Zug feiert die Bundesverfassung

Brauchtum & Geschichte

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1848 verwarf der Kanton Zug die neue Bundesverfassung hochkant. Was dann aber innert Kürze zur erfolgreichen Demokratie mit Fortschritt und Wohlstand führte, wurde am Samstag mit Überzeugung gefeiert.

  • Das Zuger Regierungsgebäude öffnet seine Türen anlässlich des Jubiläums der Bundesverfassung. (Bild Mathias Blattmann)
    Das Zuger Regierungsgebäude öffnet seine Türen anlässlich des Jubiläums der Bundesverfassung. (Bild Mathias Blattmann)

Zug – Damals und heute – diese Spannung durchzog den Tag, an dem die Zuger Politik die Bevölkerung zur 175-Jahr-Feier der Schweizerischen Bundesverfassung einlud. Zwischen 10 und 16 Uhr durfte jeder und jede am Samstag das Regierungsgebäude besichtigen, im Kantonsratssaal zwei Historiker-Referaten zuhören und im Regierungsratssaal eine Ausstellung studieren, welche die konservative Rolle des Kantons Zug in den historischen Tagen rund um die Entstehung der Schweizer Bundesverfassung thematisierte.

Im ersten Obergeschoss nahmen viele interessierte Zuger und Zugerinnen Platz an den Pulten, an denen sonst ein Mal im Monat das Zuger Parlament tagt. Im Halbstundentakt wechselten sich Joseph Jung und Christian Raschle mit ihren Referaten ab.

Jung, emeritierter Professor und Autor grundlegender Werke zur Schweizer Kultur- und Wirtschaftsgeschichte, erinnerte mit wissenschaftlicher Differenzierung und bildhafter Verve an die wirren Zeiten vor 1848 und die komplexen Vorgänge, welche zur ersten Verfassung führten, die sich das Volk selber gab: «Die Bundesverfassung von 1848 – ein genialer Entwurf, doch nicht für alle!»

Die Schweiz als Unruheherd

Da war sie, die erwähnte Spannung. In den 1840er-Jahren bildete die Schweiz bestenfalls ein Verteidigungsbündnis; exotische Republik, umgeben von Monarchien, mit miserablem Image, ohne gemeinsame Gesetzgebung, Regierung, Währung, Auslandpolitik oder Diplomatie, voller wirtschafthinderlicher Zölle. Ein Unruheherd im Herzen Europas, in dem Flüchtlinge Zuflucht fanden und internationale Revolutionäre agierten, politische Morde und gewaltsame Konfrontationen sich häuften. Instabil, wirtschaftlich schwach, eigentlich «dem Untergang geweiht».

Fortschrittlich-liberale Stände, die einen modernen Bundesstaat anstrebten, und konservative Kantone wie Zug, welche in den alten Strukturen verharren wollten, lagen sich in den Haaren. Im Sonderbundskrieg gerieten sie 1847 aneinander, und es ist der geschickten «humanitären Kriegsführung» von General Guillaume-Henri Dufour zu verdanken, dass dieser nach drei Wochen ohne grosses Blutvergiessen zu Ende ging. Der Sieg der Liberalen führte zur neuen, den Konservativen aufoktroyierten Bundesverfassung, die in nur 51 Tagen zustande kam. Allerdings in einem undemokratischen Prozess voller Repressalien und Manipulationen, der die Sonderbundsführer ins Exil trieb und eine einseitige Kriegssteuer verhängte.

Vom Entwicklungsland zur Erfolgsgeschichte

Damit wurde die Schweiz aus einem Entwicklungsland zu einer Erfolgsgeschichte. Der Weg dorthin war jedoch keine Sternstunde der Demokratie. Auch Frauen hatten nichts zu sagen, bis 1971 blieben sie ohne Stimm- und Wahlrecht. Das patriotische Gefühl war regional-sprachlich verankert, erst ab 1900 entstanden die immer noch wirksamen nationalen Mythen von Tell, Winkelried, Erstaugustfeier.

Heute seien die emotionalen Wunden von damals verheilt, so Jung, denn 1848 stellte sich als Wurf heraus, der nach und nach die Integration aller, die Entwicklung zu einer Vorzeige-Demokratie und einem Laboratorium des Fortschritts ermöglichte. So plädierte Jung für ein Fest, ja, aber kein blauäugiges, kein vaterländisch verbrämtes, sondern ein historisch nachdenkliches.

Christian Raschle, während 32 Jahren Geschichtslehrer an der Kanti Zug, Stadtarchivar und Publizist, konzentrierte sein Referat auf den Kanton und den speziellen Ort: In «Das Zuger Regierungsgebäude – hier schlägt der Puls der Demokratie» zeichnete er kurz die kantonale Geschichte nach, vor allem aber die Umstände, die 1871 zum repräsentativen Bau führten – der auch für die neue Ordnung stand. (Text von Dorotea Bitterli)

Hinweis

Historische Infos zur Zuger Geschichte rund um 1848 und die Entstehung des Regierungsgebäudes sind gesammelt im digitalen Lesesaal des Staatsarchivs Zug: lesesaal.zg.ch. Und bei der nationalen Informationsstelle zum Kulturerbe: www.nike-kulturerbe.ch.