Ein Architekturlicht als Tor zur Stadt

Kunst & Baukultur

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Einem Zusammentreffen glücklicher Fügungen verdankt Zug die hohe Ehre, das erste permanente Werk eines weltberühmten Künstlers an einem prominenten öffentlichen Ort präsentieren zu dürfen: «Light Transport».

  • Alle 90 Minuten wechselt der Farbton. (Archivbild Stefan Kaiser)
    Alle 90 Minuten wechselt der Farbton. (Archivbild Stefan Kaiser)

Zug – Wir schreiben das Jahr 2003: Der dritte Zuger Bahnhof entsteht – es gebricht noch einer Arbeit zum Thema «Kunst im Bau». Einmal kommt Direktor Mathias Haldemann das Verdienst zu, den amerikanischen Künstler James Turrell, für den er gerade eine Ausstellung im Kunsthaus Zug ausrichtet, für dieses Projekt gewinnen zu können – im Einvernehmen mit Architekt Klaus Hornberger. Zum andern fühlt sich Turrell erst in der guten Gesellschaft der kongenialen, global bedeutsamen Kunstschaffenden Tadashi Kawamata (Installationen vom Kunsthaus bis zum Brüggli) sowie Ilya und Emilia Kabakov (Brunnen-Skulptur am Bahnhofplatz) in Zug wohl.

Und das Kunststück gelang: Bis zum heutigen Tag und weit darüber hinaus bestaunen Heimische wie Passanten dieses grandiose Lichtspektakel in herausragender Architektur – eine äusserst rare, überaus formidable Verschmelzung zu einem sinnlichen Lichtraum, welcher in der Dämmerung seine volle Kraft entfaltet. Die Architektur schafft per se wenig bildhafte Präsenz, stellt jedoch mit ihrem visuellen Resonanzraum eine angemessene Kulisse für die Hauptattraktion des Gebäudes dar: Ein zauberhaftes Farbenschauspiel, worin Rot, Blau und Grün in ihrem Wechsel mit fliessenden Übergängen den offenen Raum des Baukörpers aufweiten und verengen. Das Licht lässt den Bahnhof unterschiedlich erscheinen; es verändert die Materie, ohne sie aufzuheben.

Eine Lichtskulptur von unerreichter Qualität

Die Farben verwandeln den Raum in eine auch von aussen sichtbare Lichtskulptur von unerreichter Qualität. Von daher empfiehlt es sich unbedingt, diese von aussen – sozusagen als wichtiges modernes Eingangstor urbanen Massstabes – wie von innen, zum Exempel von der ersten Etage der fünfgeschossigen Bahnhofshalle mit deren Verjüngung nach Norden, als magische Lichtkunst aus der «Stille» auf sich einwirken zu lassen, derweil nur wenige Meter unterhalb geschäftige Betriebsamkeit herrscht.

Die computergesteuerten, 90 Minuten dauernden Lichtszenen lassen sich wie folgt beschreiben: Die Lichtfarben werden erzeugt durch separat ansteuerbare, rot, grün und blau befilterte Fluoreszenzröhren. Reflektoren projizieren die leuchtenden Farben an die Fassaden auf vorgehängte Storenflächen; im Glasdachbereich wird die Lichtreflexion über einen Siebdruck erzeugt, und bei den Obergeschossen der Halle leuchten die sandgestrahlte, gläserne Brüstung, die Storen der inneren Glasfassade sowie die Untersicht der Galerien.

Licht offenbart sich selbst

Es entsteht das Faszinosum eines Lichtraumes, dessen subtile und dennoch intensive Stimmungen und deren Variationen zum Schauen einladen und Aufmerksamkeit erheischen. Veränderungen des Tageslichts von der Dämmerung zur Nacht begleiten diesen Prozess und schaffen einen Ort, der nicht mehr statisch verharrt, sondern wechselnde, intensive Szenerien entfaltet. So sagt der Meister: «Licht ist nicht etwas, das andere Dinge erleuchtet, sondern eine Substanz, die sich selbst offenbart.» Und weiter umgreifend: «Das Sinnliche erfühlen, der Wahrnehmung bewusst werden, die Reflexion suchen.» Physische Architektur verwandelt sich in eine immaterielle, sinnliche Erscheinung. «Licht nimmt umgekehrt körperliche Qualitäten an, wird gewissermassen zum greifbaren Stoff.»

Der 1943 in Los Angeles geborene James Turrell arbeitet direkt mit Licht und Raum, um Kunstwerke zu schaffen, welche die Betrachtenden mit den Grenzen und Wundern der menschlichen Wahrnehmung in Berührung bringen. Er zitiert oftmals das Gleichnis von Platons Höhle, um die Vorstellung einzuführen, dass wir in einer Realität unserer eigenen Schöpfung leben, abhängig von unseren menschlichen Sinneseinschränkungen sowie kontextuellen und kulturellen Normen. Ab 1977 arbeitet Turrell mit seinem ambitioniertesten, monumentalsten Projekt im Roden Crater, in einer Wüste im Norden Arizonas, am grössten je von Menschenhand geschaffenen Kunstwerk. In einem erloschenen Vulkan entsteht ein System in den Krater geschnittener, unterirdischer Kammern, Tunnel. (Jürg Johner)