Wenn ein Richter über sein Werk urteilt

Literatur & Gesellschaft, Brauchtum & Geschichte

,

Vierzig Jahre lang wirkte Markus Meienberg anonym bei der berühmten Fasnachtspostille «Feuerhorn» mit. Nun offenbart er sich und wartet mit Anekdoten aus seiner «Feuerhorn»-Zeit auf.

  • 40 Jahre lang war Markus Meienberg Illustrator und Texter der Fasnachtspostille «Feuerhorn». (Bild Stefan Kaiser)
    40 Jahre lang war Markus Meienberg Illustrator und Texter der Fasnachtspostille «Feuerhorn». (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Nur wenige Tage nach unserem Artikel über das heuer ausbleibende «Feuerhorn» erreichte ein Schreiben unsere Redaktion. Der Absender war kein geringerer als ein ehemaliger «Feuerhornonkel», wie Markus Meienberg sich selbst nennt. Während vierzig Jahren zeichnete und schrieb er für die Stadtzuger Fasnachtspostille. Vor gut zehn Jahren erschien schliesslich die letzte Ausgabe mit Werken aus seiner Feder.

Einen Namen machte sich der Feuerhornonkel mit dieser Arbeit nicht, denn während all der Zeit blieb er weitgehend anonym. «Ich habe mir immer wieder überlegt, mich endlich zu ‹outen›», sagt er am Esstisch seiner Chamer Wohnung sitzend, ein Schmunzeln im bebrillten Gesicht. Der neu gefasste Entschluss des Styger Rettungskorps, das «Feuerhorn» dieses Jahr nicht herauszu­geben, gab ihm schliesslich den entscheidenden Anstoss.

Der Kirchenratspräsident, der sich selbst kaufen wollte

Heute ist Markus Meienberg nach eigenen Angaben «im kreativen Ruhestand». Der einst selbstständige Grafiker wirkte in rund vierzig Ausgaben des «Feuerhorns» mit, verteilte humoristische Spitzen an Politikerinnen, Polizeikommandanten und weitere Exponenten des Zuger Volks. So manch einen haute er in die Pfanne, doch wusste man meist mit seinem provokativen Humor umzugehen, wie Meienberg sagt.

So erzählt er etwa die Anekdote von Theo Kündig, einem einstigen Zuger Kirchenratspräsidenten. Dieser wurde damit beauftragt, mehrere umstrittene Bilder in der Kirche Bruder Klaus in Oberwil restaurieren zu lassen. Hierfür beauftragte Kündig nicht etwa einen Kunst-, sondern einen Flachmaler, was weitherum für Gelächter sorgte. Ein Fall für das «Feuerhorn».

«Es war kurz vor Redaktionsschluss und ich zeichnete Kündig im Beisein zweier meiner Kinder», so Meienberg. Tags darauf fuhr die Familie in den Skiurlaub nach Sörenberg. «Plötzlich deutete eins meiner Kinder auf jemanden im Restaurant und sagte: ‹Papi, der sieht ja aus wie der, den du gestern gezeichnet hast!›» Und tatsächlich: An einem anderen Tisch hockte der Kirchenratspräsident Theo Kündig. «Ich habe ihn also gut getroffen», so Meienberg. Doch es geht noch weiter: Als Kündig das Bild einige Zeit später bei einer Ausstellung der «Feuerhorn»-Bilder habe erwerben wollen, sei dieses bereits mit einem roten Punkt zum Verkauf markiert gewesen. Kündig habe gerufen: «Welcher Idiot hat mich jetzt schon gekauft?!» Das Bild habe er später vom Maler geschenkt bekommen, der mit der Restaurierung der Kirchengemälde beauftragt worden war.

Eine weitere von Meienbergs Anekdoten spielt gar vor seiner Zeit beim Fasnachtsblatt. «Das Komitee hat damals einen Text zugesandt bekommen, der dann zusammen mit einer Karikatur publiziert worden war», so Meienberg. Der Mann, der in Text und Bild auf die Schippe genommen wurde, zitierte die Verantwortlichen des «Feuerhorns» vor den Richter. «Nur war es der Richter selbst, der den Text eingesandt hat», so Meienberg. Und so habe sich das Urteil schliesslich auf eine Ermahnung beschränkt.

Texte waren ausgewählt und kalkuliert

Manches habe sich seit seiner Zeit beim «Feuerhorn» verändert. Und so sieht Meienberg das heuer ausbleibende Blatt nur als die Spitze des Eisbergs einer schleichenden und doch klar wahrnehmbaren Entwicklung.

Das schrieb er denn auch in seinem eingesandten Leserbrief an unsere Redaktion: «Den Bestatter als einzigen Totengräber der Fasnachtspostille zu sehen, würde zu kurz greifen.» Zur Erinnerung: Ein Stadtzuger Bestattungsunternehmen reagierte letztes Jahr heftig auf einen Beitrag im «Feuerhorn». Für die Macher war dies mit ein Grund, sich Gedanken über eine Neuausrichtung zu machen.

Weiter schreibt Meienberg, dass auch andere Ursachen zur jetzigen Situation des Fasnachtsblatts geführt hätten: «So etwa die Tatsache, dass die Redaktion ausschliesslich Dritten überlassen wurde und die Verantwortlichen aus dem Styger Korps nicht oder kaum mehr in der Feuerhornkommission mitwirkten.» Was Meienberg damit meint: Zu seiner Zeit war er – damals selbst Aktivmitglied des Styger Rettungskorps – Teil der Kommission des «Feuerhorns». Zu­sammen mit einigen Korpskumpanen zeichnete und schrieb er für das Blatt, redigierte eingesandte Beiträge von Dritten, entschied sich für oder gegen die Publikation verschiedener Texte. So waren die Beiträge, die schliesslich im «Feuerhorn» abgedruckt wurden, ausgewählt und kalkuliert. Heute sei das weniger der Fall.

Meienberg zweifelt an Zukunft des Blattes

Er wolle niemandem auf die Füsse treten, so Meienberg. Doch habe sich der Inhalt des «Feuerhorns» für ihn von «Lustigem mit scharfen Spitzen» mehr und mehr zu «scharfen Spitzen von begrenzter Lustigkeit» entwickelt.

Ob es für das «Feuerhorn» wirklich eine Zukunft gibt, wie das die Herausgebenden erwarten lassen, daran zweifelt Meienberg. Auch wenn er sich das wünschen würde. So oder so bliebe ihm die Erinnerung an eine intensive, aber auch lustige Zeit. «Heute, nach so vielen vergangenen Jahren, kann ich mich als Macher der ‹satirischen Bosheiten› getrost outen. Und ausserdem hoffen, dass die Styger einen Weg finden, das ‹Feuerhorn› im nächsten Jahr exhumieren zu können.»

Hinweis
Markus Meienberg hat einen Querschnitt seiner Karikaturen für das «Feuerhorn» als Buch drucken lassen. Einige Exem­plare davon sind noch erhältlich und können bei ihm per E-Mail an markus@meienbergs.ch bestellt werden.