«Ein gehöriges Mass an Idealismus»

Musik

,

Mit viel Herzblut zeichnet Olivier Eisenmann seit vier Jahrzehnten für die Zuger Orgeltage verantwortlich. Zudem ist er Ehrenpreisträger der Zuger Kulturschärpe 2022. Woher nimmt er selbst Jahre nach dem offiziellen Pensionsalter noch immer all diese Energie? Wir fragen nach.

  • Noch immer voller Elan: Olivier Eisenmann führt seit 40 Jahren die Internationalen Zuger Orgeltage durch – und sitzt dabei stets mindestens einmal selber an der Orgel. (Archivbild Stefan Kaiser)
    Noch immer voller Elan: Olivier Eisenmann führt seit 40 Jahren die Internationalen Zuger Orgeltage durch – und sitzt dabei stets mindestens einmal selber an der Orgel. (Archivbild Stefan Kaiser)

Zug – Wie kam es zur Gründung der Internationalen Zuger Orgeltage vor 40 Jahren?

Olivier Eisenmann: Nach meinem Stellenantritt als Geschichtslehrer an der Kantonsschule Zug im Jahr 1976 pflegte ich das Orgelspiel samt Konzertieren weiterhin und baute den Kontakt zu vielen ausländischen Organisten aus, welchen ich eine Gelegenheit für Auftritte in der Schweiz geben wollte. So entstand die Idee, Konzerte an verschiedenen Orten im Kanton Zug zu organisieren.

Worauf legen Sie dabei jeweils besonderen Wert?

Als ehemaligem Redaktor war mir stets ein Anliegen, über die aufgeführten Werke und deren Komponisten auch sorgfältig zu recherchieren. So kam es dazu, dass der Zyklus der Internationalen Zuger Orgeltage von einer umfangreichen Broschüre begleitet wird. Hier erkennt man die beiden Hauptmerkmale dieser Konzertreihe: Jedes aufgeführte Werk analysiere ich im Programmheft samt Informationen über die Komponisten, falls diese nicht allgemein bekannt sind. Alle Eingeladenen spielen mindestens einen Drittel des Rezitals mit Werken aus ihrem eigenen Kulturkreis. So kommt im Kanton Zug Musik zu Gehör, die bisher grösstenteils unbekannt war.

Wie kommen die ausländischen Organisten in die Schweiz?

Viele von ihnen habe ich auf meinen Konzertreisen in Europa kennen gelernt. In der Regel kennen die Gastorganisten das zu spielende Instrument vorgängig nur nach der Disposition, also nach der Auswahl und Qualitäten der vorhandenen Klangregister. Für die praktische Umsetzung brauchen sie dann meist nur ein bis zwei Tage, um die gewünschten Klangkombinationen herauszufinden.

Sie selber übernehmen traditionell als Organist eines der Konzerte, sind also Organisator und zugleich ausführender Interpret: Wie bewältigen Sie das?

Meine Partnerin Verena Steffen, selber auch professionelle Flötistin, hat mich immer organisatorisch und musikalisch unterstützt; sonst würde ich das nicht seit 40 Jahren machen (schmunzelt). Ausserdem unterrichtete ich an der Kantonsschule Zug stets nur ein Teilpensum, damit genügend Zeit vorhanden war, neben dem täglichen Üben auch die verschiedenen, teils mehrwöchigen Tourneen als Konzertorganist pro Jahr durchführen zu können.

Was darf das Publikum von ihrem selber gestalteten Konzert vom kommenden Sonntag erwarten?

Gemäss dem Prinzip, dass der Interpret an den Orgeltagen Werke aus seiner Heimat spielt, habe ich für mein Orgelrezital ausschliesslich Musik schweizerischer Komponisten gewählt, die in Zug nur selten zu hören sind. So erklingen, neben Beispielen aus dem Schaffen von Theodor Kirchner und Theophil Forchhammer, eine Toccata über die Glocken des St.Galler Domes von Paul Huber sowie Heinz Wehrles Vision «Le Rideau Divin». Im Zentrum stehen jedoch die Meisterwerke der beiden Spätromantiker Hans Huber, von dem ich eine Fantasie nach den Worten der Heiligen Schrift spiele, und Otto Barblan. Von ihm erklingt eine Passacaglia.

Ihr ordentliches Pensionierungsalter liegt Jahre zurück, und noch immer sind Sie geistig und körperlich als ausführender Musiker voll aktiv. Was ist Ihr «Rezept»?

Es liegt sicher nicht nur an meinem lauschigen Wohnhaus weit oberhalb des Vierwaldstättersees, das wir im Laufe der Jahre zu einer Art Paradies gemacht haben. Das Orgelspiel verlangt tatsächlich maximale Präsenz: Das Lesen der Noten auf drei Systemen gleichzeitig mit zwei Notenschlüsseln, körperliche Umsetzung in zwei unterschiedliche Bewegungssysteme der Hände und Füsse, laufende Kontrolle durch das Gehör: Diese anspruchsvolle Aufgabe, oft mehrere Stunden pro Tag, wirkt offensichtlich dem Alterungsprozess entgegen. Die 41.Internationalen Zuger Orgeltage von 2023 habe ich übrigens organisatorisch teilweise schon vorbereitet.

Trotzdem: Irgendwann einmal wird sich die Frage der Nachfolge stellen.

Ich glaube kaum, dass die Reihe nach mir in der bisherigen Form und mit der ausführlichen Kommentierung fortgesetzt wird. Es braucht dazu ein gehöriges Mass an Idealismus. (Interview: Jürg Röthlisberger)

Hinweis
Orgelkonzert von Olivier Eisenmann in der Reformierten City Kirche Zug am Sonntag, 19. Juni, um 19 Uhr.