Ein Leben für die Ingenbohler Schwestern

Dies & Das

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Maria Diomira Brandenberg (1880-1959) aus Zug hat das Kloster Ingenbohl und seine Provinzen durch schwierige Zeiten geführt. Während ihres Wirkens hat die Generaloberin viele Bürden auf sich genommen, ihren «zugerischen Frohsinn» jedoch nie verloren. Eine Biografie.

  • Auf dem Schwesternfriedhof des Klosters Ingenbohl hat Generaloberin Maria Diomira Brandenberg ihre letzte Ruhestätte gefunden. Kleines Bild unten: Durch ihre Vermittlung hat die Schweizer Regierung im April1945 für das Kloster Hegne nahe Konstanz einen Schutzbrief erlassen. (Bilder Maria Schmid, Archive Kloster Ingenbohl und Kloster Hegne)
    Auf dem Schwesternfriedhof des Klosters Ingenbohl hat Generaloberin Maria Diomira Brandenberg ihre letzte Ruhestätte gefunden. Kleines Bild unten: Durch ihre Vermittlung hat die Schweizer Regierung im April1945 für das Kloster Hegne nahe Konstanz einen Schutzbrief erlassen. (Bilder Maria Schmid, Archive Kloster Ingenbohl und Kloster Hegne)

Zug – Was für ein schöner Ort, um zur ewigen Ruhe gebettet zu werden, hier im Waldstück oberhalb des Theresianums in Ingenbohl. Ein heller, freundlicher Flecken mitten in der Natur, es reihen sich die Grabstätten der verblichenen Ordensschwestern des Klosters Ingenbohl. Die Generaloberinnen sind in der Vorhalle der Friedhofskapelle unter schweren Grabplatten beigesetzt. Dort finden wir die Grablege der wohlehrwürdigen Mutter Maria Diomira Brandenberg. Die gebürtige Zugerin ist als wichtige Protagonistin mit grosser Strahlkraft und Vorbildhaftigkeit in die Geschichte des Klosters Ingenbohl eingegangen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie die Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz sowohl im Mutterhaus wie auch an den zahlreichen Niederlassungen jenseits der Landesgrenze so gut, wie es die schwierigen Umstände ermöglicht haben, durch die letzten drei Jahre des Zweiten Weltkrieges und durch die Nachkriegszeit geführt hat.

Am 3. November 1880 in Zug als Tochter des Georg und der Maria Brandenberg-Strübi geboren, verlor das auf den Namen Maria getaufte Mädchen als gerade mal 11-Jährige innert nur eines halben Jahres beide Elternteile. Sie blieb in der Obhut ihrer älteren Schwester Frieda. Die tiefe Gläubigkeit der Eltern hatte sich auf die Vollwaisen übertragen, woraus sie ihre Lebenskraft schöpften. Am 16. September 1898 trat Maria als Novizin ins unweit ihrer Heimat gelegene Kloster Ingenbohl ein. Sie liess sich im Institut zur Lehrerin ausbilden und legte am 8. September 1903 ihre Profess als Schwester Maria Diomira ab.

Einsatz im Schulwesen und in der Krankenpflege

Als junge Lehrkraft verliess Diomira Ingenbohl, um zwei Jahrzehnte lang an der Hofschule in Chur die Primar- und Sekundarklassen zu unterrichten. Mit einem reichen pädagogischen Erfahrungsschatz kehrte die Zugerin 1923 ins Mutterhaus zurück, wo sie die Leitung des Postulats – die Ausbildung des Ordensnachwuchses – übernahm. Ab 1929 hatte sie zudem das Amt der Novizenmeisterin inne, um 1933 wurde sie zur Generalvikarin der Kongregation ernannt.

Ein weiterer wichtiger Schritt folgte sechs Jahre später gleichzeitig zum Kriegsausbruch: Diomira Brandenberg wurde nach Rom berufen an die Quisisana, eine von den Ingenbohler Schwestern geleitete Klinik. Als fürsorgliche Oberin der Einrichtung genoss sie sowohl bei ihren Untergebenen wie auch bei der Geistlichkeit grosses Ansehen und fungierte zuweilen als Botschafterin zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Mutterhaus in Ingenbohl. Sie war stark um den Ausbau der Klinik bemüht und – wie schon in Ingenbohl – um die Arbeit mit der Ordensjugend.

