Hinrichtung von Zuger Landesverrätern
Brauchtum & Geschichte
Serie «Zug 1933-1945»: Zwei Zuger verrieten während des Zweiten Weltkriegs die Schweiz. Sie hatten militärische Anlagen ausgespäht, Zünder geklaut und dafür Geld von den Deutschen kassiert. Beide wurden zum Tode verurteilt und 1944 erschossen.
Zug – 450000 Wehrmänner leisteten zwischen 1939 und 1945 Aktivdienst, durchschnittlich kamen die Soldaten auf 800 Diensttage während des Zweiten Weltkriegs. So unterschiedlich ihre Aufgaben waren, sie mussten absolute Geheimhaltung wahren. Wer sich nicht daran hielt, musste mit drastischen Strafen bis zu Hinrichtung rechnen.
Zwei junge Zuger, Alfred Quaderer und Kurt Roos, hielten sich nicht an die Geheimhaltungspflicht. Mehr noch: Sie verrieten Geheimnisse an deutsche Mittelsmänner, liessen sich dafür bezahlen und bezahlten schliesslich selber mit ihrem Leben. Eine hochdramatische Geschichte.
Befreundet dank des Bergsteigens
Quaderer und Roos waren miteinander befreundet, sie hatten sich in der Jugendsektion des SAC Zug kennen gelernt. Die Idee zum Spionieren kam von einem Cousin Quaderers, der in der Ostschweiz einen kleinen Spionagering aufgezogen hatte, wie Quaderer in Zug, den alle «Fredy» nannten. Für Informationen erhielten sie gutes Geld vom deutschen Nachrichtendienst. Fredy Quaderer und Kurt Roos spähten in der Folge vom Sommer 1941 bis Ende 1942 militärische Geheimnisse im ganzen Kanton Zug aus, sie versuchten beispielsweise, die Minen und Panzersperren in Oberwil und Lotenbach auszukundschaften. Zur Tarnung nahmen sie die Fischerruten mit und fischten abwechslungsweise im See.
Dann hatte Fredy Quaderer, der zuerst bei Maler Wesemann, dann bei Malermeister und Stadtrat Emil Weber arbeitete, die Idee, ins militärische Platzkommando im Theater-Casino einzubrechen. Denn er hatte dort Arbeiten als Flachmaler zu erledigen, liess abends das Fenster offen, damit er nachts mit Roos einsteigen konnte. Sie stahlen dort militärische Unterlagen, unter anderem Mobilisationspläne, das Verzeichnis der Militärbaracken im Gebiet Zugerberg-Menzingen-Sattel sowie Baar-Blickensdorf.
Quaderer beobachtete zudem zwischen Zug und Baar sowie in Zürich die Soldaten, notierte deren Einteilungen und erstellte damit Standortverzeichnisse: Dafür und für alle weiteren Informationen nahm er Geld der Deutschen entgegen. Auch Kurt Roos arbeitete fleissig mit: Dieser zeichnete Karten der Stadt Zug mit dem Standort des Platzkommandos, der Luftschutzkaserne und des Zeughauses. Er benützte im März 1942 – noch nicht einmal 20-jährig – seine Stellung als stellvertretender Wachtkommandant in Mendrisio, um einen Minenwerfer-Aufschlagzünder zu entwenden, den er zwischen Maiskolben an Quaderer schickte und später den Deutschen übergab.
Roos spähte auch die Tanksperren auf dem Zugerberg, die Bunker, Schussrichtungen und Bewaffnungen aus und erstellte damit Skizzen, er zeichnete einen Querschnitt des Tankgrabens und schuf einen erläuternden Bericht zu seinem Spionieren anlässlich eines Spazierganges mit seiner Familie, die keine Ahnung hatte und ihm als Tarnung diente.
Weitere Entwendungen machte Kurt Roos in der Gotthard-Festung: Einem Dienstkollegen entwendete Roos 27 topografische Karten, als er die Wäsche in dessen Zimmer holen sollte. Vor der Übergabe an die Verbindungsleute versteckte er verschiedentlich die gestohlenen Akten. Als Quaderer abwesend war, sprang Roos ein, um den Verbindungsmann zwischen den weiteren Angeklagten und den deutschen Agenten zu spielen.
