Verschollenes Orchester meldet sich mit einem Tagebuch zurück

Musik

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Das Luzerner Sinfonieorchester und Lucerne Festival reagieren mit neuen Online-Angeboten auf das Coronavirus.

Zug – Das Coronavirus hat nicht nur Strassen, Läden und Konzertsäle leergefegt. Es führt dazu, dass selbst eine Grossformation wie das Luzerner Sinfonieorchester praktisch von einem auf den andern Tag «verschollen» ist. So sagt es Intendant Numa Bischof in einer Videobotschaft auf der Website des Orchesters. In dieser stellt Bischof eine erste Serie von Online-Beiträgen des Luzerner Sinfonieorchesters vor. Lucerne Festival bietet anfangs April anstelle des abgesagten «Teodor»-Wochenendes ein Online-Angebot, das vom 1. bis zum 4. April Festival-Highlights aus früheren Jahren gratis zugänglich macht.

Damit sind die grössten Kulturinstitute Luzerns mit eigenen Streamingangeboten online. Das Luzerner Theater hat bereits seit dem Aufführungsstopp die ersten drei Staffeln der «Taylor AG» auf seiner Website als Stream verfügbar gemacht.

Orchester-Tagebuch in Zeiten des Coronavirus

Die ersten Beiträge des Sinfonieorchesters testen verschiedene Formen und haben etwas erfrischend Verspieltes. Das passt zur Aufmunterung, die der Cellist Jonas Vischi, noch mit seinem Baby im Arm, den Zuschauern wünscht. Die dramatische Lage, die all das nötig macht, unterstreicht dagegen die Tatsache, dass sich Bischof in der Videobotschaft als «Intendant eines verschollenen Orchesters» ans Publikum wendet. Die Kurzkonzerte finden sich denn auch im «musikalischen Tagebuch eines verschollenen Orchesters».

Dass das neue Format Raum bietet für Experimente, zeigt gleich der erste Beitrag des Cellisten Vischi, der einem in seiner Wohnung viel näher begegnet, als das im KKL je der Fall ist. Dann aber begibt sich Vischi in eine digitale Kunstwelt, indem er den Bildschirm vierfach aufteilt und zu viert mit sich selbst hochemotional Bachs «Air» spielt. Der Geiger Host Peters greift zur Mandoline und verspricht: «Wir bleiben dran und üben für sie weiter!» Die Schlagzeuger Marco Kurmann, Roman Kündig und Iwan Jenny flüchten aus ihren Wohnungen und legen in einem virtuellen Gemeinschaftsstudio los. Ein toller Auftakt zu einer Reihe, die kontinuierlich fortgesetzt wird.

Lucerne Festival Orchestra mit Abbado und Chailly

Bei Lucerne Festival sind ähnliche Aktivitäten etwa mit Musikern des Lucerne Festival Orchestra geplant, ergänzend zu den bestehenden Angeboten auf dem eigenen Youtube-Kanal, auf Facebook oder Instagram. Vom 1. bis zum 4. April bietet es auf medici.tv, der derzeit grössten Streamingplattform für klassische Musik, Sternstunden mit dem Lucerne Festival Orchestra als Video-on-Demand an. Der Zugang ist nach Erstellung eines Gastaccounts jeweils ab 19 Uhr 24 Stunden lang kostenlos.

Das Streamingangebot ­enthält das letztjährige Rachmaninow-Programm unter Riccardo Chailly (1. April) und die legendäre Aufführung der «Neunten Sinfonie» von Mahler unter Claudio Abbado aus dem Sommer 2010 (4. April). Hinzu kommen ein Konzert der Solisten des Festivalorchesters mit der Mezzosopranistin Elisabeth Kulman («Wesendonck-Lieder», 2. April) und die SRF-Dokumentation «Weltklasse am Wasser –75 Jahre Lucerne Festival» (3. April, 19 Uhr). (Urs Mattenberger)

Hinweis
www.sinfonieorchester.ch
www.lucernefestival.ch