Zug – Es ist heiss an diesem makellosen Sommerabend auf dem Zugersee. Die MS Rigi ist mit rund 120 Zuhörern und Zuhörerinnen seit April ausgebucht – das erste Literaturschiff sticht in See. Das Publikum greift dankbar zum kühlen Apéro-Drink, spendiert von Cham Tourismus. Irene Weibel, Leiterin der Bibliothek Baar, begrüsst charmant die Anwesenden. Die Organisation dieses Events lag bei den Bibliotheken Baar, Cham, Menzingen, Walchwil und Zug sowie beim Gymnasium Immensee.

Die Moderatorin Luzia Stettler, langjährige Literaturredaktorin und Moderatorin bei Radio SRF, führt eloquent die Gesprächsrunde mit den beiden Autoren, dem Krimiautor Marcel Huwyler und der Romanschriftstellerin Dana Grigorcea. Bei Grigorcea steht die Frage im Mittelpunkt, was wahre Kunst ausmacht. Bei Huwyler dreht sich alles um zwei charmante Ladies, die als Auftragskillerin und Wirtschaftsspionin beachtliche kriminelle Energien entfalten.

Neuster Roman spielt in New York

Dana Grigorcea, geboren und aufgewachsen in Rumänien, lebt mit ihrer Familie seit Jahren in Zürich. Seit 2003 schreibt sie ihre bildgewaltigen Romane auf Deutsch. Als geborene Geschichtenerzählerin weiss sie die Melodie der Sprache zu nutzen, bunt zu formulieren und zu fabulieren.

Die Sinnlichkeit des Schreibens zu erleben und eine lebendige Welt zu erschaffen – dies versuche sie täglich von neuem. Ihr neuer, elegant und beschwingt geschriebener vierter Roman «Das Gewicht des Vogels beim Fliegen» handelt von einem Bildhauer im New York der 1920er-Jahre und einer Schriftstellerin auf seinen Spuren. Als der rumänische Bildhauer Constantin Brâncuși 1926 eine abstrakte Vogelskulptur zu einer Ausstellung nach New York bringen will, verweigert ihm der Hafenzoll die freie Einfuhr als Kunstwerk. In der Folge kommt es zu einem Prozess darüber, was als Kunstwerk zu gelten hat. Der Prozess endet damit, dass der Vogel als solches anerkannt wird.

Diese Geschichte ist die Vorlage für den Roman, worin Brâncuși den Namen Avis trägt. Darin eingewoben ist eine wilde Love Story mit einem New Yorker City-Girl. Erzählen aber lässt Dana Grigorcea diese Story 90 Jahre später von der jungen Schriftstellerin Dora, die mit ihrem 8-jährigen Sohn Loris und dem Kindermädchen per Zug an die ligurische Küste reist.

Marcel Huwyler, geboren in Merenschwand, lebt heute am Lauerzersee. 2019 erschien sein erster Krimi «Frau Morgenstern und das Böse». Fünf Bände aus der Morgenstern-Serie sind bereits erschienen. Der sechste wird demnächst aufgelegt. Eine Lesung mit Huwyler und seinen Figuren ist ein sinnlich-humorvolles Erlebnis der Extraklasse. Ein Lese-Happening mit überraschenden Pointen, komödiantisch bis theatralisch vorgetragen. Mit «Frau Morgenstern» hat der Bestsellerautor längst eine Kultfigur erschaffen. Viola Morgenstern ist eine Auftragskillerin. Sie agiert nach dem Motto alles oder nichts, schwarz oder weiss. Und sie liebt Sekundenkleber. Seine zweite Figur, die charmante und modebewusste Schlawinerin Eliza Roth-Schild, ist hingegen mit der feinen Klinge unterwegs. So unterschiedlich beide «Crime-Damen» auch sind. Beide sind einzigartig herrlich in ihrem Tun und Wesen.

Eliza Roth-Schild, 25 Jahre lang verwöhnte Unternehmergattin, muss sich den Widrigkeiten des Lebens stellen. Das luxuriöse Dasein ist jäh zu Ende, als ihr Mann pleitegeht und sich beim versuchten Versicherungsbetrug in die Luft sprengt. Die Lebedame steht vor dem Nichts: Die Bankkonten sind leer, die Villa weg. Von der geldadligen Society fallen gelassen, besinnt sich Eliza auf das, was sie am besten kann. Leute aushorchen. Oder wie Eliza meint: Business Research. Das Publikum ist sichtlich amüsiert über die äusserst lebendig vorgetragenen humorvollen Lesungen aus der Krimireihe mit Eliza Roth-Schild. Die lustvolle Szene einer Anmache anlässlich einer luxuriösen Schiffsparty ist äusserst erheiternd und bildgewaltig vorgetragen. Um sich der misslichen Lage in der Sprudelbad-Affäre zu entziehen, setzt Eliza ihr ganzes Talent ein. Auch die Frage, wie Viola Morgenstern sozialverträglich einen Kebab essen kann, sorgt für Erheiterung. Das Literaturschiff auf dem Zugersee feierte eine gelungene Premiere.

Hinweis

Die zweite Ausgabe des Zuger Literaturschiffs findet am 5. September 2025 mit Dörte Hansen und Pedro Lenz statt.

(Text von Margot Huwyler)