Mit zwei Wienern ins neue Jahr
Music
Klassische Kammermusikwerke ertönten zum Jahresauftakt. Sie regten zu Vergleichen an.
Zug – Man kennt sich, und man schätzt sich: Dies gilt einmal für die Ausführenden. Um den nimmermüden Primgeiger Albor Rosenfeld musizierten als Streicher Susanna Meierhans Suter (Violine), Alessandro d’Amico (Viola) und Anne-Christine Vandewalle (Violoncello) in der Liebfrauenkapelle, Zug. Alle drei waren schon früher im Zusammenhang mit dem Collegium Musicum in Zug aufgetreten. Als Hauptsolist beeindruckte der auch international bekannte Bernhard Röthlisberger mit dem Schreibenden nicht verwandt, was ich am Konzert mindestens sechs Mal gefragt wurde. Ein Ausnahmekünstler, der sofort den angemessenen Kontakt zu den andern Mitwirkenden fand. Man kennt und schätzt sich auch innerhalb des Publikums: Viele alte Bekannte beglückwünschten sich; eine Viertelstunde vor Konzertbeginn waren in der Kapelle alle jene Plätze besetzt, die ein angenehmes Hörerlebnis ermöglichten.
Mozart und Beethoven
Das weltbekannte Klarinettenquintett KV 581 von Wolfgang Amadeus Mozart stand neben dem weniger oft gespielten Streichtrio Opus 8 in D-Dur von Ludwig van Beethoven. Die Gegenüberstellung der beiden Werke, die in ihrer Entstehungszeit weniger als zehn Jahre auseinanderliegen, reizte zu interessanten Vergleichen. Mozart, von der Mitwelt zwar als Komponist anerkannt, aber nicht mit dem Sinn für eine sparsame Haushaltführung ausgestattet, schrieb seine Kammermusik zu einem guten Teil für Freunde, die ihm dafür mit geliehenem und geschenktem Geld aus der Klemme halfen. Auch das Klarinettenquintett bezieht sich ganz klar auf den damals weltberühmten Virtuosen Anton Stadler (17531812), der vom Komponisten auch seine Vorliebe für die etwas tiefer gestimmte Bassett-Klarinette berücksichtigt fand. Die Originalversion des Werks ist allerdings verloren. In der Liebfrauenkapelle spielte Bernhard Röthlisberger auf einer Bassett-Klarinette. Aber der Notentext war gewissermassen eine «Rückübersetzung» der nach Mozarts Tod erschienen Bearbeitung des Originals für A-Klarinette.
Es hat alles gestimmt
Ungeachtet aller musikhistorischen Unsicherheit erklang ein vollgültiger Mozart, was auch der ausgezeichneten Gesamtleistung der Interpreten zu verdanken war. Neben dem durchwegs souveränen instrumentalen Können fanden die Ausführenden immer die recht heikle musikalische Balance. Das Larghetto präsentierte sich über weite Strecken als Solostück für Klarinette mit Streicherbegleitung und schuf damit interessante Parallelen zum zweiten Satz des Mozart-Klarinettenkonzerts KV 622, das vom Zuger Stadtorchester vor Monatsfrist aufgeführt worden war. Ganz anders etwa das Menuett, wo die Klarinette im ersten Trio sogar zu pausieren hatte und dazwischen in oft sehr engem Wechsel alle Stufen von thematischer Führung bis zu reiner Begleitstimme durchlief. Bei dieser Interpretation hat alles gestimmt, vom Kontrast der unterschiedlich langen Themen von Violine und Klarinette in der Einleitung bis in die Variationenfolge des Schlusssatzes mit dem kühnen Moll-Einsatz des Themas in der Viola.
Ein Fragment als Zugabe
Als Haydn-Schüler ahnte Beethoven 1797 sicher noch nichts von seinem späteren eigenartigen Schicksal zwischen Weltruhm und Ertaubung. Trotzdem wirkte das als «Serenade» bezeichnete Streichtrio Opus 8 nur bedingt als Frühwerk. Mindestens in den drei ersten kürzeren Sätzen wurden die Stilprinzipien der Zeitepoche zwar eingehalten, aber spätestens mit den ungewohnten Allegro-Einschüben im Adagio erlebte man jenen Beethoven, der seinen musikalischen Gestaltungswillen grundsätzlich über die Form stellte. So verwischten sich durch verschiedene Variationenfolgen die Satzgrenzen zu Gunsten einer doch nachvollziehbaren Gesamtform, die nach dem damals revolutionären Trugschluss auf das letzte Adagio keinen Zweifel über die Einleitung zur Schlusskadenz liess. Den kräftigen Beifall verdankten die Ausführenden mit der Wiedergabe von KV 516c, dem Fragment eines weiteren Mozart-Klarinettenquintetts, dessen folgende Sätze aber wohl unwiderruflich verloren sind. (Jürg Röthlisberger)