral mit grossmäuligem Latein; zu seiner Pfarrköchin Ursi (Adriane Bösch) unterhält er eine nicht gerade platonische Beziehung. Seine Zech- und Palaverkumpane sind der Schulmeister (Kurt Weiss), der mit der gewitzten Toinette (Stefanie Herzberg) verheiratet ist, und der Gastwirt Lymbacher (Marcel Waller), zu dem die kecke Serviertochter Ringgi (Nicole Widmer) gehört.
Auch eine Untote treibt ihr Unwesen
Die Dorfhonoratioren sind also gepaart, und die Ordnung ist eine patriarchale. Bei der hübschen Steffi (Cindy Bucher) und ihrem feschen Verlobten Wendel (Philip Weber) liegen die Dinge etwas anders: Er hat heimlich die blutjunge Vogel-Lisi (Nina De Haas) geschwängert, sie stirbt bei der Geburt und geistert fortan im weissen Hemd und blauen Licht als Untote durch das Stück. Die alte Mutter Kälin aber – kraftstrotzend verkörpert durch Sibylle Aeberli – hüpft dem Tod im letzten Moment fluchend von der Schippe.
Im Figurenarsenal des Stücks ist der Tod eine ständig präsente Instanz – in der Gestalt des Sargtöneli (Ingo Ospelt), der mit Kerzlein auf der Hutkrempe und mit unheimlich klappernden Absätzen auf die Rampe hinausschreitet, die in den Zuschauerraum ragt. Ein eitler Geck, der bezirzt und bedroht und sich hemmungslos holt, was er begehrt.
Etwas frischen Wind von aussen bringt Örgeli-Miggel (Dan Wiener) mit seinem Velo samt montiertem Verkaufsladen. Ganz am Rande der Gesellschaft und auf der Grenze zum Hexenhaften leben die drei «Fecker» (Fabio Figueras, Sandra Mahler, Silvia Marti) und gehören doch zu diesem Universum, das bald «under-obsi» gerät. Denn die streitbaren Männer wollen Napoleons Armee vom Berggipfel aus mit einer «Laui» aus Eis und Geröll erwarten und ziehen sich für Wochen in ihr Réduit zurück. Währenddessen verteidigen die Frauen das Dorf gegen den zwar einbeinigen, aber durchaus ansehnlichen Schlachtenmaler Foulon, der Napoleons Truppen vorausgeht (exzellent gespielt von René Schnoz).
Ein männlicher Blickwinkel?
«Dieses Stück beruht auf einem Schwank von 1824, in dem es nur männliche Figuren gab», sagte Thomas Hürlimann im «Themen-Talk» vor der Premiere. «Der ‹Ur-Franzos› wurde damals vom Lehrer gespielt; er stand für die verhasste Bildung und wurde von seinen schlechtesten Schülern in ihren Rollen als Fecker zusammengeschlagen.» In Hürlimanns Dichtung sollten dieser Männerwelt nun selbstbewusste Frauen gegenüberstehen.
Im Theater Casino Zug ist «De Franzos im Ybrig» ein handfester Schwank geblieben, voller Klischees, die lustvoll überhöht und ad absurdum geführt werden. Etwas «Alpenmagie» prägt Christoph Haerings Inszenierung im Bühnenbild von James Kälin – rechts dominieren die felsigen Berge aus Pappmaché – und in den Kostümen von Benjamin Burgunder. Integraler Bestandteil ist die neu komponierte, live gespielte und gesungene Musik des Zuger Komponisten Mathias Landtwing und seines Quartetts.
Welche Heldentaten vollbringen die im Dorf zurückgebliebenen Frauen? Kurz denkt man an Aristophanes «Lysistrate», wo die Frauen den Männern den Sex verweigern, damit sie den Krieg beenden. Nicht so in dieser Komödie: Toinette, Ringgi und Ursi kleiden sich in rotweisse Vichykaro-Pettycoats und stolzieren auf Plateauschuhen eine nach der anderen in die Berghütte, wo Foulons hölzerner Phallus im Heu auf sie wartet. Und die alte Mutter Kälin tut es ihnen mit Perücke und Schminke nach. Weibliche Selbstermächtigung aus männlichem Blickwinkel?
Hinweis«De Franzos im Ybrig» wird im Theater Casino Zug ab morgen täglich aufgeführt. Bei der Derniere am 1. November ist Thomas Hürlimann erneut anwesend, dann im Gespräch mit der Hürlimann-Spezialistin Fedora Wesseler. Informationen sind unter www.theatercasino.ch erhätlich. (Text: Dorotea Bitterli)
