Beziehung: Kompliziert

Brauchtum & Geschichte

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Im Museum für Urgeschichte(n) in Zug gibt es Tiere zu sehen. Solche, die ­genutzt, verehrt und – wortwörtlich – den Löwen vorgeworfen wurden. Eines dieser Tiere geniesst bis heute einen besonders hohen Status.

  • Löwen waren bei den Römern besonders beliebt. Zum Beispiel auf Schlüsselrgriffen wie diesem aus Hagendorn. (Bild: Museum für Urgeschichte(n))
    Löwen waren bei den Römern besonders beliebt. Zum Beispiel auf Schlüsselrgriffen wie diesem aus Hagendorn. (Bild: Museum für Urgeschichte(n))
  • Krokodil auf römischer Münze. (Bild: Museum für Urgeschichte(n))
    Krokodil auf römischer Münze. (Bild: Museum für Urgeschichte(n))
Zug – Dieser Artikel ist in der Januar/Februar-Ausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den weiteren Artikeln.

Hätten Mensch und Tier auf Facebook einen ­Beziehungsstatus, stünde dieser wohl auf «Es ist kompliziert». Wir kaufen unseren Pudeln rosa Mäntel mit Echtpelzkragen, füttern sie mit Rindsfilet und essen selber vegan. Doch auch früher war die Beziehung zwischen Tier und Mensch nicht simpel. So wurden sie wohl ausgenutzt, nicht selten aber gleichzeitig vergöttert. Die Sonderausstellung «Verehrt und gejagt» im Museum für Urgeschichte(n) befasst sich demnächst mit ebendiesem Phänomen.

Ab in die Altsteinzeit
Bei unserem vorgängigen Besuch dort ist noch wenig von der Sonderausstellung zu sehen, denn einige der Objekte werden von anderen Museen nach Zug ausgeliehen und kommen erst später. Ulrich Eberli, der Leiter des ­Museums für Urgeschichte(n), kann uns dennoch schon einiges zeigen. Denn Tiere waren schon immer, insbesondere seit der Bronzezeit, ein beliebtes Motiv. Sei es versteckt auf Gürtelschnallen oder sehr offensichtlich am Schlüsselgriff.
Zunächst packen wir uns warm ein. Denn Ulrich Eberli nimmt uns mit in die Altsteinzeit, welche im Museum von zwei imposanten Mammutzähnen gesäumt ist. Für uns heute sind es faszinie­rende Kreaturen, und so liegt der Gedanke nah, dass sie auch damals verehrt wurden. «Das kann sein. Auf den Höhlenmalereien ist das Mammut jedenfalls sehr häufig abgebildet.» Auf dem Hauptspeiseplan der Menschen habe das Tier hingegen nicht gestanden, sagt Eberli. «Vermutlich galt es als ein sehr gefährliches Tier. Die Jagd darauf wäre riskant gewesen.»

Vorfreude auf die Leihgaben
Viel eher wurden dagegen Rentiere sowie – während der Eiszeit – Wildpferde gejagt. Aber auch wilde Rinder, also Bisons, wurden damals gegessen. «Für die kommende Ausstellung erhalten wir aus Elfenbein und Knochen gefertigte Tierfiguren, welche während der Eiszeit, also vor rund 30 000 Jahren auf der Schwäbischen Alb erstellt wurden.» Auf diese Leihgaben freut sich der Museumsleiter sichtlich. «Es ist verrückt, wie hochentwickelt diese Darstellungen sind. So erkennt man etwa auf einem Abbild, dass sich das gezeigte Rentier in der Brunft ­befindet.» Dies dürfte gemäss Eberli damit zu tun haben, dass die Menschen damals von der Jagd lebten und darauf angewiesen waren, die Tiere und ihre Verhaltensweisen zu kennen.
Als sich das Klima am Ende der Eiszeit er­wärmte, wurde das Jagen plötzlich schwierig. «Die grossen Herdentiere verschwanden, es entstanden Wälder. Dem modernen Mensch gelang es, sich anzupassen. Er begann zu fischen und später auch Landwirtschaft zu betreiben. «Man weiss heute, dass 8000 Jahre v. Chr. die Domestizierung von Tieren begann.»
Kein einfaches Unterfangen. «Um 3550 v. Ch. gab es ein paar klimatisch sehr schwierige Jahre, in denen das Vieh zugrunde ging und die Menschen primär von der Hirschjagd leben mussten. Dies dürfte sehr professionell und im grossen Stil passiert sein. Sodass der Hirsch damals fast ausgerottet wurde», sagt Eberli. Warum er das weiss? «Aufgrund des Knochenspektrums, welches, in der Erde noch gut konserviert, bei ­damaligen Ufersiedlungen gefunden wurde. ­Dabei lässt sich etwa auch das Alter der Tiere ­bestimmen, die getötet wurden.» Mit dieser ­Methode habe sich auch feststellen lassen, dass um 3000 v. Chr. nicht mehr nur junge Schafe geschlachtet wurden. «Ein Hinweis, dass diese für ihre Wolle produziert wurden und nicht nur zum Essen. Anfangs ging es immer ums Fleisch, erst später wurden Tiere für ihre sekundären Produkte wie Milch, Wolle oder Eier gehalten.»
Zum Bedauern von Ulrich Eberli gebe es aus dieser frühen Jungsteinzeit nur wenige bildliche Darstellungen. «Anders als die Menschen in der Altsteinzeit, welche Jäger und Sammler waren und immer wieder die Musse hatten, sich handwerklich zu betätigen, hatten die Bauern schlichtweg keine Zeit dafür.»

