Als Pfarrer Wickart eine Bibliothek eröffnen wollte

Brauchtum & Geschichte

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Das erste im Rahmen dieser Serie vorgestellte Objekt – ein Steinkreuz – erinnert an einen illustern Geistlichen aus Zug, welcher den ersten Anlauf zur Gründung einer Stadtbibliothek unternommen hat.

  • Das grosse Steinkreuz mit dem Totenschädel neben der Oswaldkirche stammt von 1757. Es ist von Stadpfarrer Wickart gestiftet worden. (Bild Maria Schmid)
    Das grosse Steinkreuz mit dem Totenschädel neben der Oswaldkirche stammt von 1757. Es ist von Stadpfarrer Wickart gestiftet worden. (Bild Maria Schmid)

Zug – Vermutlich kennen es alle, die sich gelegentlich in der Zuger Altstadt bewegen: jenes eindrückliche Sandstein-Kruzifix mit dem ausdrucksstarken Totenschädel am unteren Ende des Schafts. Dieses Meisterwerk barocker Bildhauerkunst war Gegenstand des allerersten «Hingeschaut»-Beitrages vom 26. September 2012. Im Fokus des Interesses stand damals der Schädel, ein Symbol der Vergänglichkeit, welches als Bestandteil eines Kruzifixes eine starke Botschaft an die Gläubigen vermittelte: Jeder Mensch wird sterben, darf dabei aber auf Erlösung und Aufnahme in Christi Himmelreich hoffen. Ein baulich sehr ähnliches Kreuz steht am Strassenrand in der Zuger Vorstadt beim Regierungsgebäude.

An dieser Stelle wird das Kruzifix bei St. Oswald erneut Objekt des Interesses. Genauer genommen geht es diesmal um dessen Stifter, ein Zuger Geistlicher mit spannender Biografie, namentlich Beat Karl Anton Wolfgang Wickart, ein 1689 geborener Sprössling des Hauptmanns Wolfgang Karl Wickart und dessen Frau Anna Margaretha, eine geborene Zurlauben. Die Eltern hiessen ihren Sohn, sich in französische Söldnerdienste zu begeben. Der erst 23-Jährige fand darin jedoch alles andere als Erfüllung und kehrte zu seinem unterbrochenen Studium zurück. Wickart entschied sich für eine geistliche Laufbahn und wurde Priester. Die Voraussetzungen für eine kirchliche «Karriere» waren für Wickart allein deswegen ideal, weil zwei seiner (Halb-)Onkel mütterlicherseits einflussreiche Äbte waren: Placidus Zurlauben in Muri und Gerold Zurlauben in Rheinau. Sie vermittelten ihrem Neffen Patronatspfarreien der beiden Klöster.

1718 ist Wickart als Pfarrer von Eggenwil bei Bremgarten dokumentiert. Nachdem er dieses Amt dem ebenfalls aus Zug stammenden Hieronymus Weissenbach weitergegeben hatte, ging Wickart nach Bühl und Lottstetten (heute beides Baden-Württemberg). Diese Pfarreien gehörten damals zum Stift Rheinau. 1720 trat Wickart der Lukasbruderschaft bei.

Priesertlich und gerecht

Zurück in die Heimat führe ihn die 1728 die Wahl zum Stadtpfarrer Zugs, und noch im gleichen wurde er zudem Dekan. Überall, wo Wickart wirkte, tat er sich gemäss Aufzeichnungen als gerechtigkeitsliebender, im wahrsten Sinne priesterlicher Mann hervor, der seinen Einfluss wiederholt nutzte, um Ordnung ins kirchliche Leben zu bringen. Und als 1737 in Zug eine Reihe von Hexenprozessen abgehalten wurde, übte er sich in weiser Zurückhaltung – auch wenn dies den Verurteilten freilich wenig genützt haben mag.

1740 schliesslich ernannten die fünf eidgenössischen katholischen Stände Wickart zum Probst des Chorherrenstifts St. Pelagius in Bischofszell. Den Innerschweizern nämlich stand die Kollatur über das thurgauische Kloster zu. Diese neue Verantwortlichkeit hatte keinerlei Einfluss auf Wickarts Amt als Zuger Stadtpfarrer, zumal er als Probst lediglich einmal im Jahr zur Präsenz in Bischofszell verpflichtet war – anlässlich des Festes des heiligen Pelagius.

Pfarrer Wickart hatte mit der Zeit eine beachtliche Zahl an Büchern angesammelt. Im Jahre 1757 veräusserte er seine Privatbibliothek und führte sie mit der seit dem 15. Jahrhundert bestehenden Bibliothek des Magister Johannes Eberhard zusammen. Im Zuge dieses Aktes wollte Pfarrer Wickart eine Stiftung für eine öffentliche Stadtbibliothek gründen. Mangels Interesse seitens der Bevölkerung jedoch scheiterte dieses Vorhaben. Die spätere Zuger Stadtbibliothek startete ihren Betrieb 1836.

Eine Reihe von Todesfällen

Ebenfalls 1757 stiftete Pfarrer Wickart das eingangs vorgestellte Sandsteinkreuz neben der Kirche St. Oswald. Ursprünglich soll am Kreuz eine von Karl Josef Speck gemalte Tafel angebracht gewesen sein mit dem Wappen Wickarts und einem Bildnis desselben, wie er in seiner Bibliothek sitzt.

In der Biografie Wickarts wird im Jahr 1758 ein «grosses Sterben» in Zug erwähnt, welchem offenbar viele Bewohnerinnen und Bewohner zum Opfer fielen. Pfarrer Wolfgang Wickart soll der letzte gewesen sein, welcher sich in diese Serie von Todesfällen einreihte: Er starb am 19. Juli 1758. Das spätbarocke Sandsteinkreuz und gewissermassen die Stadtbibliothek erinnern an den angesehenen Zuger Kirchenmann. (Text von Andreas Faessler)

 

Hinweis In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fund­stücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.