Auch falsche Töne zu spielen, ist alles andere als einfach

Musik

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Modernes bot die Bläserphilharmonie an ihrem Konzert. Solist Reinhold Friedrich überraschte aber mit zwei besonderen Programmzusätzen.

  • Solotrompeter Reinhold Friedrich spannte mit der Bläserphilharmonie Zug zusammen. (Bild Roger Grütter)
    Solotrompeter Reinhold Friedrich spannte mit der Bläserphilharmonie Zug zusammen. (Bild Roger Grütter)

Zug – Eindrucksvoll demonstrierte die Bläserphilharmonie Zug am Donnerstagabend, wie kontrastreich und gleichsam erfrischend sich ein abendfüllendes Konzertprogramm gestalten lässt. Und das mit einer Wahl an Musikschöpfungen aus ein und demselben Jahrhundert. Entsprechend erwartungsvoll harrte eine saalfüllende Zuschauerschar der von Christoph Müller geleiteten Formation im Theater Casino.

Karikierend und avantgardistisch

Von ganz besonderem Charakter war die erste Konzerthälfte geprägt. Humoristisch-schräg und folglich für einige Heiterkeit sorgend erwiesen sich die «Rheinischen Kirmestänze» des deutschen Komponisten Bernd Alois Zimmermann (19181970). Wie eine bissige Karikatur auf die Volksweisen der Heimat Zimmermanns mochte man die Töne einordnen. Unverkennbar dahinter die klassischen Ländler und Polkarhythmen, jedoch einhergehend mit einer Fülle an gewollten Misstönen und Dissonanzen. Und kaum verkennbar dabei war der hohe Anspruch, den das dreiteilige Zimmermann-Stück an die Musiker stellte: Derart «falsch» zu spielen, will wahrlich gekonnt sein.

Weniger «falsch» als überaus avantgardistisch klang hingegen das Concertino für Trompete solo und sieben Begleitinstrumente von Karl Amadeus Hartmann (19051963) – eine Erfahrung der ganz anderen Art. Erst recht, weil das Stück viele Jahrzehnte in den Regalen verstaubt und faktisch in Vergessenheit geraten war, ehe es 2003 neu verlegt und uraufgeführt wurde, wie der Stargast des Abends dem Publikum erklärte. Der international bekannte und gefragte Trompeter Reinhold Friedrich spannte für dieses Konzert mit der Bläserphilharmonie zusammen, zeigte sich von der Schönheit des alten Casinosaales hingerissen und eroberte mit seiner offenen und sympathischen Art im Nu die Gunst der Zuschauer. Dass er dabei kurzerhand Zug mit Chur verwechselte, konnte ihm niemand übel nehmen.

«Mit viel Mut hat sich Karl Amadeus Hartmann nach vorne bewegt, als er 1933 dieses Concertino geschrieben hat. Und trotzdem ist es an sich Kammermusik», erklärte Friedrich weiter. «Darum hoffe ich, dass Ihnen dennoch die eine oder andere Stelle gefällt», fügte er lachend an. Was folgte, war abstrahierende Klangmalerei, gekonnt interpretiert sowohl vom Solisten als auch von der Fraktion der Bläserphilharmonie. Eine eindrucksvolle Erfahrung, wo das Stück doch geschlagene 80 Jahre alt ist und umso deutlicher macht, wie zukunftsweisend der Komponist für seine Zeit vorgegangen ist.

Auf die Deutschen folgten die Amerikaner: Die zweite Konzerthälfte mit Werken von Aaron Copland (19001990), Leonard Bernstein (1918–1990) und George Gershwin (1898–1937) wurde im grossen Theatersaal ausgetragen. Für Coplands «Fanfare für den einfachen Mann» positionierten sich drei Trompeter in der obersten Zuschauerreihe, um dem vortrefflich interpretierten Stück den nötigen Raum zu geben Aufgrund des klaren und harmonischen Arrangements fiel hier die eine oder andere – vernachlässigbare – Unsauberkeit auf.

Für besondere Begeisterung unter den Zuschauern sorgte die neckische Ouvertüre zu Bernsteins «Candide», die als Operette in den Fünfzigerjahren floppte, als Umarbeitung zum Musical in den Siebzigern jedoch zum Broadway-Erfolg wurde. Als ähnlich schmissig erwies sich der dritte Teil der «Dance Episodes», ebenfalls von Bernstein. Im Takt wippende Köpfe und Füsse zeigtens: Die Botschaft ist angekommen.

Eine der erfolgreichsten US-Kompositionen aller Zeiten markierte den krönenden Abschluss. Für Gershwins «Rhapsody in Blue» trat Reinhold Friedrich das zweite Mal als Solist auf die Bühne, um mit den Zugern ein sauberes Spiel zu liefern. Das Arrangement der «Rhapsody» an diesem Abend war ursprünglich bei Steven Verhaert für das Lucerne Festival in Auftrag gegeben worden.

Zwei besondere «Bonus Tracks»

Das gesamte Konzert kam an, das Publikum revanchierte sich für die Leistung des Orchesters und des Solisten mit einem gebührenden Applaus.

Kurzfristig hatte sich Reinhold Friedrich dafür entschieden, dem Programm aus gegebenem Anlass einen besonderen Rahmen zu verleihen. Der Solist unterhielt zum kürzlich verstorbenen Stardirigenten Claudio Abbado sowohl eine musikalische als auch eine freundschaftliche Verbindung. Dem Verblichenen zu Ehren intonierte Friedrich zu Beginn und zum Schluss des Konzerts je ein Stück von Gustav Mahler, dessen Werke Abbado besonders oft dirigiert hat.

Begleitet am Flügel von seiner Kammermusik-Partnerin Eriko Takezawa, spielte Friedrich als Auftakt das Posthornsolo aus Mahlers 3. Sinfonie. Und am Schluss des Abends gab es eine echte Trouvaille: Das «Behüt dich Gott» aus dem «Trompeter von Säckingen», welches Mahler einst als Thema für eine sinfonische Dichtung adaptierte, es dann aber wieder verwarf. Erst viel später ist es wieder entdeckt worden. Mit diesem «Mahler-Rahmen» erhielt der kontrasterfüllte Konzertabend zusätzlich eine besinnliche Note. (Andreas Faessler)