Vielschichtige Symbolik
Die raren Abbildungen, die es gebe, würden ­jedoch insbesondere ein Motiv zeigen: «Ochsen, welche an einen Karren oder einen Pflug gespannt sind. Offenbar war dies für die Menschen damals eine wichtige Sache. Auch später, bei den Kelten und Römern, haben Stiere einen starken Symbolcharakter. Sie wurden nicht nur als Arbeitstiere genutzt, sondern auch verehrt und nach strengen Regeln den Göttern geopfert.» Auf Steinreliefs und in Texten dieser Zeit seien diese Rituale überliefert. Stiere und Kühe wurden in diesen Kulturen deshalb auch zum Statussymbol, gerade, wenn man sie opferte. Denn: Wer konnte schon auf ein solch wert­volles Tier verzichten?
Eberli gibt zu bedenken: «Die Verehrung von Kühen und Stieren hält sich im Prinzip bis ­heute. Bei den Bauern zählt nach wie vor, wie viele Kühe man im Stall hat.»

Die Ente und der Tod
Tierabbildungen wurden jedoch bereits vor den Römern, nämlich in der Bronzezeit häufiger. «Hier in der Region wurden Bronzegegenstände mitunter mit Entchen verziert. Auch mit solchen, die Hörner trugen.» Den Grund dafür kennt Eberli nicht. Doch weiss er: «Die Ente muss die Wichtigkeit des Wassers symbolisiert haben. Dies insbesondere, weil die Pfahlbauer ja am Ufer lebten. Doch die Ente diente auch als Symbol für etwas anderes.» Das da wäre? «Sie stand offenbar in einem Zusammenhang mit dem Tod. Immer wieder wird sie bei Grabbei­gaben gefunden.»

Die ersten Kuscheltiere
Während wir uns im Museum in Richtung der Römerzeit begeben, erzählt der Museumsleiter etwas Erstaunliches: «Hunde werden von ­Menschen schon lange als Arbeitstiere gehalten. Im römischen Reich kamen jedoch erstmals Schosshunde auf, die keinen Zweck hatten, ­ausser den Leuten als Kuscheltier zu dienen.» Auch dies ein Zeichen für Wohlstand, den es in früheren Epochen nicht gegeben habe.
Überhaupt hegten die Römer ein spannendes Verhältnis zu Tieren. Nicht nur trachteten sie nach der Weltherrschaft, «auch sahen sie Tiere als klar untergeordnete Spezies. Bei den vorhergehenden Epochen war dies weniger der Fall.» Wilde Tiere wie der Panther oder der Löwe – schon damals ein königliches Symbol – wurden im Kolosseum aufeinander losgelassen und zerfleischten sich zum Amüsement der Zuschauer. «Auf römischen Münzen ist das Krokodil oft ­abgebildet. Das Tier ist ein Symbol für Ägypten, wiederum ein Land, das von den Römern ­besiegt wurde.» Löwen und Panther mussten ihren Kopf im römischen Reich ausserdem sehr häufig für metallene Schlüssel oder Türgriffe hinhalten.
Aus der Zeit der Alemannen findet man in einer der Vitrinen beschlagene Metallteile, die in Baar gefunden worden. «In diesen Verschnörkelungen, respektive Flechtwerken, finden sich häufig Tiermotive. Auch wenn diese für unsere Augen schwer zu erkennen sind», sagt Eberli. Schön sind sie dennoch. Und wie.

Hier gehts zur Ausstellung: zugkultur.ch/W857JX

(Text: Valeria Wieser)