Heimat: Mehr als eine Worthülse

Brauchtum & Geschichte

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Am Freitag eröffnete die Ausstellung «Heimat im Wandel» im Dokumentationszentrum Zug. Sie bietet spannende Impulse für abendfüllende Diskurse.

  • Maria Greco erzählt die Sage «d Hügel vo Neuheim». (Bild Patrick Hürlimann)
    Maria Greco erzählt die Sage «d Hügel vo Neuheim». (Bild Patrick Hürlimann)

Zug – Die Neuheimer wollten mehr Land, also beteten sie zu Gott: damit die zahlreichen Nachkommen genug Grund und Boden hätten. Gott aber erhörte die Neuheimer nicht und daher dachte man sich, es wäre gut, vielleicht mal den Teufel zu fragen, ob dieser mehr Land zur Verfügung stellen würde. Dieser willigte ein und grub zusammen mit anderen Teufeln das Erdreich so um, dass überall Hügel entstanden. Voilà: Mehr Land. Bald mussten die Neuheimer aber feststellen, dass «mehr» nicht gleich «besser» ist und die Hügel eher Fluch denn Segen waren. Die Sage «D Hügel vo Neuheim» – am Abend der Ausstellungseröffnung von der Geschichtenerzählerin Maria Greco vorgetragen – war ein gelungener und fulminanter Einstieg zum Thema «Heimat im Wandel». Einer der Schwerpunkte des «Doku Zug», einem öffentlich zugänglichen Dokumentationszentrum mit einer sorgfältig kuratierten Auswahl an Themenpaketen und den entsprechenden Dossiers dazu.

Gesammeltes Wissen sorgfältig aufbereitet an einem zentralen Ort zugänglich für alle also. Und dazu gehört auch «das Wissen» rund um die eigene Heimat. Nur: Was ist eigentlich «Heimat»? Heimat als Konzept des Ortes, an welchem man sich niedergelassen hat? Der Ort, an welchem man die eigene nationale und kulturelle Identität leben kann? Oder aber vielleicht auch nichts anderes als eine Worthülse, die nach eigenem Gusto – oder eben mit «Wissen» – gefüllt werden kann und soll?

Pest, Krieg und Wallfahrer

Am Abend der Vernissage wurden, als Definitionshilfe und passender Impuls rund um «Heimat» die beiden Bücher «Sagenhaftes Menzingen» von Edi Häfliger und «Sagenhaftes Neuheim» von Werner Grond exemplarisch für den Heimatbegriff auf amüsante Weise vorgestellt und dabei so ganz en passant auch klar gemacht, dass man sich schon vor vielen Dekaden mit «Heimat» auseinandersetzen musste: weil beispielsweise Land für Soldaten gebraucht wurde, weil die Pest die Hälfte der Dorfbevölkerung dahinraffte oder weil plötzlich fremde Wallfahrer oder Kurgäste vor den Gasthaustüren standen.

Heimat als stetiger Brennpunkt in konstantem Wandel, ein persönlicher und individueller Balanceakt zwischen Inklusion und Exklusion voller Widersprüche.

Kompetenz, Herzblut und Elan

Das Doku-Zug will dabei helfen dies, mit der Sonderausstellung und einer passenden Veranstaltungsreihe «Heimat im Wandel» darzustellen und macht dies äusserst liebevoll, kompetent und wohl überlegt. Das zeigte ein Augenschein an der Vernissage sehr schön; denn alle Beteiligten investierten für die Veranstaltungsreihe Kompetenz, Herzblut und Elan. Eine kleine, feine Ausstellung, die das Zeug dazu hat, grosse Impulse zu setzen. Liebevolle Details, die vielleicht auf den ersten Blick kaum wahrgenommen werden, aber auch typische helvetische Gepflogenheiten wie Aromat zu den hart gekochten Eiern auf dem Tisch.

Zudem setzt man für diese Ausstellung auch auf audiobasierte Einspieler, keine Selbstverständlichkeit bei einem stark textbasierten Archiv. Kleinigkeiten mit Strahlkraft, denn das Thema «Heimat» – betrachtet man die wenig erfreuliche grosspolitische Wetterlage – könnte kaum aktueller sein. Flüchtlingsströme als Karawanen ohne Zukunftsvisionen auf der Suche nach dem, was vielleicht bald einmal «Heimat» werden könnte, Vertriebene ohne Wurzeln und ganz plötzlich ist man von «Heimat» beim Thema «Migrationspolitik». Genau das will das Dokumentationszentrum Doku-Zug mit den «Themenpaketen» erreichen. Und das ist gelungen. (Haymo Empl)

Hinweis
«Heimat im Wandel» – Veranstaltungsreihe und Ausstellung im Dokumentationszentrum Zug an der St. Oswaldsgasse 16 noch bis 27. September. Informationen unter www.doku-zug.ch.