«Ich hatte nie was mit dem Teufel»

Literatur & Gesellschaft, Brauchtum & Geschichte

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Die Geschichtenerzählerin Maria Greco thematisiert in ihrer neuen Theatertour «unschuldig schuldig» den letzten Zuger Hexenprozess.

  • Ahmt den Richter nach: Maria Greco. (Bild Maria Schmid)
    Ahmt den Richter nach: Maria Greco. (Bild Maria Schmid)

Zug – «Schlecht ist das Weib von Natur, da es schneller am Glauben zweifelt», sagt Maria Greco mit ernster Stimme. Sie steht erhöht auf der Treppe vor der Oswaldskirche in der Altstadt und streckt den über 30 Zuschauerinnen und Zuschauern ein Kruzifix entgegen. Und fährt fort: «Alles geschieht aus fleischlicher Begierde, die bei ihnen unersättlich ist.»

Es sind Originalzitate aus dem sogenannten Hexenhammer von 1484, einer Art Bedienungsanleitung für die Verfolgung von angeblichen Hexen, mit denen Greco in ihre neue «Theatertour» einleitet. Die Theatertour trägt den Namen «unschuldig schuldig» und handelt von dem letzten grossen Hexenprozess, der im Kanton Zug stattfand. Am vergangenen Montag führte die bekannte Zuger Geschichtenerzählerin ihr neues Stück auf. Bei verschiedenen Schauplätzen zwischen Altstadt und Hafen schlüpfte Greco sowohl in die Rolle der Erzählerin als auch der involvierten Personen.

Zum Beispiel jene der 16-jährigen Katharina Kalbacher. Greco steht vor dem Chaibenturm in der unteren Altstadt, ein kühler Wind weht, ein paar Schwäne gesellen sich zum Publikum. «Ich kann mich unsichtbar machen», sagt Greco alias Kalbacher mit unschuldiger Stimme. «Verwandeln kann ich mich auch – in Hund, Maus oder Taube.»Kalbacher hat sich selbst und zwanzig weitere Personen beim Richter angezeigt.

Die Theatertour ist erfrischend, laden die kurzen Spaziergänge zwischen den einzelnen Stationen doch zum Nachdenken über das soeben Gesehene und Gehörte ein. Die Originalkulisse im Hintergrund, die Zuger Altstadt, regt das Kopfkino an. Nur wenn sich ein Porsche über das Steinpflaster schiebt, wird die Illusion für einen kurzen Moment getrübt. Greco: «Möched Platz, de Charre muess durre.» Vor dem Rathaus hört das Publikum den Richter schimpfen: «Das freche Gesindel bringe ich schon noch zum Sprechen. Jetzt kommen Daumenschrauben und Streckbank zum Einsatz!» Die Angeklagten hätten das Hagelwetter verschuldet und sind für den Tod vom Vieh verantwortlich.

Hier zeigt sich dem Publikum, was für eine grosse Rolle die Landwirtschaft damals innehatte. Die Theatertour ist nämlich nicht frei erfunden, sondern beruht auf wahren Begebenheiten. Mit Unterstützung des Archivars Philippe Bart kämpfte sich Greco zur Vorbereitung durch das jahrhundertealte Protokoll, mehr als 400 Seiten dick. Viele Zitate sind ihm entnommen.

Darin kommen auch die wohl unschuldig denunzierten Personen zu Wort. Auf dem Landsgemeindeplatz zeigt Greco Richtung Schutzengel, wo die damaligen Hinrichtungen vollzogen wurden, und sagt als Angeklagte: «Da vorne ist mein Leben zu Ende.» Sie sei unschuldig, aber kein Richter glaube ihr. «Ich hatte nie was mit dem Teufel!»

Alle Vorstellungen sind bereits ausverkauft

Die tödliche Geschichte bewegt das Publikum am Montag: «Mich nimmt es mit, es ist eine düstere Sache», sagt eine Zuschauerin. Ihre Begleiterin ergänzt: «Ist der Stempel als Hexe einmal da, ist ihm offenbar nicht mehr zu entkommen, das finde ich beängstigend.» Am Schluss erwähnt Greco historische Fakten: Zwischen 1559 und 1738 gab es 195 nachgewiesene Hexenprozesse, 188 Personen – auch Kinder – wurden hingerichtet. Mit ihrem Stück wolle sie auf dieses verdrängte Kapitel der Zuger Geschichte aufmerksam machen. Denn heute erinnert nur ein verstecktes Denkmal hinter der Kapelle beim Schutzengel an die Hingerichteten. Hexen sind auf der kaum lesbaren Gedenktafel nicht erwähnt. (Text von Fabian Gubser)

Hinweis
Alle sieben Veranstaltungen sind ausverkauft. Kurzfristig freie Plätze sind möglich. Infos unter www.mariagreco.ch. Wiederaufnahme der Tour ist auf Frühjahr 2023 geplant.