Stilles Gedenken an eine Tragödie

Brauchtum & Geschichte

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Ein grosser Steinblock mit Inschriftentafel und poetischen Worten erinnert am Seeufer an ein folgenschweres Ereignis, welches als Zuger «Vorstadtkatastrophe» in die Geschichte eingegangen ist.

  • Gross und schwer, doch tröstlich und versöhnlich erinnert das steinerne Denkmal beim Schiffsteg an die Zuger «Vorstadt-Katastrophe» von 1887. (Bild Stefan Kaiser)
    Gross und schwer, doch tröstlich und versöhnlich erinnert das steinerne Denkmal beim Schiffsteg an die Zuger «Vorstadt-Katastrophe» von 1887. (Bild Stefan Kaiser)
Zug – Der 5. Juli 1887 ist als einer der schwärzesten Tage in die jüngere Geschichte der Stadt Zug eingegangen. An jenem Tag rutschte eine ganze Häuserreihe der Zuger Vorstadt in den See, nachdem der instabile Uferbereich nachgegeben hatte. Es kam urplötzlich, aber im Grunde nicht überraschend. Bereits in den Jahren zuvor nämlich war anhand auffälliger Risse festgestellt worden, dass der Untergrund in Bewegung sein musste. Doch war den beunruhigenden Vorzeichen zuwenig Beachtung geschenkt worden. Das Szenario muss apokalyptisch gewesen sein, als die rund 35 Gebäude entlang des Ufers unter Getöse wie Kartenhäuser in sich zusammenfielen und als Trümmerhaufen im See endeten. Elf Menschen verloren dabei ihr Leben, über 600 ihr Obdach sowie gesamtes Hab und Gut. Wo die versunkene Häuserreihe gestanden hat, liegt heute die «Katastrophenbucht» – zwischen der Rössliwiese und der Schiffsanlegestelle Bahnhofsteg.

Neben dieser steht ein augenfälliges Denkmal, welches an das einschneidende Ereignis erinnert. Es ist ein weit übermannshoher, am oberen Ende spitz zulaufender Findling. Er erinnert als stummes Mahnmal an den schicksalhaften 5. Juli 1887. In seine Front ist eine hochrechteckige Nische getrieben, in diese eine Bronzetafel eingelassen. Sie ist versehen mit der Jahreszahl 1897, was darauf schliessen lässt, dass das Denkmal zum zehnjährigen Gedenktag an die Katastrophe aufgestellt worden ist. Auf der Tafel sind das Datum der Katastrophe und die Verluste vermerkt. Darunter folgen poetische Zeilen. Ihr Wortlaut:

Wanderer im Morgenschein, Grüsse diesen Felsenstein! Soll ein Ehrendenkmal sein! Menschen starben in der Flut, Glück in Scherben, Heim u. Gut! – Doch es leuchtet nah u. fern ... Höher noch wie Fels u. Stern, Still empor zu Gottes Rat Ragt der Eidgenossen That! Erde weichen, Sonn’ u. Licht, Doch die Bruderliebe nicht!

Steht der schwere Block wie ein stummes Grabmonument für den verschwundenen Stadtteil und die Todesopfer, so wirken die Worte auf der Platte tröstlich, zeugen sie doch von der grossen Solidarität, welche Zug in jener schweren Zeit erfahren hat. Sie stammen aus der Feder der Nidwaldner Schriftstellerin und Dichterin Isabelle Kaiser (1866-1925), die ab 1879 viele Jahre in Zug gelebt hat. Ihre poetischen Beiträge gehörten während jener Zeit und darüber hinaus unter anderem zum inhaltlichen Konzept der traditionellen Zuger Neujahrsblätter. Auf der vom Stuttgarter Kunstgiesser Paul Stotz geschaffenen Tafel am Denkmal ist am Ende der Verse der Name der Dichterin vermerkt, allerdings «eingezugert» als «Keiser». Versehen oder so gewollt? Es bleibt dahingestellt. (Andreas Faessler)

Hinweis
Mit «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.