Ein kleiner Rest analoger Kultur

Literatur & Gesellschaft, Theater & Tanz

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Trotz strengen Bestimmungen und der Beschränkung auf ein Minimum an Menschen im gleichen Raum haben zwei etablierte Zuger Kulturschaffende eine originelle Alternative gefunden, den Leuten weiterhin Liveshows anzubieten.

  • Ungewohnt, aber virenfrei. Denn nur so kann Kultur noch live stattfinden: Das «Satz & Pfeffer»-Duo Judith Stadlin und Michael van Orsouw hinter ihrer Schutzvorrichtung im Oswalds Eleven. (Bild Maria Schmid)
    Ungewohnt, aber virenfrei. Denn nur so kann Kultur noch live stattfinden: Das «Satz & Pfeffer»-Duo Judith Stadlin und Michael van Orsouw hinter ihrer Schutzvorrichtung im Oswalds Eleven. (Bild Maria Schmid)

Zug – Und wieder trifft es die Kulturschaffenden besonders hart – wegen des nervigen Virus sind fast alle Veranstaltungen annulliert, auf Bühnen und in Zuschauerräumen bleibt’sstillund leer. Und trotzdem gibt es sie, die kleinen Ausnahmen. Wo kreative Köpfe der Pandemie die Stirn bieten wollen, sind Ideen entstanden. So etwa bei Judith Stadlin und Michael van Orsouw, den beiden Zuger Bühnenliteraten von «Satz & Pfeffer», die in ihrem kleinen, aber feinen Etablissement Oswalds Eleven seit 13 Jahren mit wortgewaltigen Gästen und auch persönlich für ein volles Haus sorgen.

Als das Kulturleben im Frühjahr zum ersten Mal zu Erliegen kam und auch sie alle geplanten Shows absagen mussten, hoben sie als Alternative kurzerhand ihre «Corona-Socialdistance-Sondershow», auch «CoSoSo» genannt, aus der Taufe. Ideengeber dafür war König Ludwig II. von Bayern, mit dem sich Michael van Orsouw für sein neues Buch «Blaues Blut. Royale Geschichten aus der Schweiz» ausgiebig beschäftigt hatte und mit dessen Eigenheiten er sich entsprechend auskennt. «Ludwig hat uns insofern inspiriert, als er in Sachen Theater quasi ein Pionier des Social Distancings war», sagt van Orsouw. «Weil er so menschenscheu war, liess er ganze Opern für sich allein aufführen – er sass als einziger Zuschauer in der Münchner Residenzoper.» So ist der bayrische König für die CoSoSo zum Vorbild geworden: Mit dem Lockdown fanden die Shows nunmehr auf privater Basis statt, und maximal die jeweils erlaubte Publikumszahl wurde ins Oswalds Eleven gelassen. «Mal kam nur ein Ehepaar, dann eine vierköpfige Familie, oder einer lud acht Bekannte ein», sagt Judith Stadlin rückblickend. Man konnte die beiden Zuger also individuell und zu jeder Tageszeit buchen und aus zwei Soloshows wählen – «Häschtääg zunderobsi» von und mit Judith Stadlin oder «Kronen statt Corona» von und mit Michael van Orsouw. Es war damit eine originelle Alternative gefunden, die wenigstens ein kleines bisschen über das reiche, ursprünglich geplante Programm hinwegzutrösten vermochte.

Königliche Unterhaltung in kleinstem Rahmen

Mit den neuerlichen straffen Coronabestimmungen sind bei Privatanlässen maximal zehn Personen in einem Raum erlaubt – also neben den beiden Gastgebern noch acht Zuschauerinnen und Zuschauer. Mit Plexiglaswänden vor der Bühne und zwischen den Stühlen, reichlich Desinfektionsmittel und coronakonform bereitgestellten Getränken und Snacks sorgen die beiden ganz legal für königliche Unterhaltung im rein privaten Rahmen. «Das war alles recht gewöhnungsbedürftig, zumindest am Anfang», räumt Judith Stadlin ein. Es hat aber durchaus seine positiven Seiten. «Man nimmt die Reaktion jedes Einzelnen viel besser und intensiver wahr und erhält ein gutes Gespür, wie man auf die Leute wirkt», schildern die beiden ihre Erfahrung. Eine neue Herausforderung jedoch ist die nun geltende Maskenpflicht im Raum. «Wenn man nur die Augenpartie der Leute sieht, wird es schwieriger, ihre Reaktionen abzulesen und zu decodieren», so Michael van Orsouw. «Auch sind die Besucherinnen und Besucher allgemein etwas gehemmter in solch kleinem Rahmen», weiss Judith Stadlin. «Aber das gibt sich jeweils schnell.»

Die zweite Pandemiewelle gestaltet sich auch für die beiden Zuger und ihre CoSoSo noch schwieriger – die Unsicherheit ist gross, Buchungen werden vermehrt storniert. Und trotzdem: «Die kulturhungrigen Leute haben von den digitalen Alternativen genug und ein grosses Bedürfnis nach den gewohnten analogen Anlässen», sagt Michael van Orsouw. Entsprechend gut kommt denn auch die CoSoSo an, welche derzeit nach Aussage des «Satz & Pfeffer»-Teams eine der wenigen privaten, noch analog stattfindenden Kulturanlässe in der Region ist.

Beitrag an die Gesundheit der Gesellschaft

Aber: Obschon die beiden Zuger mit ihrer aus der Not geborenen Alternative etwas Einzigartiges geschaffen haben – «aus beruflicher Sicht ist die ganze Situation sehr belastend», sagen sie. «Seit März haben wir das Konzept sechs Mal angepasst. Das geht allmählich an die Substanz.» Aber die CoSoSo ist Judith Stadlins und Michael van Orsouws Beitrag, in Zeiten wie diesen wenigstens ein kleines Stück analoges Kulturleben aufrechtzuerhalten. «Es sind nicht nur Medikamente und Impfungen, was die Gesellschaft gesund hält», sagt Judith Stadlin abschliessend. «Soziale Begegnungen und Kulturgeschehen tragen einen wesentlichen Teil dazu bei.»

Buchungen können jederzeit per E-Mail unter booking@lesebuehne.ch getätigt werden. Weitere Infos und Buchungen unter www.satzundpfeffer.ch. (Andreas Faessler)

Hinweis
In unserer Serie stellen wir Menschen vor, die in der Coronazeit neue Geschäftsmodelle entwickelt oder beruflich einen neuen Weg eingeschlagen haben.