Startschuss für virtuelles Museum

Film & Multimedia, Brauchtum & Geschichte

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Papierproduktion gibt es in Cham keine mehr. Das Onlinelexikon Chamapedia beleuchtet nun deren Geschichte.

  • Interview für das virtuelle Museum der Papierfabrik Cham im Kalandersaal. (Bild Thomas Gretener/PD)
    Interview für das virtuelle Museum der Papierfabrik Cham im Kalandersaal. (Bild Thomas Gretener/PD)

Cham – Wer unlängst über die Lorzenbrücke bei der Papieri ging, bemerkte an der Türe zum Kalandersaal vielleicht ein Schild «Filmaufnahmen, bitte nicht stören». Zudem kamen im Stundentakt jüngere und ältere Frauen und Männer dorthin. Das Projektteam «Virtuelles Museum Papierfabrik Cham» von Chamapedia hat während einer Woche 30 Personen interviewt, die in der Papieri gearbeitet haben oder sonst einen engen Bezug zur Fabrik hatten. Dank der Gewährspersonen, die sich bereit erklärten hatten, über ihre Erinnerungen an die Papieri zu berichten, hat das Projektteam von Chamapedia viel wertvolles Material sichern können.

Ein Interviewpartner schilderte, wie der «Papieri-Vater» Robert Naville-Vogel nach seinem Tod im Jahr 1970 im Papiersaal aufgebahrt war. Die Produktion wurde eingestellt, in der Papieri gab es einen grossen Trauerzug, und die Belegschaft verabschiedete sich vom Patron. Einer der ersten Arbeiter aus der Türkei erzählte, wie er die Villa Türk erlebt hat, die barackenähnliche Unterkunft für Arbeiter aus der Türkei an der Rigistrasse, welche die Papieri in den 1960er-Jahren bauen liess.

Über 30Stunden Filmmaterial

Dort hatte er zum ersten Mal in seinem Leben eine Dusche zur Verfügung. Frauen, die im Papiersaal gearbeitet haben, berichteten, wie sie jeden Papierbogen kontrollieren mussten. Sie arbeiteten im Akkord und wurden anfänglich nach den guten Bogen bezahlt. Je mehr Bogen sie ausscheiden mussten, umso kleiner war dann jeweils ihr Lohn. Viele Chamerinnen und Chamer erinnern sich auch an die Altpapiersammlungen. Einige Male im Jahr brachten Kinder mit Anhängern ihr Altpapier in die Papierfabrik und verdienten sich so einen Batzen.

Der jüngste Gesprächspartner war knapp 30-jährig und hat als einer der letzten seine Lehre als Automatiker in der Papieri gemacht, die älteste war über 90-jährig. Das Projektteam hat Vertreter des Aktionariats und der Geschäftsleitung befragen können, aber auch die Verantwortlichen für die Papieribahn, die Energieversorgung, die Maschinen und eine Mitarbeiterin der Kantine. So sind 30 Stunden Filmmaterial entstanden, von einem Profiteam für die Nachwelt festgehalten. Nun gilt es, das Rohmaterial zu sichten, besonders aussagekräftige Sequenzen auszuwählen und zu schneiden.

Das Projektteam wird dieses Material und alte Filme aus dem Archiv der Papierfabrik der Öffentlichkeit zugänglich machen. Die Papieri-Geschichte wird auf der Internetseite Chamapedia.ch laufend weitererzählt und ergänzt mit Texten und Filmen. Auf dem Areal der ehemaligen Papierfabrik in Cham sollen Informationstafeln über die Papierifabrik eingerichtet werden. Über QR-Codes kann man erfahren, was die ehemaligen Mitarbeitenden zu erzählen haben. Die Papieri war viel mehr als ein Arbeitsplatz. Viele waren auch in ihrer Freizeit mit der Papieri verbunden, im Fussball-, im Schützen- im Jass- oder im Schachclub. Es war ein eigener Mikrokosmos – der nun der Nachwelt erhalten werden soll.

Für den Verein Chamapedia: Thomas Fähndrich