Ein Baum als Wahrzeichen

Dies & Das

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Die Gemeinde Neuheim ist untrennbar mit dem Lindenbaum als ortsbildprägendes Element verbunden.

  • Die grosse Linde auf dem Josefsgütsch ist rund 480 Jahre alt. (Bild Maria Schmid)
    Die grosse Linde auf dem Josefsgütsch ist rund 480 Jahre alt. (Bild Maria Schmid)

Neuheim – Es ist Neuheims bekanntester und wohl schönster Baum: Die stattliche Linde auf dem 721 Meter hohen Josefsgütsch steht wie eine stille Protektorin über dem Dorfkern, gehört fast unverzichtbar zum Dorfbild. Auf ein Alter von mittlerweile um die 480 Jahre wird der Baum mit seinen knapp fünf Metern Stammumfang geschätzt. Seit Jahrzehnten ist er «verwitwet»; bis 1962 teilte sich die Linde den Josefsgütsch mit einer zweiten von etwa gleichem Alter. Diese jedoch hielt im genannten Jahr einem Föhnsturm nicht stand und wurde mit einem jungen Baum ersetzt, der mittlerweile selbst zu einer ansehnlichen Grösse angewachsen ist.

Der Lindenbaum wie jener altehrwürdige auf der prominenten Anhöhe gilt als Wahrzeichen der jüngsten Zuger Gemeinde. Dies geht auf eine tradierte Gepflogenheit zurück, wonach ein Bauer seinem erstgeborenen Sohn eine Linde pflanzen sollte – auf dem höchsten Hügel seines Grundstücks. Eine andere Erklärung für das Vorhandensein von Linden auf den Hügelkuppen ist hingegen reine Sagenbildung. Demnach sollen sich die Neuheimer und die Menzinger einst vom Teufel, mit dem sie einen Pakt eingegangen waren, veräppelt gefühlt haben, weil er die Anhöhen viel zu steil geformt hatte, um sie landwirtschaftlich zu nutzen. Daraufhin stellten sie auf den Hügeln Linden als heilige Bäume und jeweils ein Kruzifix auf, um es dem Leibhaftigen heimzuzahlen («Hingeschaut» vom 13. Januar 2016).

Aus welchem Anlass die Josefsgütsch-Linde einst gepflanzt worden ist, geht aus keiner Chronik hervor. Ein weiteres besonders markantes Exemplar stand bis 1965 in der Senke zwischen Josefsgütsch und Baarburg, genau da, wo heute die Strasse von Baar nach Neuheim die grosse Kurve macht. Der Baum galt als Ort der Ruhe und Kraft für Bauersleute, vorbeikommende Wanderer und Pilger. Nachdem die Strasse angelegt worden war, ging die alte Linde ein.

Eine geschützte Landschaft in Gefahr

Wie sehr sich die Neuheimer mit ihrer einzigartigen, lindenbestandenen und geschützten Moränenlandschaft identifizieren, zeigte sich in den 1980er-Jahren besonders deutlich: Die kantonalen Richtpläne wurden dahin gehend angepasst, dass eine Erweiterung des Kiesabbaus möglich wurde, um den wachsenden Bedarf an Baumaterial zu decken. Das Gemeindegebiet Neuheims wäre von diesen Anpassungen besonders stark betroffen gewesen, die Unversehrtheit der Landschaft war in Gefahr. Es erwuchs grosser Widerstand. Eine von den Gegnern zustandegebrachte Initiative sollte den erweiterten Kiesabbau verhindern. An der kantonalen Abstimmung vom Juni 1988 zeigte sich die grosse Solidarität der Bevölkerung mit ihrer einzigartigen Landschaft: Die Initianten siegten haushoch.

Lindenbäumen wird seit Alters her besondere Bedeutung zugesprochen. So galt die Linde bereits für die Germanen als heilig. Im mitteleuropäischen Raum hatte einst fast jede Gemeinde ihre sogenannte Dorflinde im Ortskern stehen, die nicht nur allgemeiner Treffpunkt im Alltag, sondern meist auch Zentrum unterschiedlicher Volksbräuche und örtlicher Festivitäten war.

Ein junges Gemeindewappen

Nicht zuletzt war es meist ebenfalls ein Lindenbaum, unter dessen Blätterdach Gerichtsverhandlungen abgehalten wurden. Zugleich gilt die Linde als Symbol des Friedens. Etliche Bäume gehen heute noch nachweislich auf beendete Kriege zurück. Die Linde hat im Laufe der Zeit vielfach Eingang in die Literatur, vor allem in die Poesie gefunden. Sie wurde bedichtet, besungen, stand und steht Patin für mehrere Klassiker aus dem deutschen Volksliedgut.

Dass der Lindenbaum mit seiner besonders häufigen Präsenz auf Neuheimer Boden schliesslich auch Einzug ins Gemeindewappen gefunden hat, ist mehr als naheliegend. Dies allerdings erst seit 1942, denn nachdem Neuheim 1848 zur eigenständigen Gemeinde geworden war, führte sie als Wappen schlicht dasjenige des Kantons Zug, über welches ein goldenes «N» gelegt wurde. Das heutige Wappen zeigt einen grünen Lindenbaum auf grünem Hügel vor goldenem Hintergrund. (Andreas Faessler)

Hinweis
In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.