Die Zuger Tradition erlebt wohl neuen Besucherrekord

Brauchtum & Geschichte

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Das «Bäckermöhli» lockt viele Kinder in den frühen Abendstunden in die Stadt. Aber auch einige Pensionäre dürfen sich freuen.

  • Vor dem Hotel Ochsen gab es gestern Nach­mittag fast kein Durchkommen. Alle hofften, beim «Grande Finale» vor dem Restaurant Acklin eine Leckerei zu fangen. (Bild Christian Herbert Hildebrand)
    Vor dem Hotel Ochsen gab es gestern Nach­mittag fast kein Durchkommen. Alle hofften, beim «Grande Finale» vor dem Restaurant Acklin eine Leckerei zu fangen. (Bild Christian Herbert Hildebrand)

Zug – «Bäckermöhli, Bäckermöhli», so schallte es gestern Nachmittag durch die verschneiten Zuger Gassen. Vor dem Restaurant Ochsen am Kolinplatz hat sich Gross und Klein versammelt und schaut gebannt nach oben. Punkt 16.15 Uhr öffnen sich die Türen des kleinen Balkons, und der traditionelle, uralte Zuger Brauch wird einmal mehr lebendig. Die Zunft der Müller, Bäcker und Zuckerbäcker, die seit 1688 besteht, wird auch noch im Jahr 2015 mit Leidenschaft gelebt. Denn kaum sind die Pforten geöffnet, fliegen die Guetzli, «Zunftmutschli», Weggli, Wienerli und Orangen mit viel Schwung durch die Luft. Die Mitglieder der Zunft und Bruderschaft der Stadt Zug fordern Einsatz. Gratis gibt es hier nichts. Noch lauter sollen die Kinder schreien. Die Menge wird angefeuert. «Und von den Grossen genügt ein Lächeln», sagt Josef Huwyler von der Zunft der Bauleute mit einem Schmunzeln im Gesicht.

Viel Lärm und ein Lacher

Immer lauter und fordernder schreien derweil die Kinder, und sie strecken ihre Hände aufgeregt in die Luft. «Ich finde es megatoll und eine spezielle Tradition», sagt Cornelia Bienz. Zusammen mit ihrem Sohn Mathias Bienz wohnt sie dem Zuger Brauchtum jedes Jahr bei. In der Hektik und im Kampf um die vielen guten Sachen geht plötzlich ein Lachen durch die Menge. Der Grund: Ein kleines Schneebrett ergiesst sich vom Dach des Hotels Ochsen über die anwesenden Zunftleute der Müller und Bäcker.

«Die Begeisterung für uns ist, dass wir diese Freude für die Tradition in einem schönen Moment miteinander teilen können», sagt Felix Horber, Obmann der Zunft der Müller, Bäcker und Zuckerbäcker der Stadt Zug. «Die Zeit bleibt für einen kurzen Moment stehen, und wir können das mit den anwesenden Zugern für einen Augenblick geniessen», fügt Horber begeistert an. Bereits gestern Morgen waren die Zünfter unterwegs in Kindergärten in der Stadt Zug.

Ein geordneter Platzwechsel

«Diese Tradition ist Teil der Identität von Zug, und die Begeisterung dafür soll bereits früh geweckt werden», erklärt der Obmann der Müller-Zunft. Nach der grossen Bescherung vor dem «Ochsen» bewegt sich die ganze Menge in Richtung Zytturm zum Restaurant Aklin. Dort findet das «Grande Finale» statt. Wer da nicht aufpasst, wird plötzlich unfreiwillig zur Zielscheibe für Weggli und Wurst. «Schon als kleines Kind war ich immer dabei», so die Zugerin Andrea Herzog. Auch eine Grossmutter und ihre Enkelkinder sind stolz auf ihren prall gefüllten Sack mit allerlei Leckereien. «Wir sind jedes Jahr dabei», sagt sie lachend, «und das gibt gerade noch ein Znacht.»

Ein Anlass, der viele anlockt

Im Anschluss machen sich die Zünftler auf zu einem vorgängig ausgewählten Altersheim, das mit einem grossen Zopf beschenkt wird. Trotz der Kälte sind viele Kinder und Besucher anwesend. «Bereits letztes Jahr wurde von einem Besucherrekord gesprochen, wahrscheinlich wurde der gerade nochmals übertroffen», sagt Horber. Langsam bricht die Dämmerung übers Zugerland herein. Und schon bald ist auch der «Spuk» vorbei. Das letzte Weggli ist geworfen, das Rufen der Kinder verstummt, und in den Gassen der Zuger Altstadt kehrt wieder Ruhe ein bis zum nächsten «Bäckermöhli» im kommenden Jahr. (Carina Blaser)