Nacktperformance einer Luzerner Künstlerin fällt ins Wasser

Kunst & Baukultur, Theater & Tanz

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Im Rahmen des «Niche»-Festivals wollte Naira Ramos nackt in der Zuger Öffentlichkeit auftreten – das kam nicht gut an.

  • Naira Ramos muss angezogen bleiben. Bild: zvg
    Naira Ramos muss angezogen bleiben. Bild: zvg
  • Auf dem Burgbachbrunnen hätte eine Hommage an Botticellis «Geburt der Venus» stattfinden sollen. Bild: Matthias Jurt (Zug, 28. 5. 2024)
    Auf dem Burgbachbrunnen hätte eine Hommage an Botticellis «Geburt der Venus» stattfinden sollen. Bild: Matthias Jurt (Zug, 28. 5. 2024)

Zug – Auf dem Schulhausplatz Burgbach steht ein fast 90 Jahre alter Brunnen. Dessen Wassertrog soll eigentlich einen Blütenkelch darstellen. Doch es braucht nicht viel Fantasie, um darin eine Muschel zu erkennen. Hier wollte die Luzerner Künstlerin Naira Ramos eigentlich nackt auftreten. Doch schon im Vorfeld stiess sie auf unerwarteten Widerstand.

Anlass ist «Niche», ein eintägiges Performancefestival, das am 8. Juni in der Zuger Altstadt stattfindet. Einer der drei Kuratoren des Festivals, Ivan Röösli, erklärt: «Wir haben uns bewusst dazu entschieden, das Festival draussen zu veranstalten. Um für Passanten ein Überraschungsmoment zu schaffen.»

Für den Anlass plante Naira Ramos eine Aktion, bei der sie nackt auftreten und im Burgbachbrunnen enden würde. Ramos plante, auf der «Muschel» des Brunnens zu stehen, als Anlehnung an die «Geburt der Venus». Auf dem Gemälde von Sandro Botticelli steht eine Frau nackt in einer Muschel und bedeckt sich mit der Hand. Ramos sagt: «Ich wollte damit das westliche Schönheitsideal kritisieren. Und den Einfluss des männlichen Blicks auf den weiblichen Körper.» Für die Darbietung beantragte die Festivalleitung bei der städtischen Regierung eine Bewilligung. «Um alles richtig zu machen», so Röösli. Doch der Entscheid zog sich hin. Der Antrag wurde weitergereicht: vom Bewilligungsamt zum Regierungsrat bis hin zur Bildungskommission. Die lehnte ihn schliesslich ab.

Der Stadtrat findet den Ort nicht ideal

Dieter Müller, Kommunikationsleiter der Stadt Zug, begründet den Entscheid. Im Prinzip unterstützen die Abteilung Kultur und die politisch zusammengesetzte Kulturkommission das Projekt wie auch die Performance. «Die Stadt Zug erachtet jedoch den von den Kunstschaffenden gewählten Standort Burgbach-Schulhausplatz nicht als ideal», schreibt Müller. Der Platz werde auch ausserhalb der Schulzeiten rege von Kindern zum Spielen genutzt, dies auch an Samstagen und Sonntagen.

Der Stadtrat bot an, dass die Performance am Abend um 20 Uhr im Burgbach-Graben stattfinden könne. Der Gegenvorschlag war mit Auflagen verknüpft. Röösli sagt: «Im Umkreis von 150 Metern sollten wir Warnplakate aufstellen, die auf den Auftritt hinweisen.» Er fügt hinzu: «Die Überlegung war wohl, dass um diese Zeit keine Kinder und Familien mehr unterwegs sind.» Das Problem: Das Festival endet bereits um 17.30 Uhr.

Also hat die Künstlerin umgeplant. Die Performance sollte nun in der Zuger Bauhütte stattfinden. Am Nachmittag, während des Apéros. Doch da gab es ein weiteres Hindernis. Die Katholische Kirchgemeinde Zug ist die Vermieterin der Bauhütte – und war nicht begeistert von der Nacktheit. Marilena Amato Mengis ist die Kommunikationsverantwortliche der Zuger Kirchgemeinde. Ihr zufolge wird die Bauhütte nicht für kommerzielle Zwecke vermietet. Ganz unabhängig von der Art des Anlasses. Schon allein darum hätte die Veranstaltung nicht dort stattfinden können. Zudem: «Es ist selbstredend, dass für eine Nacktperformance jedweder Art die Bauhütte mit den Kirchen als Trägerinnen der falsche Ort wäre.»

Eine emotionale Achterbahnfahrt

Die Festivalleitung musste per Unterschrift bestätigen, dass in der Bauhütte nur ein Apéro stattfindet. Sie fühlt sich vor den Kopf gestossen. «Wir mussten am Ende sehr lange um Lösungen kämpfen. Das ist uns noch nie passiert», so Röösli.

Besonders für die Künstlerin sei es eine emotionale Achterbahnfahrt gewesen. «Das Konzept wurde vom Stadtrat Zug abgelehnt, ohne dass er mir eine konkrete Begründung gab», kritisiert Ramos. Für sie sei es unglaublich, dass allein die Idee, dass eine Frau bei einem Performancefestival kurz nackt als echtes Wesen und Subjekt auftreten würde, so einen Aufschrei auslöse. «Ich meine, ich war noch nicht einmal nackt, da schreien schon alle», so die Künstlerin. Gleichzeitig würden alle schweigen, wenn Frauen in Abbildungen als sexualisierte Objekte dargestellt werden. Das sei in unserer Gesellschaft üblich, so die Künstlerin.

Die Künstlerin bedeckt sich mit Feigenblättern

Dennoch freue sich der Kurator Ivan Röösli auf die bis dato zweite Ausgabe des Festivals. «Wir sind der Stadt Zug dankbar für ihre Unterstützung. Wir wissen, dass der Stadtrat sich um Alternativen bemüht hat», sagt er. Kommt hinzu, dass die Stadt Zug das Festival mit 10 000 Franken unterstützt.

Die Luzerner Künstlerin Naira Ramos wird nicht auf dem Festival auftreten. «Wenn ich meinen Auftritt anpassen würde, wäre es nicht mehr meine Kunst.» Stattdessen arbeite sie an einem Video. Darin thematisiere sie die Herausforderungen, in der Stadt Zug eine Genehmigung für ihren Auftritt zu bekommen. Und spiele mit der Zensur ihres eigenen Körpers. Sie sagt: «Im Video bedecke ich mich mit Feigenblättern. So wie das schon vor 500 Jahren mit Skulpturen gemacht wurde.» Das Video soll während des Festivals im Kino Seefeld zu sehen sein. (Text von Felix Ertle)