Schutzbrief für Hegne

Im Jahre 1941 verstarb die amtierende Ingenbohler Generaloberin Mutter Agnes Schenk. Das Generalkapitel wählte daraufhin Diomira Brandenberg zu deren Nachfolgerin. Sie stand nun einem Institut vor, welchem weltweit rund 10000 Ordensschwestern an fast 1000 Niederlassungen angehörten. Zurück in Ingenbohl wartete auf sie insofern eine grosse Aufgabe, als sie angesichts des sich voll in Gange befindenden Zweiten Weltkrieges die internationale Kongregation so gut wie möglich zusammen- und am Laufen zu halten hatte. Insbesondere um die Niederlassungen in von den Nationalsozialisten besetzten Gebieten musste das Mutterhaus bangen.

Hier ist eine besondere Erfolgsgeschichte im Zusammenhang mit dem badensischen Kloster Hegne zu verzeichnen, bei der Mutter Diomira Brandenberg durch geschickte Vermittlung von der Schweizer Regierung einen Schutzbrief erwirken konnte, wonach das unweit von Konstanz gelegene Kloster von Plünderungsaktionen durch die Franzosen verschont geblieben ist. Das zur Kongregation der Ingenbohler Schwestern gehörende Kloster am Bodensee sah sich im April 1945 in grosser Not: Durch die heranrückenden französischen Truppen befürchtete man ein Bombardement der Stadt Konstanz und damit einhergehend eine Verwüstung der umliegenden Ortschaften. Wie die Hegner Klosterchronistin Schwester Modesta Hug (1894-1978) aufzeichnet, ergriff sie angesichts der bedrohlichen Lage persönlich die Initiative und machte sich am 23. April unter gefährlichen Umständen zu Fuss auf über die Grenze nach Kreuzlingen. Dort wollte sie nach einer Möglichkeit suchen, telefonisch Mutter Diomira in Ingenbohl für die Erwirkung eines Schutzbriefes zu bitten. Der Hilferuf gelang, aus Ingenbohl folgte die Zusicherung, sich sofort um die Angelegenheit zu kümmern. Während die Schwestern in Hegne auf Bescheid aus der Schweiz warteten – so hält die Chronistin weiter fest –, beschäftigten sie sich damit, Hakenkreuzflaggen zu Schweizer Flaggen umzunähen.

Mutter Diomira hatte derweil Erfolg: Ihrem Gesuch bei der Schweizer Regierung wurde stattgegeben. Am 25. April fuhr ein Wagen mit Schweizer Kennzeichen in den Hegner Klosterhof. Vom Schweizer Konsul erhielten die Ordensfrauen das sehnlichst erwartete Dokument überreicht. In der folgenden Nacht hissten die Hegner Schwestern die ehemaligen Hakenkreuz- und nunmehr Schweizer Fahnen. So sollten die heranrückenden Truppen schon von weitem erkennen, dass das Kloster unter Schweizer Protektion steht. Die Dorfbevölkerung fand Schutz im klösterlichen Kartoffelkeller, bis die Gefahr gebannt war. So ist das Nonnenkloster jenseits der Schweizer Grenze mitsamt der Dorfbevölkerung von den Franzosen unbehelligt geblieben – dank der Vermittlung durch Diomira Brandenberg.

Schwierige Jahre nach dem Krieg

Die Nachkriegszeit war für die Ingenbohler Generaloberin besonders herausfordernd, denn jetzt ging das Ringen um den Bestand der Provinzen ausserhalb der Schweiz erst richtig los. Im Osten Europas lagen einige der prosperierendsten Niederlassungen mit über 3000 Schwestern. Durch den Eisernen Vorhang waren diese vom Mutterhaus komplett abgeschottet, ihre weitere Existenz entsprechend ungewiss. Im Oktober 1945 erhielt Diomira Brandenberg die Erlaubnis, die am meisten gefährdete Provinz Böhmen zu besuchen. Es folgten Jahre der Vermittlung mit Hilfe des Bundesrates und des Schweizerischen Roten Kreuzes. Dank dieser diplomatischen Bemühungen der Generaloberin konnten später viele deutschsprachige Ordensschwestern aus dem Osten in die Schweiz und nach Bayern ausgesiedelt werden. Mutter Diomira unternahm alles in ihrer Macht stehende, um den Unterhalt der Aussenprovinzen und die Existenz ihrer dortigen Mitschwestern zu sichern. Viele Niederlassungen jedoch wurden in den kommenden Jahren aufgelöst.

