Eine Frau, die ihrer Zeit voraus war

Brauchtum & Geschichte

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In der reformierten Kirche Mittenägeri ist mit «Die illegale Pfarrerin» eine Hörausstellung eröffnet worden, die das facettenreiche Leben der Greti Caprez-Roffler beleuchtet.

Unterägeri – Christina Caprez wusste schon immer, dass ihre Grossmutter eine aussergewöhnliche Frau gewesen war. Vor sechs Jahren ergab sich für die Enkelin die Gelegenheit, zusammen mit dem Institut für Kulturforschung Graubünden sich ein- gehend mit der Lebensgeschichte von Greti Caprez-Roffler zu beschäftigen.

Diese wurde 1931 mit 25 Jahren im Bündner Bergdorf Furna als erste Frau zur Pfarrerin gewählt, sprach offen über Tabuthemen und stand als Mutter von sechs Kindern für die Emanzipation der Frau. «Ich fasste den Plan, ein Buch über ihr Leben zu schreiben», erzählt die Soziologin, Autorin und Journalistin, «doch das Projekt wurde immer grösser und so entstanden zusätzlich ein Film sowie diese Ausstellung.» Das Leben ihrer Grossmutter sei durch Tagebücher, Briefe und Fotos im Familienbesitz reichlich dokumentiert, erläutert Caprez weiter: «Ich erkannte bald, welcher Schatz da auf dem Dachboden lagerte. Archiv-Suchen und Gespräche mit Zeitzeugen halfen, die Geschichte zu einem erstaunlichen Ganzen zu formen.»

Caprez hat am vergangenen Mittwochabend musikalisch umrahmt mit Sologesang und Piano von Evi Huonder in der reformierten Kirche Unterägeri referiert. Dort ist die Hörausstellung «Die illegale Pfarrerin» eröffnet worden, die auf dem gleichnamigen Buch von Caprez basiert und die bis am 9. September jeweils von 8 bis 20 Uhr geöffnet haben wird.

Zahlreiche Besucher haben den Weg in die Kirche gefunden – coronabedingt ist nur jede zweite Sitzreihe besetzt. Inge Rother-Schmid, Pfarrerin des Bezirks Ägeri, begrüsst die Referentin feierlich und verrät ihren persönlichen Bezugspunkt mit Greti Caprez-Roffler. Diese beendete ihr Pfarramts-Engagement in den fünf Gemeinden des Rheinwald (Graubünden), während sie ihr eigenes in derselbigen Talschaft angetreten habe.

Christina Caprez gelingt es, die Zuhörenden mit detailgetreuen Ausführungen über ihre Grossmutter in den Bann zu ziehen. Bilder der Lebensabschnitte liefern authentische Einblicke in die damalige Zeit und die gesellschaftlichen Verhältnisse. Ein persönliches Bild zeigt die Referentin als Kleinkind neben ihrer Grossmutter, als sie erste unsichere Schritte wagt. Schmunzelnd stellt Caprez fest, dass die Pfarrerin ihr auch bezüglich ihres feministischen Weltbildes das Laufen beigebracht hätte. Studieren sei damals für Männer gewesen – davon liess sich Greti Caprez-Roffler nicht beirren und absolvierte in Zürich das Theologiestudium: «Dort verliebte sie sich in meinen Grossvater», führt Christina Caprez aus.

Immer wieder mit der Konvention gebrochen

In der Folge heiratete sie, wurde erstmals schwanger und unterstrich gleichzeitig ihre Ambitionen als Pfarrerin, womit sie erneut mit den Konventionen gebrochen habe. Die einstimmige Wahl zur Pfarrerin der Berggemeinde Furna habe die kantonalen Behörden erzürnt. «Dennoch blieb sie ihrer Berufung treu, enttabuisierte die Sexualität, lehrte ihre Söhne das Stricken und sorgte dafür, dass die Mädchen im Winter auf dem Schulweg die Röcke durch Skihosen ersetzen durften.» Sie sei eine lebensbejahende, willensstarke und komplexe Persönlichkeit gewesen, die auch hart und dominant hätte sein können.

Die Hörausstellung beinhaltet sechs Guckkästen mit Hörgeschichten, Fotos und Alltagsobjekten aus dem Leben von Greti Caprez-Roffler – sie freue sich auf das Feedback aus dem ganzen Kanton, so Caprez abschliessend mit einem Lächeln.

Hinweis
Mehr Infos zur Ausstellung «Die illegale Pfarrerin» und zum Kauf des gleichnamigen Buches sind auf www.dieillegalepfarrerin.ch zu finden.