Er dominiert den Kirchplatz

Dies & Das

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Der rötliche Granitbrunnen auf dem Platz vor der Chamer Pfarrkirche wurde 1969 im Rahmen einer Platzneugestaltung installiert. Diese kam die Gemeinde viel teurer zu stehen als geplant.

  • Der 22 Tonnen schwere Brunnen von Franco Annoni auf dem Chamer Kirchplatz. (Bild Patrick Hürlimann)
    Der 22 Tonnen schwere Brunnen von Franco Annoni auf dem Chamer Kirchplatz. (Bild Patrick Hürlimann)

Cham – Die einstige Bedeutung des Chamer Kirchplatzes sieht man ihm kaum mehr an. Er war – viel mehr als heute – Zentrum des gesellschaftlichen und vor allem kirchlichen Lebens. Heute dienen Teile der asphaltierten Fläche als Parkplatz, traditionell wird hier zum Advent der Weihnachtsmarkt aufgebaut. Was seit seiner Platzanlegung anno 1796 unverändert geblieben ist, ist der freie Blick auf die zur selben Zeit erbaute neue Pfarrkirche St.Jakob am Ende der leicht ansteigenden Fläche.

Im unteren Drittel steht eine bemerkenswerte Brunnenanlage. Es ist ein riesiges kreisrundes Becken von 4,90 Metern Durchmesser. Es besteht aus rotem Walliser Granit aus der Region Martigny und wiegt beeindruckende 22 Tonnen. Die Fontänenspeier und die Ab- und Überläufe sind aus Bronze gefertigt. Der Brunnen war Hauptelement einer Neugestaltung des Kirchplatzes im Jahre 1969. Angeregt worden ist diese Aktion von den Chamer Ehrenbürgern Monica und Fritz von Schulthess-Page, damals Besitzer des Schlosses St.Andreas. Sie boten der Einwohnergemeinde an, ein Objekt im Wert von 10 000 Franken für die Platzneugestaltung beizusteuern. Der Einwohnerrat hatte die Idee, den Neorenaissance-Brunnen von 1899 am unteren Platzende zu ersetzen. Das Stifterpaar gab dem Luzerner Bildhauer Franco Annoni (1924–1992) den Projektauftrag. Zwischen den beiden Gönnern und der Gemeinde war ausgemacht worden, dass das Ehepaar die Kosten für den Brunnen trägt und die Gemeinde für die übrigen Gestaltungsarbeiten aufkommt.

Kosten hatten sich vervielfacht

Wie einem Bericht der «Zuger Zeitung» aus den 1990er-Jahren zu entnehmen ist, rechnete der Einwohnerrat mit Gesamtkosten von 20000 Franken. Das sollte sich schnell als utopisch erweisen. Die erste Projektvorlage hätte für die Gemeinde einen Kostenanteil von 106000 Franken bedeutet. Werkmeister Josef Stähli sass daraufhin mit Franco Annoni zusammen und erarbeitete mit ihm vier weitere Gestaltungsvorschläge. Es erwies sich als wahre Gratwanderung: Einerseits musste das Projekt kostengünstig sein, andererseits wusste man um die ambivalente Einstellung der Öffentlichkeit gegenüber der Platzneugestaltung.

Man teilte den Platz ein in eine offene Fläche und eine Brunnenzone. Links und rechts wurden zwölf Bäume gepflanzt als raumbildendes Element. In das gepflästerte Mittelfeld der Brunnenzone am unteren Rand des Platzes wurde Franco Annonis Granitbecken platziert – entgegen der ursprünglichen Idee, es in den Boden einzulassen. Das Bassin bildet das Zentrum eines die gesamte Platzbreite einnehmenden Rasterfeldes, bestehend aus neun Quadraten. Damit sollte eine optische Abtrennung der Brunnenzone vom restlichen asphaltierten Kirchplatz erreicht werden.

Der Gesamtkosten dieses günstigeren Projektes übertrafen das ursprüngliche Budget dennoch um ein Vielfaches: Es belief sich auf 73700 Franken – das Brunnenbecken nicht mit eingerechnet. Das Gönnerpaar von Schulthess übernahm kulanterweise die Installationskosten für den Brunnen in Höhe von 18150 Franken. Somit belief sich der Anteil der Gemeinde für die Platzneugestaltung auf 55550 Franken. Dennoch wurde das Projekt von den Chamerinnen und Chamern an der Gemeindeversammlung Ende Januar 1969 mit deutlicher Stimmenmehrheit angenommen. Am Brunnen zeugt heute eine Inschrift von Urheber und Stifter. Man liest da: «Franco Annoni fecit Monica et Fritz von Schulthess donaverunt MCMLXIX» (Franco Annoni hat den Brunnen geschaffen, Monica und Fritz von Schulthess haben ihn zum Geschenk gemacht).

Der alte Brunnen geht ins Exil

Rückblickend mag es aus städtebaulicher Sicht Sinn gemacht haben, den Chamer Kirchplatz seit seiner Anlegung einer Neugestaltung zu unterziehen und den Bedürfnissen der Zeit anzupassen. Betrachtet man jedoch historische Aufnahmen des Zustandes vor 1969, so mag man sich fragen, ob es ästhetisch gewinnbringend war, die schöne Brunnenanlage von 1899 zu ersetzen. Es handelte sich um einen historistischen zweischaligen Granitbrunnen mit hoher Säule. Er war auf einem dreistufigen quadratischen Sockel platziert und von stimmigen Pflanzflächen mit Magnolien umrahmt. Zusammen mit der majestätischen Fassadenfront der spätbarocken Pfarrkirche als Kulisse bildete die Brunnenanlage fürs Auge stilistisch ein Ensemble. Nach seiner Entfernung wurde der alte Brunnen in zwei Teilen auf dem Schulhausplatz Röhrliberg aufgestellt. (Andreas Faessler)

Hinweis
In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.