Boot und Boje als Zeugen eines Baubooms
Kunst & Baukultur, Brauchtum & Geschichte
Mitten auf dem Platz beim Rotkreuzer Oberstufenschulhaus liegt ein «Bootsgerippe» aus Jurakalk. Das Kunstwerk ist in den 1980er-Jahren entstanden und war einst dreiteilig.
Rotkreuz – In den 1980er-Jahren standen der Gemeinde Risch am sich rasant entwickelnden Standort Rotkreuz mehrere bauliche Grossprojekte ins Haus: Rund 50 Millionen Franken waren zu investieren in das Alterszentrum Dreilinden, in mehrere Alterswohnungen, das Gemeindezentrum, den Dorfplatz und ein neues Oberstufenschulhaus. All das sollte mit Kunst begleitet werden, weshalb die Gemeinde 1988 einen Wettbewerb ausschrieb für die Gestaltung der neu bebauten öffentlichen Zonen im Dorf.
13 Künstlerinnen und Künstler sowie Landschaftsarchitekten reichten ihre Ideen und Konzepte ein. Letztlich kamen elf von ihnen zum Zuge, dem «neuen» Rotkreuz mit ihrer Kreativität ein künstlerisches Gesicht zu verleihen. Unter den Auserwählten war der Berner Ueli Berger (1937–2008). Er wurde mit der Gestaltung der Freiräume um das neue, nach Plänen von Architekt Hans-Peter Ammann erbaute Oberstufenschulhaus und die Turnhalle beauftragt.
Zwölf Elemente aus Jurakalk
Bergers Projekt – schlicht das «Boot» genannt – sah ein Werk aus drei Komponenten vor, welches 1990 ausgeführt worden ist und heute wegen eines Missgeschicks nur noch aus deren zwei besteht. In die Mitte des Platzes zwischen Schulhaus und Turnhalle setzte Berger auf die Länge von rund 20 Metern eine Abfolge von zwölf je symmetrischen Doppel-Elementen aus Jurakalk, die sich gegen ihre gemeinsame Mitte hin neigen und so eine Art Hohlform bilden. Ihre Anordnung ergibt ein auf beide Seiten hin unterschiedlich spitz zulaufendes Längsoval – der Grundriss eines Bootes.
Je nach Anschauung sind die zwölf Kalkblöcke als stilisiertes «Skelett» des Bootes zu deuten, dem noch die wasserdichte Verschalung fehlt. Oder aber sie tragen das im Entstehen begriffene oder zu reparierende Boot – welches man sich hier vor dem geistigen Auge vorstellen muss – wie ein Gerüst mit Negativform.
Etwas entfernt um die Ecke nahe der Waldeggstrasse liegt eine Art Boje im Gras und im Schatten eines Baumes. Dieses ebenfalls aus Jurakalk gefertigte, witterungsbedingt gedunkelte Objekt ist Bestandteil des Kunstwerkes und steht entsprechend im Kontext mit diesem. Die Boje mag beispielsweise als Inbild für Halt und Stabilität bei stürmischer See, sprich in turbulenten Zeiten, gedeutet werden. Der ursprüngliche dritte Teil des Gesamtkunstwerkes hatte einst auf dem unteren Pausenplatz gestanden. Es handelte sich um eine schlanke Kalkstele. Sie war der zum Boot gehörende Mast, wurde jedoch in den Jahren darauf bei Anlieferungstätigkeiten so stark beschädigt, dass sie entfernt werden musste.
Der Künstler und Innenarchitekt Ueli Berger lebte mit seiner Partnerin Susi Berger ab 1971 in Ersigen bei Kirchberg. Als Künstler- und Designerpaar setzten sie sich mit Installationen und Interventionen an Gebäuden und im öffentlichen Raum auseinander. Berger wie auch seine Partnerin waren wiederholt an namhaften Ausstellungen im In- und Ausland vertreten. Das Thema Boot taucht im Schaffen des Berners wiederholt und in unterschiedlichen Ausführungen, Interpretationen und Kontexten auf. (Text von Andreas Faessler)