Mutter Maria Theresias geistiges Erbe

Die Generaloberin nahm die unvermeidlichen Verluste hin, verlor jedoch nichts an Tatendrang und widmete sich nun besonders der Förderung und dem Ausbau von Schul- und Gesundheitseinrichtungen in der Schweiz. Mit ihrer durch und durch karitativen Mission trug Maria Diomira Brandenberg das geistige Erbe der seligen Mutter Maria Theresia Scherer (1825-1888), erste Generaloberin in Ingenbohl, weiter.

Der 28. September 1953 war ein grosser Tag für das Kloster Ingenbohl und insbesondere für Diomira Brandenberg: An diesem Tag feierte sie gemeinsam mit 23 weiteren Schwestern ihre goldene Profess – 50 Jahre. In der Geschichte des Klosters Ingenbohl war sie die erste Generaloberin, welcher dieses Jubiläum während des Amtes zuteilwurde. Es war ein Fest, das bis in die entfernteste Provinz auf der anderen Seite des Erdballs strahlte.

Ein Jahr später, am 4. August 1954, legte Diomira Brandenberg ihr Amt als Generaloberin der Ingenbohler Schwestern ab. Ihre Nachfolgerin wurde Elena Giorgetti. Schwester Diomira begab sich wieder nach Rom an die Quisisana, wo sie erneut als Oberin und als Generalprokuratorin die Geschicke der Institution leitete. Dies bis im Mai 1959, als ihre Kräfte so weit nachgelassen hatten, dass sie die Quisisana verliess und sich ins Klinikum Sant’Agnese in Locarno begab. Auch dieses Krankenhaus wurde von den Ingenbohler Schwestern geführt. Dort verblieb Diomira Brandenberg einen Monat lang und kehrte schliesslich ins Mutterhaus nach Ingenbohl zurück, wohl darum wissend, dass ihr nicht mehr viel Zeit auf Erden bleiben würde. Am 18. September 1959, am Kreuzerhöhungsfest, entschlief Schwester Maria Diomira Brandenberg friedlich in ihrem Krankenbett in Ingenbohl.

Grosse Anteilnahme an der Beisetzung

Das hohe Ansehen der Ordensfrau, der grosse Respekt ihrer Person gegenüber für ihre Aufopferung und Tatkraft zeitlebens wurden durch die hohe Anteilnahme an ihrem Begräbnis am 22. September 1959 besonders greifbar. Ein Reporter der «Neuen Zürcher Nachrichten» war vor Ort und hat im Anschluss über die Zeremonie berichtet. Demnach haben sich an diesem prächtigen Herbsttag scharenweise Trauernde – darunter zahlreiche illustre geistliche wie weltliche Persönlichkeiten – eingefunden, um der Verblichenen die letzte Ehre zu erweisen. Die Trauerrede in der Klosterkirche wurde vom damaligen Churer Weihbischof Johannes Vonderach (1916-1994) gehalten. Die Einsegnung von Diomira Brandenbergs sterblicher Hülle auf dem Schwesternfriedhof nahm der ungarischstämmige Feldbischof Stephan Hasz (1884-1973) aus Unterägeri vor, dem sich die Zugerin stets stark verbunden gefühlt hatte. In seiner Trauerrede würdigte der aus dem Schächental stammende Weihbischof Vonderach die Verstorbene in hohem Masse. Er beschrieb Maria Diomira Brandenberg als eine ausserordentlich pflichtbewusste Frau, die ihrer Arbeit mit Strenge gleichermassen wie mit Güte und viel Zielsicherheit nachging. Den Jugendlichen gegenüber hatte sie die Gabe, in diesen die Begeisterungsfähigkeit zu wecken und ihnen so ihre hohen Ideale zu vermitteln.

Maria Diomira Brandenberg hat sich im Kreise der Ingenbohler Schwestern als ehrenwerte Ordens­vorsteherin, als «mulier fortis» – eine starke Frau – hervorgetan, so sagte Bischof Vonderach in seiner Rede sinngemäss weiter. Eine Frau, die trotz all den Bürden der Kriegs- und Nachkriegsjahre und den sonstigen «Lebensstürmen» nie ihren «zugerischen Frohsinn» verloren hatte. (Andreas Faessler)

Hinweis
Mit «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.