«Danny ist ein Brückenbauer»

Literatur & Gesellschaft

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Vorlesen statt Bezahlen: Der Starfriseur, Autor und Preisträger Danny Beuerbach schnitt am Samstag in Zug Haare.

  • Dave Spengeler lässt sich von Danny Beuerbach die Haare schneiden. Im Gegenzug liest er seinem Coiffeur aus einem Roman vor. Bild: Roger Zbinden (Zug, 18. 10. 2025)
    Dave Spengeler lässt sich von Danny Beuerbach die Haare schneiden. Im Gegenzug liest er seinem Coiffeur aus einem Roman vor. Bild: Roger Zbinden (Zug, 18. 10. 2025)

Zug – Normalerweise strömen Bücherwürmer in Buchhandlungen, um sich Lesestoff zu besorgen. Für einmal bildeten sich am Samstag jedoch bereits am Eingang des Orell Füssli in der Zuger Metalli beachtliche Menschentrauben. Einige Passantinnen und Passanten konnten sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, während andere neugierig das dargebotene Schauspiel beobachteten. Kalt liess das Handwerk des mit dem renommierten Deutschen Lesepreis für Leseförderung ausgezeichneten Friseurs Danny Beuerbach niemanden. Dieser schnitt nämlich auf einem auffälligen roten Teppich umgeben von Büchern allerlei Gästen gegen vorgelesene Geschichten als Zahlungswährung die Haare.

Beuerbach lebt als freiberuflicher Hairstylist in München und tourt regelmässig als «Vorlesefriseur» durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Mittlerweile war er bereits in Ländern wie Taiwan und hat eine Einladung nach Guatemala vorliegen. «Interessanterweise funktioniert das literarische Haareschneiden selbst bei Sprachen, die ich selbst nicht spreche. Noch wichtiger als die erzielte Leseförderung ist mir der Aspekt der Interaktion. Nach jedem Haarschnitt applaudieren die Zuschauenden, was vor allem Kinder stolz macht und ermutigt», führte der Autor des Kinderbuchs «Der magische Frisör» aus.

Bibliotheken als Begegnungsstätten

Jeder Auftritt im öffentlichen Raum sei erfreulicherweise unvorhersehbar, so Beuerbach «Manche halten meinen Arbeitsplatz zuerst für einen Bücherflohmarkt. In München haftet dem Lesen leider oft etwas Elitäres an. In Zug wie allgemein in der Schweiz nehme ich die wunderschönen Bibliotheken hingegen als einladende Begegnungsstätten für jedermann wahr.» Kontinuierlich habe er ein geschultes Ohr fürs Zuhören entwickelt: «Vor allem Kinder merken, wenn ich abschweife.» Die Kraft eines guten Haarschnitts erachte er als gross. «Eine Frisur trägt man wie ein Accessoire, das beinahe schöner ist als ein brandneuer Turnschuh.»

Nachdem Dave Spengeler aus Steinhausen im Schneideumhang mit zwei Öffnungen für die Hände auf dem exklusiven Friseurstuhl Platz genommen hatte, begann er entspannt aus «Als Bernadette Kiser die steile Holztreppe in den oberen Stock hinaufstieg» von Hanspeter Müller-Drossaart vorzulesen. Dank der besonderen Schneidetechnik Beuerbachs war ihm das Halten des Buchs bequem und ohne dabei in der Bewegung eingeschränkt zu sein möglich. Spengeler: «Bereits vor zwei Jahren habe ich ihm in der Bibliothek Zug aus einem von mir mitgebrachten Buch vorgelesen. Für mich war das damals Neuland und aussergewöhnlich. Da ich wie die meisten Leute normalerweise nie vorlese, brauchte es ein wenig Überwindung.»

Severin Hofer, Vorstand des Innerschweizer Schriftstellerinnen- und Schriftstellervereins, führte aus, dass sämtliche ausgestellten und vorzulesenden Bücher Teil des vom 13. bis 15. November im Burgbachkeller stattfindenden Literatur-Festivals Höhenflug seien. «Danny ist ein Brückenbauer und ein authentischer Zuhörer, der sein Ding aus Überzeugung macht.»

Begegnungen im öffentlichen Raum

Es sei wichtig, im öffentlichen Raum Möglichkeiten zur Begegnung zu schaffen und als Gesellschaft ins Gespräch zu kommen, woraus eine Win-win-Situation resultiere. «Die Kooperation mit Orell Füssli funktioniert hervorragend.» Hofer ist sich sicher, dass solch unkonventionelle Herangehensweisen literaturgehemmten Menschen Zugang zu Büchern bieten können: «Lesen ist wie Haareschneiden, statt Körper- einfach Geistespflege.»

HinweisHöhenflug 2025 – Literatur-Festival Zug: 13. bis 15. November, Burgbachkeller/Bibliothek Zug. (Text: Nils Rogenmoser)