Hommage an das Ehepaar Kamm

Kunst & Baukultur

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Wer sich für Kunst interessiert oder für Architektur, ist ihnen bestimmt über den Weg gelaufen. Die Ausstellung im Kunsthaus Zug ist eine wunderbare ­Gelegenheit, das Wirken dieses Paars ­näher kennen zu lernen.

  • Christine und Peter Kamm mit Hund Sir Gordon und Werken von Richard Long, Red Stone Ring, in Architektur von Peter Kamm (© 2021, ProLitteris).
    Christine und Peter Kamm mit Hund Sir Gordon und Werken von Richard Long, Red Stone Ring, in Architektur von Peter Kamm (© 2021, ProLitteris).
Zug – Dieser Artikel ist in der September-Ausgabe (#82) des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu weiteren Artikeln.

Es könnte auf einen ersten, oberflächlichen Blick wie eine reine Sammlungsausstellung anmuten. Teilweise auch wie eine Werkschau aus Zug. Doch die Ausstellung «Raum und Zeit», die ab dem 29. August 2021 im Kunsthaus Zug zu sehen ist, ist mehr als das. Für den Museums­direktor und Kurator Matthias Haldemann, für das Kunsthaus, eigentlich für ganz Zug ist die Ausstellung weit mehr.
Sie ist eine Hommage an das Sammler-Ehepaar Kamm. An die Kunsthistorikerin und Autorin Christine und den Architekten Peter Kamm. Matthias Haldemann kannte das Ehepaar über 30 Jahre, bevor Peter Kamm im Jahr 2008 und Christine Kamm 2019 verstarben.

Fokus auf vielseitiges Engagement
«Ich habe so viel von ihnen und durch sie gelernt. Sie waren eine Inspiration», sagt er, während vor und hinter uns im Kunsthaus die Mitarbeitenden Platz für die neuen Werke schaffen. Dass Haldemann dem Sammler-Ehepaar nahe stand und die beiden äusserst schätzte, wird im Gespräch immer wieder spürbar. Die Ausstellung wird deshalb auch nicht «nur» Werke aus der Sammlung des Ehepaars zeigen, sondern den Fokus auch auf deren vielseitiges Engagement legen. «Die beiden haben ihr Leben lang für Zug und für die Kultur hier und weit über die Region hinaus gewirkt», sagt Haldemann. «Auch das Kunsthaus Zug wäre ein anderes, ­wären sie nicht gewesen.»
Selbst Zug Kultur gibt es heute auch dank ­Peter Kamms Einsatz. Er war Mitbegründer der IG Kultur und des Zug-Kultur-Vorgängers, dem «Kulturkalender». Das Ehepaar war jedoch auch politisch aktiv, setzte sich stark für den Denkmalschutz, die Stadtplanung und für kulturelle Anliegen ein, im wissenschaftlichen Diskurs und in zahlreichen Vorständen und Organisationen.

Kultur und Wirtschaft vereint
«Sie waren Gönner und Mäzenen, auch wenn sie nie so genannt werden wollten. Aber sie ­waren auch nicht zu nobel, für kulturelle Anliegen auf die Strasse zu gehen», erzählt Haldemann. Dabei seien sie mit ihrem leidenschaft­lichen und kritischen Engagement auch einigen Leuten auf die Füsse getreten. «Sie konnten auch mal nerven – mich inbegriffen», sagt der Kurator und lächelt.
Die beiden seien jedoch auch so wichtig gewesen, etwa weil sie das Bürgerliche mit der Kultur und Kunst verbunden haben. «Sie waren als FDPler liberal mit der Kultur – nicht nur mit dem Geld. Das wünscht man sich häufiger», so Haldemann. Dass die Leute unsere Welt ganzheitlich begreifen würden, als Lebensraum, Kulturraum und Wirtschaftsraum.

Zwischen Kunst und 4D-Architektur
So habe auch die Zusammenarbeit des Paares, beide Spezialisten auf ihrem Gebiet, zu immer wieder spannenden Auseinandersetzungen ­geführt. Christine Kamm als Historikerin und Expertin für die Renaissance-Architektur, die Wiener Moderne und die Zuger Architektur und Kunst auf der einen Seite, und Peter Kamm mit seiner innovativen 4D-Architektur auf der anderen, in welcher er ohne tragende Wände flexible Bauten schuf, die mit der Zeit gehen können und Raum und Zeit verbinden.

Peter Kamms architektonische Handschrift findet sich beim Burgbachkeller, dem Letzi-Schulhaus, auf dem Landsgemeinde-Platz, am Rothusweg und beim Berner Inselspital. Und einige historische Zuger Bauten wurden dank des Einsatzes des Ehepaares im Denkmalschutz für die Nachwelt erhalten, die «Athene» oder das «Theilerhaus», viele leider aber auch nicht.