Am 2. Januar 1943 wollten Quaderer und Roos Skifahren gehen. Doch unterwegs wurden sie im Postauto bei Buchs SG verhaftet: Rund anderthalb Jahre hatte ihre Spionagetätigkeit gedauert.
Das Motiv war nur die Geldgier
Besonders schwer wog Quaderers Verschulden. Seine Einbrüche galten als schwerste Delikte. «Die Folgen eines solchen Dokumenten-Verrates sind irreparabel», hiess es vor dem Militärgericht, Quaderer habe «...Verrat objektiv schwerster Art ...» begangen. Schwer angelastet wurde ihm auch, dass er zu Deutschland gar keine besondere Beziehung hatte. «Einziges Motiv war seine Geldgier, die ihn soweit trieb, dass er sogar seinen eigenen Mithelfer Roos hinterging, in dem er die von Roos von der Festung ‹Sasso da Pigna› angefertigten Pläne hinter dessen Rücken verschacherte.» Die Habgier führte auch dazu, die gestohlenen Akten Stück für Stück den Deutschen zu übergeben, um einen besseren Preis dafür zu erhalten.
Das Gericht sprach Quaderer schuldig und verurteilte ihn einstimmig zum Tod durch Erschiessen. Im persönlichen Schlusswort meinte Fredy Quaderer: «Es stimmt. Ich habe es eingesehen. Allerdings zu spät. Ich war mir der Schwere meiner Handlungen nicht bewusst.»
Auch Kurt Roos, der jünger war als Quaderer und eher als Mitläufer fungierte, wurde vom Territorialgericht ebenfalls für schuldig erklärt und einstimmig zum Tode durch Erschiessen verurteilt. Die vorgebrachten mildernden Umstände wie umfassendes Geständnis, schwierige Kindheit ohne Religion, haltloses Leben, jugendliches Alter zählten zu wenig.
Für Begnadigung fehlen 16 Stimmen
Quaderer und Roos richteten je ein Begnadigungsgesuch an die Vereinigte Bundesversammlung: Die Begnadigung wurde von den Räten am 7. Juni 1944 abgelehnt, bei Quaderer deutlich mit 211 Nein gegenüber 15 Ja, bei Roos relativ knapp mit 120 Nein gegen 104 Ja.
Noch am gleichen Tag erfolgte die Vollstreckung des Urteils. Der Regierungsrat des Kantons Zug hatte eine Teilnahme an der Exekution abgelehnt. Bei einer Waldkuppe in der Nähe von Hedingen wurden Quaderer und Roos die Augen verbunden. Um 20.05 Uhr machten die Wehrmänner des Gebirgsinfanterieregiments 37 unter Leitung eines Obersten aus dem Thurgau die Verurteilten an Bäumen fest. Die Gerichtsurteile wurden nochmals verlesen. Um 20.10 Uhr sprach der katholische Feldprediger mit Quaderer und Roos. Eine Minute später hallte der Befehl zum Erschiessen durch die Gegend, und um Punkt 20.12 Uhr befahl der Leutnant den beiden Abteilungen eine halbe Wendung und «Vorderes Glied knien», anschliessend fielen die Schüsse.
Die Verurteilten blieben vor und nach der Schussabgabe regungslos. Ärzte im Rang eines Majors und eines Hauptmanns stellten den Tod der beiden fest. Bei der Hinrichtung war Kurt Roos 22-jährig, Fredy Quaderer 24-jährig. Zwei junge Zuger bezahlten also ihre Habgier mit dem Tod. (Text von Michael van Orsouw)
Hinweis: Dr. Michael van Orsouw, Historiker und Schriftsteller, beleuchtet die bewegte Zeit von 1933 bis 1945. In Folge 6 berichtet er über Zuger, die an den Kriegsfronten kämpfen mussten. www.geschichte-texte.ch