Von Palmetten inspiriert
Brauchtum & Geschichte
Das Zuger Regierungsgebäude repräsentiert beispielhaft die neoklassizistische Baukunst. Ein besonderes Zierelement prägt das Erscheinungsbild des Bauwerks zur Seeseite hin massgeblich.
Zug – Das Zuger Regierungsgebäude entstand 1869 bis 1873 nach Plänen von Johann Caspar Wolff (1818–1891). Es gilt mit seiner streng gegliederten Fassade und einem symmetrischen Baukörper als eines der herausragenden Beispiele neoklassizistischer Architektur in der Schweiz. Die Hauptfassade ist zwar gegen den Postplatz ausgerichtet, der Wiedererkennungswert des Gebäudes liegt jedoch genauso in der seeseitigen Ansicht, wo der markante Mitteltrakt einen grossen Dreiecksgiebel trägt. Am Quai vollständig frei stehend, prägt das Regierungsgebäude die Ansicht der Stadt Zug wesentlich mit.
Auf der Giebelspitze prangt ein besonderes Architektur-Element, dem hier das Hauptaugenmerk gelten soll. Es ist ein steinernes Gebilde mit regelmässig angeordneten Blätterformen, die regelmässig um einen Kern herum angeordnet ein knappes Zweidrittelrund bilden. Dieses blütenartige Objekt ruht auf zwei Voluten (schneckenförmige Zierelemente).
Formenwandel und zurück zum Ursprung
Bei diesem im Falle des Zuger Regierungsgebäudes verhältnismässig grossformatig und prominent platzierten Giebelschmuck handelt es sich um ein sogenanntes Akroterion (griechisch: «oberste Spitze»). Gebilde mit dieser wohlklingenden Bezeichnung, die meist von Palmetten oder Akanthus-Blättern inspiriert sind, tauchten bereits bei den frühesten griechischen Tempelbauten auf. Sie hatten stets eine rein zierende Funktion und setzten hauptsächlich an Giebelspitzen oder Enden Akzente, die den Gebäudeumriss optisch auflockern.
Während die antiken Griechen ihre Akroterien häufig aus Terrakotta brannten, adaptierten die Römer sie vornehmlich in Stein gemeisselt. Sie erscheinen zuweilen stark angereichert mit figuralem Schmuck. Im Laufe der Jahrhunderte nahmen Giebelbekrönungen unterschiedliche Formen an, seien es Obelisken, Figuren, religiöse Symbole, Wappenkartuschen oder türmchenartige Aufsätze.
Im späten 18. Jahrhundert fanden Akroterien als Zierelemente kaum mehr Anwendung. Erst mit dem Berliner Stadtplaner und Architekten Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) kehrte das klassische Akroterion wieder zurück ins Formeninventar der Architektur und wurde insbesondere bei Repräsentativbauten des Neoklassizismus häufig verwendet. Auch unser Beispiel des Zuger Regierungsgebäudes lehnt sich stark an die ursprüngliche, klassische Form des Akroterions an – so wollte es die sich auf alte Stile zurückbesinnende Formensprache. Wer auf dem unteren Postplatz steht und die Schaufassade des Bauwerks aufmerksam betrachtet, findet auf der Attika des Mittelrisalits zwischen den beiden liegenden, geflügelten Löwenfiguren vier Paare an Palmettenaufsätzen, die mit dem eigentlichen Akroterion eng verwandt sind, aufgrund ihrer verkleinerten Ausführung jedoch nicht auf Anhieb ins Auge fallen. Sie präsentieren sich jedoch in einer reicheren Gestaltung mit doppelten Voluten und hohen Konsolen. (Text von Andreas Faessler)