Das Leben nach dem Brand

Kunst & Baukultur

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Am 7.März 2017 ging Ignaz Röllins Existenz, die Kunstgiesserei Bellform, wortwörtlich in Flammen auf. Bei einem Freund im Kanton Bern hat der leidenschaftliche Giesser einen neuen Wirkungsort gefunden.

  • Ignaz Röllin (oben rechts) und sein Mitarbeiter Valentin Suciu (unten rechts) bei der Arbeit in der Kunstgiesserei im Kanton Bern. (Bild Maria Schmid)
    Ignaz Röllin (oben rechts) und sein Mitarbeiter Valentin Suciu (unten rechts) bei der Arbeit in der Kunstgiesserei im Kanton Bern. (Bild Maria Schmid)

Neuheim – Am Morgen des 7. Mai 2017 brannte die Kunstgiesserei Bellform an der Hinterburgstrasse in Neuheim lichterloh. Drei Personen hielten sich im Gebäude auf, eine von ihnen war der Besitzer der Giesserei, der heute 62-jährige Ignaz Röllin. Seit 30 Jahren führte er den Familienbetrieb. «Nachdem die anderen die Scheune unbeschadet verlassen hatten, blieb ich noch und versuchte die Flammen zu löschen», erinnert er sich. Dabei zog sich Röllin Verbrennungen im Gesicht zu. Die rund 20 Meter hohen Flammen dann habe er gar nicht mehr mitbekommen, sagt er. «Fast widerwillig lag ich da bereits im Krankenauto.» 

Das Gebäude jedenfalls, in das er eingemietet war, brannte bis auf die Grundmauern nieder. Als Brandursache werde ein Problem mit der Elektrik des Hauses angenommen, so Röllin. Der 61-jährige Urs Lebdowicz, ein Kunstgiesser aus Wangen an der Aare, der Röllin seit 30 Jahren kennt, erinnert sich noch an den Besuch bei seinem Freund im Spital. «Ich hatte einen richtigen Schock, Ignaz hat nicht gut ausgesehen.» Doch Röllin hat sich gut erholt. Auch äusserlich ist nichts mehr zu sehen. «Sie mussten die Haut halt abschaben, jetzt geht’s aber wieder», sagt er. Auch arbeiten kann er wieder.

Zwei Chefs in einer Giesserei

Seit etwas über einem Jahr teilt Urs Lebdowicz nun schon seine Kunstgiesserei im beschaulichen Wangen an der Aare mit dem Kunstgiesser aus Neuheim. Um zum neuen Arbeitsort zu kommen, setzt Röllin sich täglich mit seinem 38-jährigen Mitarbeiter Valentin Suciu, der bereits in Neuheim etliche Jahre bei ihm gearbeitet hat, insgesamt zwei Stunden ins Auto. Das sei die beste Lösung, sagt er, stehe es doch gar nicht fest, ob das Gebäude in Neuheim überhaupt wieder aufgebaut werde. Und so kurz vor der Pensionierung noch einmal etwas komplett neu aufzubauen, sei auch nicht in Frage gekommen. «Es ist ein Riesenaufwand, eine solche Bude einzurichten. Man braucht einen Schmelzofen, und natürlich raucht es in einer Kunstgiesserei auch, da kommt nicht jede Lokalität in Frage.» Da bot ihm Urs Lebdowicz an, er könne zu ihm kommen. «Das war selbstverständlich für mich», sagt Lebdowicz. «Wir gehen ihm auf die Nerven, das schätzt er sehr», quittiert Röllin lächelnd. 

Lebdowicz hat das Gebäude 1999 gekauft und zur Kunstgiesserei umfunktioniert. «Eigentlich klappt es super, nur merkt man, dass wir es beide gewöhnt sind, Chefs zu sein. Manchmal geben wir uns zu viele Ratschläge, da wir doch beide einen eigenen Stil pflegen», sagt Lebdowicz. Dass Röllin weiterhin seinen Kundenstamm betreuen kann, hat er auch den Negativen, also den Gussformen, zu verdanken. «Wir konnten einen Grossteil davon vor dem Feuer retten.» Eine seiner jährlichen Arbeiten ist beispielsweise der Swiss Award, mit dem herausragende Schweizer Persönlichkeiten ausgezeichnet werden. «Roger Federer hat drei meiner Arbeiten zu Hause stehen», sagt er. Gerade arbeitet er aber auch an einem Grossauftrag des Quartiers Tribschenstadt in Luzern. «Normalweise stehen diese Holzfiguren dort.» Er zeigt auf menschenähnliche Figuren. «Doch das Holz ist mit der Zeit langsam kaputtgegangen. Ich giesse sie jetzt in Aluminium, dann halten sie ewig.» 

Ein besonderer Grill als zweites Standbein

Mit seinen wiederkehrenden Arbeiten fortzufahren, das sei ein Standbein erklärt er. Ein anderes hat er sich zusammen mit Urs Lebdowicz aufgebaut. Die beiden haben einen eleganten Edelstahl-Holzgrill entwickelt, den sogenannten King Goal, der in Handarbeit gefertigt wird. Dieser verfügt über einen Lüfter und ist höhenverstellbar. Auf dem Deckel ist eine kleine Krone befestigt. Zudem gibt es viele Personalisierungsmöglichkeiten. «Das wollen wir jetzt etwas ausbauen», sagt Röllin augenzwinkernd. 

Noch immer mache ihm der Beruf viel Freude, er werde sicher auch nach der Pensionierung noch etwas weiterarbeiten. Und dann ist es so weit: Er will noch seine Kunst zeigen, es wird gegossen. «Mit einem kleinen Kran wird die Gussform – zwei stilisierte Blätter – in eine Tonne gehievt. Diese wird dann mit feuerfestem Sand aufgefüllt. Dann kommt der Moment, der Schmelzofen wird geöffnet und das flüssige Metall entnommen. Es wird warm im Raum. Das Metall giesst Röllin dann in die hohle Form. «Der mit Abstand schönste Moment», sagt Röllin.» (Christopher Gilb)