Klaviermusik aus fünf Jahrhunderten

Musik

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Hervorragender Pianist – erfreulich zahlreiches Publikum – intensiver Applaus: Die Ägerihalle erlebte einen interessanten Klavierabend mit Kit Armstrong.

  • Stilsicher und virtuos: Kit Armstrong an seinem Rezital in der Ägerihalle. (Bild Sabina Keresztes)
    Stilsicher und virtuos: Kit Armstrong an seinem Rezital in der Ägerihalle. (Bild Sabina Keresztes)

Unterägeri – Schon der Auftakt gelang diesmal erfreulich gut: Ein viel zahlreicheres Publikum als beim letzten Mal füllte die Plätze und geizte nicht mit dem Beifall. Die etwas lang geratene verbale Einleitung durch Veranstalter, Hauptsponsor und Solist wurde mit verbessertem Mikrofon durchwegs klar verstanden. Auch später brachte der Solist noch einige meist humoristische Zwischenbemerkungen, welche trotz gelegentlich unsicherer Sprache beim Publikum gut ankamen.

Das Hauptinteresse blieb aber doch bei der beeindruckenden pianistischen Leistung. Kit Armstrong hatte dazu ein Programm ausgewählt, welches sich nach den Lebensdaten der 12 Komponisten über ziemlich genau ein halbes Jahrtausend erstreckte. Die vorher in mehreren deutschen Städten erprobte Abfolge war ein Dokument der Auseinandersetzung mit verschiedensten Stilrichtungen. Das durchwegs blattfreie Spiel bekannter und unbekannter Werke zeigte über das virtuose Können hinaus bei diesem in den USA aufgewachsenen Künstler die Fähigkeit, sich in kürzester Zeit neue Werke anzueignen.

Ein Flügel für alle Stile

Kit Armstrong spielte das ganze Programm mit dem am Aufführungsort zur Verfügung stehenden modernen Konzertflügel. Für eine klanglich authentische Wiedergabe aller Werke hätte es allerdings mindestens etwa vier verschiedene Instrumente gebraucht. Bis etwa um 1800 dominierten mechanisch gezupfte Saiten im Sinne des heutigen Cembalos. Ihr Anschlag war sehr klar und Obertonbereich; aber der Klang verschwand in kürzester Zeit. Eine bestehende Harmonie – etwa im Sinne eines Orgelpunkts – liess sich nur über längere Zeit halten, wenn der wichtigste Ton durch Triller und andere Verzierungen laufend wiederholt wurde.

Erst die Erfindung des Hammerflügels im 18. Jahrhundert führte zum weicheren Anschlag eines länger klingenden Tones und im 19. Jahrhundert zu immer voluminöseren Instrumenten, wie sie für die romantische und moderne Klaviermusik unerlässlich sind. Parallel dazu steigerten sich auch die Möglichkeiten dynamischer Abstufung der Klangfülle. Vorher gab es nur die Möglichkeiten der Vermehrung der Stimmenzahl, und bei wenigen Instrumenten eine Art Terrassendynamik mit Hilfe unterschiedlicher Registrierung.

Der Pianist begann mit Werken von Komponisten des 16. Jahrhunderts, deren Lebensdaten kaum mehr bekannt sind, deren Qualitäten aber die nachfolgenden Stilepochen überdauert haben. Schon die Variationenfolge von William Byrd wirkte sehr virtuos. Die für die Harmonie-Erhaltung notwendigen Figurationen waren im gewählten forschen Tempo auf dem modernen Instrument viel anspruchsvoller; aber sie wurden durch das ganze Programm souverän gemeistert.

Einen Höhepunkt bildeten Fantasie und Fuge BWV 903 von Johann Sebastian Bach mit einer gleichzeitig grossräumigen und filigran-genauen Wiedergabe des vor allem harmonisch anspruchsvollen Notentextes – verständlich, dass hier das Publikum die ungeschriebene Regel durchbrach, die einzelnen Werkgruppen nicht durch Applaus zu unterbrechen.

Erst mit Franz Liszt erreichte man den modernen Konzertflügel. Obwohl Kit Armstrong weder über die Statur noch die riesige Finger-Spannweite dieses Komponisten verfügte, wirkte das Spätwerk «Csárdás macabre» mit kraftvollem Anschlag in jeder Hinsicht stilgerecht.

Nach einem etwas schüchternen Ausflug in die Moderne mit György Ligeti (1923–2006) und Toru Takemitsu (1930–1996), die sich mehr an früheren Vorbildern orientierten, folgte als ausführliche Zugabe die weltbekannte Variationenfolge «Ah, vous dirai-je Maman», KV 265, von Wolfgang Amadeus Mozart. (Text von Jürg Röthlisberger)