Ein Brauch, der gelebt wird

Brauchtum & Geschichte

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Scharen von Kindern zogen am Güdismändig zusammen mit Greth Schell und den Lölis vom Casino zum Greth-Schell-Brunnen. Der Zunftobmann ist zufrieden mit ihren lauten Rufen.

  • Mit Saublatern werden die Besucherinnen und Besucher ein wenig eingeschüchtert. (Bild Christian H. Hildebrand)
    Mit Saublatern werden die Besucherinnen und Besucher ein wenig eingeschüchtert. (Bild Christian H. Hildebrand)

Zug – Fast scheint es, als habe die Fasnacht einen ihrer Zwecke – nämlich den Winter zu vertreiben – am späten Nachmittag des Güdelmändigs bereits vollends erfüllt. Es riecht nach Frühling, Hände schirmen die Augen vor der Sonne ab, die hinter dem Casino hervorblinzelt. Hoch oben auf der Terrasse spielt die Zunftmusik der Schreiner-, Drechsler- und Küferzunft und läutet so den Auftritt der Greth Schell und der sieben Lölis ein.

Schliesslich erscheinen auf Terrasse, über den mit Konfetti bedeckten Kinderköpfen, die Zünftler. Sie richten ihre Ohren hin zur Schar und suchen die lautesten Kinderrufe: «Greth Schällebei, Greth Schällebei!» Diese werden mit Mutschli, Würstli und Orangen belohnt. Der Geräuschpegel steigt und steigt.

Greth Schell bugsierte betrunkenen Gatten heim

Der Brauch der Greth Schell wurde vor rund 150 Jahren von der Schreinerzunft «annektiert» und weitergeführt, wie Zunftobmann Roli Küttel erklärt. «Sonst wäre die Tradition gestorben.» Küttel freut sich über das schöne Wetter und die laut rufenden Kinder: «Wenn wir so empfangen werden, ist das natürlich grossartig.»

Margaritha «Greth» Schell, so die Geschichte, habe eines Nachts im Jahre 1721 ihren betrunkenen Ehemann in einem Tragkorb nach Hause bugsiert und wurde dabei von den sieben Lölis – des Gatten Saufkumpanen – begleitet. Die acht Figuren spazierten auch heuer, begleitet von lauten Kinderrufen, vom Casino zum Greth-Schell-Brunnen. Zusammen mit den Zünftlern verteilten sie Gerten, «Süüblatere» und Leckereien. Einige der Kinder blieben dabei unermüdlich, folgten den Lölis auf Schritt und Tritt und wurden schliesslich für ihre Ausdauer belohnt. Ganze Säcke voller Orangen und Mutschlis baumelten von den Armen kleiner Hexen, Pippi Langstrumpfs oder Drachen.

Die Schreie verstummten erst, als der letzte der Zünftler hinter der Pforte des Rathauses der Bürgergemeinde Zug verschwand. Einige der fleissigen Kinderkehlen dürften morgen vor allem durch Heiserkeit auffallen. (Text von Kristina Gysi)