«Unsere Förderung ist anspruchsvoll»

Musik

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Astona International, der Sommerferienkurs für hochbegabte Streicherinnen und Streicher im Alter von 11 bis 21 Jahren, ist 1988 von der Cellistin Nancy Chumachenco gegründet worden. Heuer findet er zum 36. Mal statt. Ein Augenschein vor Ort in Baar.

  • Üben und vorführen gehört zur Tagesordnung der Schülerinnen und Schüler von Astona. Bild: Stefan Kaiser (Baar, 23. 7. 2024)
    Üben und vorführen gehört zur Tagesordnung der Schülerinnen und Schüler von Astona. Bild: Stefan Kaiser (Baar, 23. 7. 2024)
  • Astona-Gründerin Nancy Chumachenco. Hier am Konzertabend im Haus Musica Unterägeri. Bild Stefan Kaiser (Baar, 25.7.2024)
    Astona-Gründerin Nancy Chumachenco. Hier am Konzertabend im Haus Musica Unterägeri. Bild Stefan Kaiser (Baar, 25.7.2024)

Baar – Für zwei Wochen ist das Heilpädagogische Zentrum Sonnenberg in Baar von Musikklängen erfüllt: Während der Ferienzeit hat sich «Astona International» hier zum zweiten Mal einquartiert. 34 nach strengen Kriterien ausgewählte jugendliche Saitentalente aus 21 Ländern – von Taiwan bis USA, von Island bis Spanien – werden hier speziell gefördert: Astona bringt sie in Kontakt mit acht ebenfalls international rekrutierten Lehrkräften, welche sie im Solospiel, in Kammer- und Orchestermusik unterrichten. Mit internen Darbietungen und öffentlichen Auftritten stellen die Jugendlichen ihr Können unter Beweis.

Die 20-jährige Mariia Kostogryz steht mit ihrer Violine in der lichtdurchfluteten Aula und übt konzentriert ihr Solostück. Sie stammt aus der Ukraine, studiert aber Musik in Hannover. Am Flügel sitzt François Killian und begleitet sie. Der erfahrene «Piano accompanist»-Dozent steht rund um die Uhr zur Verfügung. Mariia stoppt, bespricht sich mit ihm, hebt erneut den Bogen, wiederholt.

Die Gründerin als «Seele» von Astona

Die 81-jährige Astona-Gründerin Nancy Chumachenco steht etwas entfernt davon und beobachtet die Einzellektion. «Es ist oft erstaunlich, was mit den jungen Menschen innert Kürze geschieht», bemerkt sie, «gerade heute Morgen habe ich miterlebt, wie innerhalb einer einzigen Lektion aus einem Schüler ein Cellist wurde».

Hier scheint die Musikerpersönlichkeit im Zentrum zu stehen, der spielende Mensch und seine Entwicklung. Nicht die Konkurrenz. «Unsere Förderung ist anspruchsvoll, die Jugendlichen durchlaufen ein strenges Programm, aber im Zentrum steht die verbindende Freude an der Musik». Die Atmosphäre im Sonnenberg – das ruhige Ein und Aus, die Klänge aus allen Ritzen, die konzentrierten jungen Gesichter und das freundlich-enthusiastische Engagement der Lehrpersonen – durchzieht den ganzen Tag wie ein warmer Basso Continuo.

Mittendrin Chumachenco – gleichsam die «Seele» des Ganzen. Zusammen mit ihrem Assistenten, dem Violinisten Kristoffer Dolatko, hat sie ab März das Auswahlverfahren – mittels eingereichtem Frageformular und Solospiel auf Video – geleitet, die jungen Instrumentalisten nach Herkunft und Stärken in Kammermusikgruppen eingeteilt und jedem seinen genauen Platz im Orchester vorgegeben.

Nach den frühmorgendlichen Einzellektionen folgen zwei Stunden Ensemblespiel in neun Gruppen. In separaten Räumen üben sie das Kammerspiel – mit Streichquartetten von Beethoven, Haydn, Mozart, Ravel, einem Terzett von Dvořák, einem Vivaldi-Concerto und einem Capriccio von Hermann. So leitet etwa Alf Richard Kraggerud aus Norwegen eine Gruppe sehr junger Talente zwischen 11 und 14 Jahren. Als Schüler des Berliner Musikgymnasiums Carl Philipp Emmanuel Bach kennen sie sich bereits und sind hervorragend aufeinander eingestellt. Kraggerud lenkt sie fast nur noch mit Gesten und Mimik. «Es gibt nichts Besseres als Beethoven, um das Quartettspielen zu trainieren», strahlt er.

Verbildlichtes Tongeflatter

Der französische Cellist Francis Gouton hingegen unterrichtet die Ältesten mit einer hochkomplexen Ravel-Passage. Er braucht ein Bild, um das wilde Tongeflatter zu charakterisieren: «Wie ein Schwarm Vögel, der dauernd die Richtung wechselt.» Die Astona-Studierenden setzen dies sofort um.

Nach dem Mittagessen steht das tägliche Hauskonzert auf dem Programm – mit acht kurzen Solostücken, vor aller Augen, im Konzerttenue. Nach Laienbegriffen spielen alle auf virtuosem Niveau – ob Tschaikowsky, Saint-Saëns oder Sarasate. Und dennoch wird augenfällig, wie sehr musikalisch auch Persönlichkeitsentwicklung ist: von der noch schüchternen, mit gesenkten Augen vorgetragenen Leistung der Jüngeren bis zur selbstbewussten oder gar in sich ruhenden Performanz der fast Zwanzigjährigen.

Gegen Abend findet dann unter Joonas Pitkänens Dirigat die erste Gesamtprobe des Orchesters statt. Und nach dem Nachtessen gibt es «An hour with Raphaël». Raphaël Vergères ist so etwas wie der «Hausvater» von Astona, zuständig für das Wohl aller – eine stille, fürsorgliche und wichtige Präsenz von morgens früh bis abends spät. (Text von Dorotea Bitterli)