Blick ins Leben eines Bundesrats

Dies & Das

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Philipp Etter ist 1934 als erster Zuger in den Bundesrat gewählt worden. Seine Dokumente, Briefe und Schriften sind nun im Staatsarchiv zugänglich. Ein Historiker hat den Privatnachlass geordnet.

Zug – Liebesbriefe, politische Schriften, Festreden und Fotos: Insgesamt rund 13 Laufmeter umfasst der Privatnachlass von alt Bundesrat Philipp Etter (1891–1977). 1934 wurde er als erster Zuger in den Bundesrat gewählt und blieb 25 Jahre in diesem Amt (siehe Box). Die amtlichen Dokumente aus genannter Zeit werden im Schweizerischen Bundesarchiv in Bern aufbewahrt. Der Privatnachlass jedoch gelangte erst Ende der 1990er durch die Vermittlung des Sohnes Alois Etter als Depot ins Staatsarchiv Zug. Bis Ende 2013 war der Zugang zu den Archivalien nur beschränkt möglich. Nach Ablauf der Schutzfrist und der Freigabe des Bestandes für die Forschung und Öffentlichkeit wurde das Depot in eine Schenkung an den Kanton umgewandelt. Inzwischen ist der archivierte Privatnachlass Etters geordnet und detailliert beschrieben. Das Verzeichnis ist online zugänglich.

Um den Nachlass zu ordnen und zu beschreiben, bewilligte der Regierungsrat 2014 einen Kredit von 70000 Franken aus dem Lotteriefonds. Für diese ­anspruchsvolle Erschliessungsarbeit konnte der Historiker Thomas Zaugg gewonnen werden. Dieser gelte als einer der besten Kenner Philipp Etters, bestätigt Renato Morosoli, Archivar des Staatsarchivs Zug. Die Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv war für beide Seiten eine Win-win-Situation, denn Thomas Zaugg arbeitete zur gleichen Zeit an seiner Dissertation über den Bundesrat. Diese soll nächstes Jahr publiziert werden. «Thomas Zaugg hat mit grossem Engagement den Nachlass geordnet, strukturiert und inhaltlich präzis erschlossen», lobt Morosoli.

1255 Dossiers und Subdossiers

Die zahlreichen Schriftstücke und Fotografien zu ordnen, dauerte fast 1500 Stunden, verteilt über dreieinhalb Jahre. Dabei konnte das Zuger Staatsarchiv stets auf die Unterstützung der Nachkommen Etters zählen. «Wir haben transparent gearbeitet und die noch lebenden Kinder und die Enkelinnen und Enkel Etters über das Projekt informiert», erklärt der Archivar. Im Herbst letzten Jahres wurde im Staatsarchiv ­eigens ein «Etter-Tag» durchgeführt, an dem Thomas Zaugg den Nachfahren des Bundesrates den reichhaltigen Nachlass vorstellte.

Nun lagern die 1255 Dossiers und Subdossiers des Privatnachlasses im Magazin des Staatsarchivs. Der Aktenschrank ist mit einem schwarzen Dreieck auf ­rotem Grund gekennzeichnet. Dieses steht laut Renato Moro­soli für besonders wichtige Akten. «Der Nachlass ist sehr bedeutend. Philipp Etter war eine ­wichtige Persönlichkeit für die Geschichte des Kantons Zug und für die Schweiz», sagt Morosoli. Der Archivar zieht ein paar graue Archivschachteln aus dem Regal heraus und gewährt einen Blick in die hinterlassenen Briefe, Reden und Fotografien. «Etter hatte eine schöne, gut lesbare Schrift», findet er. 

Er schrieb über 400 Briefe an seine Frau

Aus der Bundesratszeit von 1934 bis 1959 blieben neben sämtlichen Agenden insbesondere Korrespondenz, persönliche Schriftstücke, Manuskripte und Notizen Etters zur geistigen Landesverteidigung erhalten. Als geistige Landesverteidigung wird in der Schweiz eine politisch-kulturelle Bewegung bezeichnet, die in den 1930er-Jahren entstand und sich bis in die 1960er-Jahre auswirkte. Die geistige Landesverteidigung hob die kulturellen Eigenarten der Schweiz hervor, um sich vom Totalitarismus ausserhalb des Landes abzugrenzen. Etter gilt als Vater der geistigen Landesverteidigung.

Weiter sind im Archiv 365 verfasste Ansprachen und Vorträge aus dem Zeitraum von 1924 bis 1971. Unter den Briefen nehmen diejenigen an Etters Frau Marie Etter-Hegglin mit über 400 Schreiben einen besonderen Platz ein. Darunter sind auch welche, die er aus seinem Aktivdienst im Ersten Weltkrieg an seine spätere Frau geschrieben hatte. Weiter sind Bücher mit persönlichen Widmungen, Zeitschriften oder Zeitungsartikel im Privatnachlass zu finden. Renato Morosoli sagt: «Philipp Etter war und ist bis heute eine herausragende und auch umstrittene Persönlichkeit, in der sich viele gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen im Kanton Zug, in der Schweiz und in der Welt spiegeln.» (Andrea Muff)

Hinweis
Das Verzeichnis mit der Archivsignatur P70 ist unter der Adresse staatsarchiv.zg.ch zugänglich.

 

Der Mann aus Menzingen

ZUG  Philipp Etter ist am 21. Dezember 1891 in Menzingen geboren. Dort besuchte er die Volksschule und wechselte später an die Kantonsschule in Zug. Etter studierte Jus in Zürich. Während junger Jahre war er Redaktor der katholisch-konservativen Parteizeitung «Zuger Nachrichten». 1918 wurde Philipp Etter für die Konservative Volkspartei in den Zuger Kantonsrat gewählt, und im selben Jahr heiratete er Marie Hegglin aus Menzingen. Bereits 1922 zog er in den Regierungsrat ein, wo er die Erziehungs- und Militärdirektion übernahm. In den Jahren 1927 und 1928 war Philipp Etter Zuger Landammann, und zwei Jahre später wurde er in den Ständerat gewählt.

Nach dem überraschenden Rücktritt des Freiburger Bundesrats Jean-Marie Musy wählte die Bundesversammlung den erst 43-jährigen Zuger Konservativen am 28. März 1934 in den Bundesrat. Philipp Etter übernahm das Departement des Innern. Während seiner 25-jährigen Amtszeit erfuhr es einen Bedeutungsgewinn – insbesondere durch den Ausbau des Sozialstaates. 

In den Vorkriegsjahren war Etter an der Entwicklung der geistigen Landesverteidigung beteiligt und setzte sich als begnadeter Redner für diese ein. Während des Zweiten Weltkriegs vertrat er eine betont vorsichtige, anpassungsfreundliche Politik gegenüber Nazi-Deutschland. Nach 1945 vermochte er wichtige Akzente zu setzen, er war unter anderem verantwortlich für den Ausbau der ETH, die Gründung des Schweizerischen Nationalfonds, den Alpen- und Nationalstrassenbau, den Ausbau der AHV und die Einführung der IV. 

Philippe Etter ist am 23. Dezember 1977 in Bern gestorben.

Hinweis
Die Informationen über Philipp Etter stammen aus dem Historischen Lexikon der Schweiz.