Das Schwemmgut ist in einem Schaufester gelandet

Kunst & Baukultur

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Werner Iten ist jetzt bei Helena Krähenbühl zu Gast: Fundstücke aus Lorze und Nil sowie Kreidezeichnungen bilden die Installation.

Zug – Der Platz für die Kunst ist nur beschränkt vorhanden. Dennoch wird das hohe Schaufenster des Ehepaars Helena und Alfred Krähenbühl an der Baarerstrasse 80 in Zug seit Jahren von Kunstschaffenden gerne genutzt.

Diesen Sommer kann der Zuger Künstler Werner Iten dort verschiedene Arbeiten präsentieren. «Mich hat die dreidimensionale Fläche fasziniert, obwohl sie sehr schmal ist», sagt er draussen beim Betrachten der Installation, die er bis Ende September ausstellt.

Interpretation ist frei

Als Blickfang dienen die drei grossen Zeichnungen in Ölkreide: Das rechts hängende Bild habe er mit geschlossenen Augen gemalt; links gibt es ein Spiegelbild und in der Mitte eine ab-strakte Komposition. Rundum sind an den Fenstern der nostalgischen Rückwand Tagebuchzeichnungen befestigt oder hängen büschelweise an Fäden.

«Seit rund fünf Jahren entstehen täglich solche Zeichnungen, jeweils am Morgen nach dem ersten Kaffee. Die- jenigen an der Rückwand sind aus der Zeit von Juni bis August», sagt Werner Iten. Es seien Reminiszenzen von dem, was ihn am Tag vorher bewegt habe. Die ersten solcher Reflexionen seien in Ägypten entstanden und zeigten nur Zeichen und Symbole. Inzwischen würde er häufiger figürliche Sujets darstellen. «Die Interpretation der Werke überlasse ich aber dem Zuschauer.»

Zahlreiche Fundstücke

Für Werner Iten stellen die Tagebuchzeichnungen auch so etwas wie sein persönliches Schwemmgut dar, das gut zu den am Boden des Fensters drapierten Fundstücken passt. Zwischen den grünen Fischernetzen und den vom Wasser ausgelaugten Holzresten ist eine Auswahl der Dinge zu sehen, die von Menschen achtlos in die Lorze oder den Nil geworfen worden sind. Auf einer Achse, die zwei Räder verbindet, liegt eine kleine Babypuppe. «Das Baby habe ich im Sand entdeckt», erinnert sich Werner Iten. Es sei unglaublich, was bei seinen Tauchgängen alles zum Vorschein käme. «Vor zwei Wochen bin ich die ganze Lorze hinaufgelaufen. Ich habe eine Parkuhr, jede Menge Velos, einen Holzpfeilbogen und sogar Skate- und Kickboards gefunden.» Diese Sammelstücke seien jetzt bei der Gewürzmühle aufgebaut.

Befreundete Künstler

«Es gibt Leute, die merken, wenn das Schaufenster leer ist», hat Helena Krähenbühl festgestellt. Seltener werde mit dem Auto angehalten. Andere liefen einfach vorbei. Reaktionen erhalte sie vor allem aus dem Bekanntenkreis.

Das Ehepaar Krähenbühl, selber auch künstlerisch tätig, hat für das Schaufenster in dem zur Wohnung gehörenden Atelier bewusst eine zweite Wand eingezogen. «Meine Idee war es von Anfang an, keine Galerie zu schaffen, sondern den Platz wie eine Litfass-Säule zu nutzen», erinnert sich Helena Krähenbühl. Als Erstes zeigte sie selber Schriften, die mit «Zug» in Zusammenhang standen. Wie ihre umfangreiche Dokumentation zeigt, waren in den letzten Jahren zahlreiche Kunstschaffende aus der umliegenden Region bei ihr zu Gast, unter anderem Daniela Schönbächler, Martin Sutter, Christoph Stehlin, Beat O. Iten, die Modedesignerin Sara Schlumpf, Annelies Ursin und auch der Autor Max Huwyler zusammen mit Niklaus Lenherr.

Geschätztes Engagement

Meist sind es befreundete Künstler, die ihre Arbeiten während ein bis zwei Monaten im Schaufenster unentgeltlich präsentieren dürfen. «Sie erhalten sogar einen Kaffee oder ein Bier», sagt Helena Krähenbühl schmunzelnd. Bereut hat sie das Engagement noch nie. «Trotz der Spiegelungen durch das Glas finden sie das Angebot super gut.» (Monika Wegmann)