Am Anfang waren die Frauen
Muziek
Stolze 125 Jahre zählt der Kirchenchor St. Michael. Obwohl der Verein mit gewissen Schwierigkeiten kämpft, freut er sich jetzt erstmal auf ein grosses Ereignis.
Zug – Es ist ein wichtiges Jahr für den Kirchenchor St. Michael. Eineinviertel Jahrhundert ist vergangen seit seiner Geburtsstunde. 2014 wird Jubiläum gefeiert mit einem grossen Konzert als Höhepunkt. Es ist zudem seit 2002 damals feierte die neue Michaelskirche den 100. Geburtstag – der erste Grossanlass des Chors, der Ende des 19. Jahrhunderts aus dem Zuger Zäzilienverein hervorgegangen ist. Diesem gehörten damals wohlbemerkt nur Damen an. Heute ist der stattliche Chor mit seinen gut 50 Mitgliedern freilich reich durchmischt.
Mendelssohns «Lobgesang»
Höhepunkt des Jubiläumsjahrs ist die grosse Aufführung in der Kirche St. Michael am 28. September. Zusammen mit dem Orchester St. Michael und den beiden Gastchören St. Thomas Inwil und Lusingando Cham. In voller musikalischer Entfaltung mit insgesamt über 200 Mitwirkenden wird Mendelssohns Sinfonie Nr. 2 «Lobgesang» im ausladenden Kirchenraum zu erleben sein, und zwar die zweite, populärere Fassung von 1840 für Solisten, Chor und Orchester. «Diese Sinfonie eignet sich sehr gut für ein kirchliches Konzert, ohne dass es eine musikalische Messe ist», begründet Chorleiter Marco Brandazza die Wahl. «Und obschon es ein ziemlich anspruchsvolles Werk ist, kann es auch von einem Laienchor interpretiert werden.» Das Chorjubiläum sei der geeignete Anlass, diese Sinfonie zu erarbeiten, führt Brandazza weiter aus. Christoph Balmer, Präsident des Stadtorchesters und des Organisationskomitees, ist erfreut über das Gemeinschaftsprojekt: «Aus kulturpolitischer Sicht ist es sehr förderlich, dass die beiden Gastchöre mitwirken. Die beiden Dirigentinnen sind gleichzeitig Solistinnen am Konzert.»
Beim Kirchenchor St. Michael macht man keinen Hehl daraus, dass der Verein wie viele andere ähnliche Formationen mit denselben bekannten Schwierigkeiten zu kämpfen hat. «Zwar erleben wir keinen aktiven Schwund, aber bei uns herrscht Überalterung», sagt die Kommunikationsverantwortliche Brigit Leuppi. «Die Mitglieder der alten Garde bleiben uns treu, jedoch fehlt der Nachwuchs.» Die Jüngeren bleiben leider oft nicht so lange, bedauert sie.
Nicht nur ein musikalischer Auftrag
Der Chor strebt in erster Linie seine Erhaltung an und pflegt nicht zuletzt aus diesem Grund ein sehr aktives Vereinsleben. Neben einer grösseren Vereinsreise alle zwei Jahre hält der Kirchenchor St. Michael engen Kontakt zum Kloster Einsiedeln. So gestaltet er gelegentlich die traditionelle Zuger Wallfahrt zur Schwarzen Madonna mit. «Das basiert nicht etwa auf einem Auftrag, sondern auf einer intensiv gehegten Zusammenarbeit mit der Abtei», erklärt Brigit Leuppi. «Wir pflegen die Geselligkeit intensiv, unterhalten Kontakte und gehen gemeinsame Projekte an.» Der Chor habe schliesslich nicht etwa nur einen musikalischen, sondern insbesondere auch einen gesellschaftlichen, sozialen und integrativen, aber auch einen religiösen Auftrag.
Dennoch müsse man nicht unbedingt katholisch sein, um im Chor mitzuwirken, denn die Freude an der Musik komme an erster Stelle. «Oft wird Kirchenmusik als Verschönerung des Gottesdienstes gesehen, was aber falsch ist», erklärt Chorleiter Brandazza. «Die Musik ist mehr, nämlich fester Bestandteil der Messe, und das Mitwirken im Chor bietet den Mitgliedern die Möglichkeit, Zusammenhänge in der Liturgie zu begreifen.»
Projektbezogen mitwirken
Der Vereinsvorstand ist sich wohlbewusst, dass es eine schwierige Aufgabe ist, jungen Nachwuchs langfristig ins Boot zu holen. Deshalb will man künftig vermehrt auf projektbezogenes Mitwirken setzen, wobei junge Musikbegeisterte gemeinsam mit dem Chor auf spezielle Anlässe oder Gottesdienste hinarbeiten können. Auch für das grosse Jubiläumskonzert im September wird noch motivierte Verstärkung gesucht (siehe Kasten). Marco Brandazza weiss das Mitwirken schmackhaft zu machen: «Der Chor St. Michael liegt in der besten Kategorie, die Kirchenchöre erreichen können. Aus gutem Grund ziehen wir regelmässig Profi-Stimmbildner heran.»
Bis zur grossen Aufführung ist noch eine Menge Zeit. Dennoch übt der Chor bereits intensiv und regelmässig. Immerhin handelt es sich bei der Mendelssohn-Sinfonie um ein gut einstündiges Werk, bei dem insgesamt vier ansonsten voneinander unabhängige Formationen mitwirken. Das bedeutet eine Menge Arbeit. Arbeit, die Freude macht und erfüllend ist. Das merkt man den jetzigen Mitgliedern förmlich an. (Andreas Faessler)