Die Pariser Notre-Dame als Gast in Zug

Musik

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Ein zahlreich erschienenes Publikum füllte die reformierte Kirche Zug für das Konzert des Zuger «Xang»-Chores.

Zug – Durch das ganze Programm zog sich die Beziehung zur Notre-Dame-Kirche in Paris, erbaut 1163-1345 in frühgotischem Stil, durch einen Brand im April 2019 zu einem grossen Teil zerstört und heute nach unverändertem Neuaufbau vor der Wiedereröffnung stehend. Alle drei im Programm vertretenen Komponisten waren oder sind dort Organisten, nach Louis Vierne (1879-1937) und seinem Schüler Maurice Duruflé (1902-1986) auch der 1964 geborene Yves Castagnet.

In der Notre-Dame-Kirche soll sich Ende des 15. Jahrhunderts die Geschichte um den verkrüppelten Glöckner Quasimodo zugetragen haben; durch die meisterhafte Umsetzung im tragischen Beziehungsroman von Victor Hugo (1802-1885) ist sie heute weltbekannt.

Die reformierte Kirche Zug gleicht zwar weder in den Dimensionen noch im Baustil der französischen Kathedrale. Aber die Auftritte von Basil Koller als Rezitator und Schauspieler trafen wohl die Grundstimmung des späten Mittelalters – unterstützt durch mehrere kurze Stromausfälle, bei welchen es nicht klar war, ob es sich um gewollte Effekte oder um technische Pannen handelte. Trotz Hinweisen auf dem Programm zu Victor Hugo und zur späteren Musical-Bearbeitung durch Luc Plamondon wurde die eigentliche Romanhandlung aber kaum nachvollzogen.

Ausgezeichnet vorbereitet

So konzentrierte sich die Aufmerksamkeit doch vor allem auf die Musik. Zweimal erschien der um das Credo verkürzte traditionelle Messetext mit Orgelbegleitung. Der seit einem Jahr amtierende Dirigent Michael Bártek hatte den Chor ausgezeichnet auf seine Aufgabe vorbereitet. Die rund 30 Mitwirkenden beherrschten den teilweise sehr anspruchsvollen Notentext sicher und in prägnanter Gestaltung. Die zahlreichen Spitzentöne im Sopran wurden souverän erreicht, und wenige Unsicherheiten der Intonation beschränkten sich auf die komplexen Schlussakkorde des «Agnus Dei» von Louis Vierne.

Durch die Aufstellung auf der Empore gelang auch ein sicheres Zusammenspiel mit der Orgel. Diese Position hatte allerdings den Nachteil, dass nicht überall im Publikum der gleiche Höreindruck entstand. Vom Platz des Journalisten aus – ziemlich weit vorne im Kirchenschiff – wirkte der Chorbass oft etwas abgeschnitten – ein Mangel, der sich sofort ausglich, als der Chor für die vier A-cappella-Motetten von Duruflé im Altarbereich auf Höhe des Publikums stand.

Fast ohne Textwiederholungen und mit der Orgel als einzigem Begleitinstrument entsprachen sowohl Vierne wie Castagnet in der Form der «Missa brevis», wie sie bis vor kurzem von vielen Kirchenchören für die Verschönerung der sonntäglichen Messfeiern gepflegt wurden. Diesen Eindruck verstärkte der konsequente Verzicht auf solistische Einsätze, selbst an den Stellen, wo sie von den Komponisten wohl so gedacht waren.

Am meisten von den Notre-Dame-Verhältnissen des frühen 20. Jahrhunderts spürte man beim Spiel des Organisten Vincenzo Allevato mit den ebenfalls von Louis Vierne stammenden Zwischenstücken. Unter kundiger Hand näherte sich der Klang stark dem Wunschbild der nachromantischen französischen Orgelvirtuosen.

Wer das Konzert verpasst hat, kann dies durch eine kleine Reise am kommenden Wochenende noch nachholen: Samstag, 13. Mai, Kollegiumskirche Maria Hilf, Schwyz, oder am Sonntag, 14. Mai, reformierte Kirche, Richterswil ZH. (Text von Jürg Röthlisberger)