Kein Spielgerät von der Stange

Dies & Das

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Rund zwei Jahre hat Claire Ochsner an der «Drachenrutschbahn» beim Schulhaus Kirchmatt in Zug gearbeitet.

  • Die «Drachenrutschbahn» bereitet Kindern selbst im Winter Freude. (Bild Stefan Kaiser)
    Die «Drachenrutschbahn» bereitet Kindern selbst im Winter Freude. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Machen Drachen eigentlich auch Winterschlaf? Dieser Geselle hier jedenfalls nicht. Die Schneedecke, welche sich über Nacht auf ihn gelegt hat, scheint ihn kaltzulassen. Mit weit aufgerissenem Maul blickt er hellwach darunter hervor. Als wäre er versehentlich aus einem Märchen gefallen und hier aufgeschlagen, liegt unser grün-blau-rot-gelber Fabeldrache mittlerweile seit über 30 Jahren an der Einfahrt zum Schulhausareal Kirchmatt, einen Steinwurf unterhalb des Friedhofes St. Michael.

Hier dient das Fantasiereptil den Kindern als Kletterobjekt, Unterschlupf und vor allem als Rutschbahn – eine solche bildet der überlange gezackte Schwanz, welcher den Hang hinunter bis zum Strässchen reicht. Sein gesamter Oberkörper liegt in zur Seite gebogener Stellung auf einem Plateau, er stützt sich auf seinen kräftigen Vorderläufen ab. Inwendig ist der Drache hohl. Der Raum mit Sitzbank kann von Kindern begangen werden. Lustig: Das Maul des Drachen ist der Eingang, sein Hintern der Ausgang – oder umgekehrt.

Die bunte Welt der Claire Ochsner

Der aussergewöhnliche Spielplatz-Drache mit seiner Gesamtlänge von rund zehn Metern ist das Werk der Schweizer Künstlerin Claire Ochsner (*1948). Sie lebt und arbeitet in Frenkendorf BL, wo sie einen eigenen, öffentlich zugänglichen Skulpturengarten unterhält. Ihre meist mittelgross- bis grossformatigen Plastiken für den Aussenbereich stellen kreative Fabelwesen dar, Windräder, Mobiles oder figürliche Schöpfungen, die viel Raum für die eigene Interpretation lassen. Ihre Werke sind von einer ausserordentlich intensiven Farbigkeit geprägt und entspringen allesamt ihrer regen Fantasie. Sie wählt ihre Farben, denen sie jeweils eine eigene Charakteristik zuordnet, ganz bewusst, kombiniert sie immer wieder neu, um unterschiedliche Wirkungen auf die Gefühlswelt zu schaffen – grundsätzlich positive. Der geraden Linie weicht Claire Ochsner aus, sie sucht das Beschwingte und dadurch Lebendige. So fantasievoll-fabelhaft die Skulpturen wirken, so ungewöhnlich und kreativ sind auch meist ihre Bezeichnungen. Eine Vielzahl von Claire Ochsners Arbeiten findet sich im öffentlichen Raum der Schweiz und Deutschlands. Auch in Italien, China und Südafrika steht je eine Ochsner-Skulptur. In der Stadt Zug existiert neben dem Drachen beim Schulhaus Kirchmatt ein weiteres Beispiel aus Ochsners Atelier: «Giraffalla», die bunte Brunnenfigur neben der Kantonalbank-Filiale Baarerstrasse 37 gehört der Bank («Hingeschaut» vom 18. November 2015).

Die «Drachenrutschbahn» ist Eigentum der Stadt Zug und gehört zu den besonders aufwendigen Schöpfungen Claire Ochsners. Das monumentale Kunstwerk besteht aus fiberglasverstärktem Polyester. Rund zwei Jahre hat Ochsner an der Ausgestaltung und Ausführung des Drachen gearbeitet, gemeinsam mit Fachspezialisten für den Umgang mit diesem Spezialmaterial.

Obschon die Drachenfigur mit ihren spitzen Zähnen und den Zackenreihen über den gesamten Körper auf den ersten Blick respekteinflössend ist, so ist die Oberfläche der Skulptur rundum geschmeidig, fast handschmeichlerisch. Zum einen verlangt das ihr Zweck als Spielgerät für Kinder, um keine Verletzungen zu provozieren, zum andern ist die feine Ausarbeitung der Oberflächen grundsätzlich ein wichtiger Aspekt im Arbeitsprozess der Künstlerin. (Andreas Faessler)

Hinweis
Mit «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.