Keine Kunst auf dem Sockel
Die beiden hätten immer die Diskussion ­gesucht – über kulturelle Werte und über die ­Inhalte. «Sie waren auch gute, und leidenschaftlich gerne Gastgeber.» Sie luden Musikerinnen und Musiker ein, liessen Installationen schaffen und verbanden die unterschiedlichsten Menschen bei gutem Essen und Diskussionen. «Sie nahmen sich sehr viel Zeit und auch den Raum für die Kultur und die Leute.» Natürlich sei das auch ein enormes Privileg der Wohlhabenden, ergänzt Haldemann. Doch die Kamms seien ein Beispiel dafür gewesen, wie dieses Privileg ­verantwortungsvoll und mit erstaunlich wenig ­Eitelkeit schöpferisch genutzt werden kann.
Es sei dem Paar nicht um das Verwalten von ­altem Reichtum gegangen. «Die Kunst, auch die alten Werke wurden nicht eingefroren und auf den Sockel gestellt, wie man das teilweise von Sammlungen kennt», so Haldemann. Es sei stets um die Auseinandersetzung mit der Kunst gegangen. «Darum, dass Altes Neues inspiriert und anregt, dass Werke neu gedeutet werden und dadurch ein kultureller Prozess weitergeht, der Tradition und Innovation verbindet.»
So wurden Werke der Stiftung Sammlung Kamm  schon bei der zweiten Ausstellung 1999 im Kunsthaus Zug in einer Form ausgestellt, die wohl viele Sammlerinnen und Sammler niemals zugelassen hätten. Eine Sammlung, die die ­bedeutendste Kollektion der Wiener Moderne in Europa ausserhalb Österreichs umfasst, aus dem Nachlass von Fritz Kamm und Editha Kamm-Ehrbar, von den Kindern Peter und Christa Kamm mit Christine Kamm 1998 gegründet. So hängte Haldemann die Klimts und Schieles mit der Rückseite zu den Betrachterinnen und Betrachtern auf und liess sie die andere Seite entdecken. «Man durfte die wertvollen ­alten Werke auch mit Neuem mischen und so lebendig halten. Wenn man begründen konnte weshalb, konnte man die Sammlung auch auf den Kopf stellen. Es war ein Vertrauensverhältnis da, das beflügelte», sagt Haldemann.

Nicht nur ein Denkmal
Diesmal aber wird nichts auf den Kopf gestellt. Rund 200 kleine und sehr grosse Werke aus einer Sammlung von rund 5000 Arbeiten werden gezeigt, alle Medien sind vertreten. Und ein wenig kann die Ausstellung auch als Werkschau für Zug gesehen werden. Denn auch wenn die Sammlung mit Namen wie Gustav Klimt oder Egon Schiele aufwarten kann, in ihrem Engagement als Sammler seien sie niemals nur auf die weltberühmten Namen aus gewesen. Auch Zentralschweizer Künstlerinnen und Künstler, die nie über die Region hinaus ausgestellt hatten, finden sich in ihrer Sammlung gut vertreten.

Sammeln nicht nur nach Geschmack
«Sie haben keine ‹Almosen› verteilt, sondern aus Neugier und mit Wertschätzung an der ­Sache gehandelt. Wenn sie die Qualität in ­jemandes Schaffen gesehen haben, haben sie diese Personen teilweise über Jahrzehnte be-
gleitet», so Haldemann. Sie besuchten Vernissagen, trafen sich mit den Kunstschaffenden in ihren Ateliers, knüpften Kontakte und pflegten Freundschaften. Und sie sammelten nicht nur nach «Geschmack». Es sei vorbildlich, wie sie in ihrer Sammlung aussagekräftige Werkgruppen für die Nachwelt aufgenommen hätten, so ­Haldemann. So wird man nun bei «Raum und Zeit» auch zahlreiche Werke von Zuger Künstlerinnen und Künstlern sehen können. Darunter von Anna Margrit Annen, Helena Krähenbühl, Hannah Villiger oder Albert Merz.
Wenn er die ganze Ausstellung betrachte, sei ihm wichtig, dass diese nicht nur der Sammlung und dem Ehepaar Kamm ein Denkmal setzt, ­betont Haldemann. Es soll auch als Inspiration für andere Menschen dienen. «Dafür, wie viel man für die Kultur tun kann – auf viele unterschiedliche Arten.»

(Text: Jana Avanzini)

Hier geht es zur Ausstellung.