Vom Alltagsgeräusch zur Musik
Musik
Die Perkussionsvirtuosen des «Trio Colores» waren schon 2020 zu Gast beim Sommerklänge-Festival. Auch dieses Mal verbanden sie ihre Performance mit dem Aufführungsort – dem Werkhof des Walchwiler Baugeschäfts Rust.
Walchwil – Das Konzert kreiste immer wieder um die Begriffe «pitched or unpitched percussion». Und während der zweistündigen Aufführung des 2017 gegründeten Perkussionsensembles «Trio Colores» wurde hörend und Schritt für Schritt klar, was das heisst: Von einer Perkussivität, welche die Zeit in erster Linie rhythmisch gliedert (z. B. eine Trommel), zu einer, die auch Melodien und Harmonien hervorbringt (wie eine Marimba), sind die Übergänge fliessend. Zwischen «Schlagen» und «Singen» gibt es unzählige Instrumente und unendliche Möglichkeiten von einfach bis hochvirtuos. Das musikalische «Schlagen» aber grenzt an die Geräuschwelt menschlicher Tätigkeiten und Berufe.
Diese Idee lag dem dritten Konzert der Sommerklänge 2025 zugrunde: Perkussionstrio im Bau-Areal. Fabian Ziegler, Luca Staffelbach und Matthias Kessler spielten am Sonntagabend im Werkhof der Baufirma Rust, der bei der St. Adrianskapelle in Walchwil liegt. Von weitem wirken die einfachen, rohen Zweckbauten hinter dem schmucken neugotischen Kirchlein wie eine Scheune. Das Innere des Werkhofs bietet viel Platz – für handwerkliche und maschinelle Arbeiten und an diesem Abend für ein zahlreich gekommenes Publikum sowie für die grossen und kleinen Instrumente von «Trio Colores».
«Construction»: Bauklänge
Wie klingt dieser Bau morgens um acht Uhr? Mit dieser Frage ging Luca Staffelbach ans Komponieren des Stücks «Construction», das er eigens für den Ort neu geschaffen hat und das nun uraufgeführt wird.
Die drei Musiker stehen im Raum verteilt hinter den Publikumssitzen und beginnen mit Hammerschlägen, deren metallene Töne wie zufällig herabfallen, mal laut, mal leise, um sich allmählich polyphon zu verweben. Bohrgeräusche treten hinzu, Holzstäbe raspeln über Metall oder Stein, lassen Trommelfelle vibrieren. Man kann nicht recht sagen, wann die Baugeräusche erkennbar zu beabsichtigter Konstruktion werden. Mit der Zunahme von Dichte und Variation in Tonqualität, Tempo und Dynamik entstehen Gebilde, die man plötzlich als klar «musikalisch» wahrnimmt: Klangflächen, Pizzicati-Sensationen, verklingende Fellvibrationen, tropfende Glockenklänge. Vom Handwerk zur Virtuosität. Die Stimmung wechselt, man wähnt sich hörend «unter Wasser», umgeben von einer schwebend träumenden Musikkulisse. Dieser unmerkliche Übergang wirkt subliminal – unter der Schwelle des Bewusstseins. Faszinierend, kaum in Worte zu fassen.
Perkussion für Ohr und Auge
Die folgenden sieben Stücke entstammen der internationalen Perkussionsliteratur und bieten eine breite Erlebnispalette für das Publikum – auf mehreren Sinnesebenen.
Da ist Steve Reich, Meister der Minimal Music, mit «Music for Pieces of Wood». Auf fünf simplen Holzbrettchen «aus dem Baumarkt» produzieren die Musiker sogenannte Pattern. Zwischen Wiederholung und Variation gibt es nach und nach kleinste Verschiebungen. Die Wirkung ist: Meditation, Trance. «Als ob man ein Prisma betrachten würde», wird Madeleine Nussbaumer, die Initiatorin der «Sommerklänge», in der Pause sagen.
Auch in Christos Hatzis’ «Quantum Transitions» liegt der Fokus noch auf dem «unpitched»-Spiel mit Rhythmen und Metren, aber weil die Instrumentierung nun das Holz der Marimba, das Metall von Becken und Crashers und das Fell von Tomtoms und Bongos einbezieht, entstehen «Farben»: hell–dunkel, spitz–dumpf, scharf–verschwommen.
Mit Rüdiger Pawassars «Sculpture in Wood and Metal» aber betritt «Trio Colores» das Feld der variablen Tonhöhen, der perkussiven Melodien. Fabian Ziegler betont das und macht die Zuhörenden darauf aufmerksam, dass das Ensemble auch klassische Musik perkussiv verarbeitet hat – Ravel, Debussy, Saint-Saëns. Mit zwei Marimbas, einem Vibrafon und weiteren Instrumenten legen sie los: Die Musik wird jazzig, die Körper der Musiker tanzen dazu, und ihre Gesichter spiegeln die emotionale Interpretation.
In der zweiten Konzerthälfte überwiegen die «pitched»-Stücke. Und jedes bietet synästhetisches Erleben: Man hört und sieht die Musik in immer neuer Inszenierung – die Musiker bauen laufend um, wechseln die Instrumente. Beim letzten Stück, Nebojsa Jovan Zivkovics «Trio per Uno», umringen sie eine aufgehängte Trommel und bespielen sie gemeinsam gleichzeitig mit ein paar Bongos und Opera Gongs. Und für die Zugabe – die vom stehend applaudierenden Publikum verlangt wird – rasen sie dreistimmig über die Tasten eines einzigen Marimbas. Ein Fest für Ohr und Auge, mit immer neuen Überraschungen. (Text: Dorotea Bitterli)