Das Haus mit dem schrägen Balkon

Dies & Das

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Ein aus architekturhistorischer Sicht für Zug einzigartiges Gebäude an der Chamerstrasse fällt durch ein kleines Detail auf. Man möchte meinen, dem Architekten sei vor rund 180 Jahren ein Fehler unterlaufen.

  • Wenn man darauf achtet, erkennt man es gut: Der Balkon des «Platanenhofes» an der Chamerstrasse steht nicht ganz im rechten Winkel zur Hausfassade. (Stefan Kaiser)
    Wenn man darauf achtet, erkennt man es gut: Der Balkon des «Platanenhofes» an der Chamerstrasse steht nicht ganz im rechten Winkel zur Hausfassade. (Stefan Kaiser)

Zug – Die Adresse Chamerstrasse 22 ist insofern bemerkenswert, als es sich hierbei um eines der bedeutendsten Beispiele von Zuger Wohnarchitektur des strengen Klassizismus handelt. Errichtet worden ist das stattliche Gebäude entweder um 1830 oder 1842 – je nach Quelle. Aufzeichnungen zufolge fiel die Bauzeit hauptsächlich auf den Winter, und dieser war im entsprechenden Jahr so kalt, dass der See dick zugefroren war. Die Baumaterialien für das Gebäude sollen über den vereisten Zugersee herbeigeschafft worden sein.

Der verantwortlich zeichnende Architekt ist nicht bekannt, der Bauherr hingegen schon, namentlich war dies ein gewisser Altrat Caspar Brandenberg. Dem Anschein nach ein nicht ganz unvermögender Mann, sind Dimensionen und Erscheinungsbild des Gebäudes mit rustiziertem Sockelgeschoss, Eckpilastern, umlaufendem Zahnfries und weit auskragendem Säulenportikus, doch recht herrschaftlich. Das Haus wird – wohl seit Anfang 20. Jahrhundert – «Platanenhof» genannt, offensichtlich Bezug nehmend auf die Bäume, die es umgaben.

Bedeutung für die Zuger Industriegeschichte erlangte das Herrschaftshaus anno 1872, als Gerard Weman, ein Zigarrenfabrikant aus Belgien, den Platanenhof kaufte und ihn um einen Flachbau erweiterte, wo fortan Zigarren hergestellt wurden. Im Jahre 1890 wurde der Betrieb an die Ägeristrasse – in die «Zigarri» – verlegt. Der Dachaufbau mit Dreiecksgiebel soll 1907 nach Plänen des Architekten Karl Peikert hinzugekommen sein. Noch später entstanden ist der Balkon am dritten Obergeschoss. So viel sei mal ausgeführt zum allgemeinen Erscheinungsbild und der Geschichte des Gebäudes.

Wir möchten unser Augenmerk auf den von Säulen getragenen Portikus richten. Die in der Architektursprache treffendere Bezeichnung ist wohl «Altan» oder «Söller», wie solche balkonartigen Vorkragungen auch genannt werden. Fünf toskanische Säulen stützen das massive Gebälk.

Ein Fundament aus Steinplatten

Nähert man sich dem Gebäude seitlich, auf der Chamerstrasse fahrend oder gehend, so fällt einem bei genauerem Hinsehen auf, dass dieser Altan nicht ganz im rechten Winkel zur Hausfassade steht, sondern gegen diese hin leicht abfällt. Hat sich der Baumeister verrechnet? Oder ist ihm sonst irgendein Fehler unterlaufen? In der alteingesessenen Zuger Familie Luthiger ist gemäss Historiker Linus Birchler überliefert worden, dass der Platanenhof auf einem Fundament aus Steinplatten und einem Rost aus Holzpfählen steht. Dieser Untergrund habe sich nach Vollendung des Gebäudes über die gesamte Grundrissfläche durch das Gewicht um mehrere Zentimeter gesenkt. Der Boden, auf dem die fünf Säulen des Altans stehen, jedoch nicht. So ist das bis heute deutlich erkennbare Gefälle dieses Balkons entstanden. (Andreas Faessler)

Hinweis
Mit «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und ­Zuger Bezug nach.