Letztes Relikt eines alten Stadttores

Brauchtum & Geschichte

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Das polychrom gefasste Wappenrelief über der Tür am Zuger Schatzturm ist genau 500 Jahre alt. Es hat jedoch nie zum mittelalterlichen Gebäude an der Grabenstrasse gehört.

  • Das 500 Jahre alte Wappenrelief am Schatzturm prangte einst am Löberentor. (Bild Stefan Kaiser)
    Das 500 Jahre alte Wappenrelief am Schatzturm prangte einst am Löberentor. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Die durchgehende Altstadtverbauung südlich vom Zytturm entlang der Grabenstrasse wird nur einmal unterbrochen – da, wo die Schwanengasse heute zur Ober Altstadt hinabführt. In alter Zeit war jedoch auch diese Stelle vermauert und wurde erst später geöffnet. Das mittelalterliche Gebäude an der Mündung der Schwanengasse in die Grabenstrasse ist im 13. oder 14. Jahrhundert als Wohngebäude errichtet, im 16. Jahrhundert jedoch zum städtischen Archiv- und Schatzturm umgebaut worden. Grabenstrassenseitig führt ein kleines Treppchen zur wohl viel später eingebauten Eingangstür. Über dieser ist ein bemerkenswertes, polychrom gefasstes Relief in die Mauer eingelassen. Es zeigt zwei stehende Löwen. Diese halten je ein Zuger Wappen und mittig den bekrönten Doppeladler-Reichsschild.

Diese eindrucksvolle Steinmetzarbeit hat jedoch nie zum Schatzturm gehört, wie man glauben könnte. Das Sandsteinrelief stammt vom alten Löberentor, einem der einst fünf Zugänge der äusseren Stadtmauer. Es wurde 1522, also vor exakt 500 Jahren, errichtet. Genauso alt ist also unser Relief. Das Löberentor exakt da, wo die heutige gleichnamige Strasse von der Ägeristrasse abzweigt und steil ansteigt. Die vom Löberentor weiter zum Kapuzinerturm hin sich fortsetzende Stadtmauer ist heute noch gut sichtbar. Eine dort angebrachte Tafel von Zug Tourismus beschreibt die Wichtigkeit des Löberentores für den Gütertransport auf dem Saumweg Richtung Osten. Horgener Säumer, welche in der Zuger Sust Waren erwarben, konnten diese dann zollfrei aus der Stadt führen, wenn die Zuger es verpassten, die Säumer noch vor Erreichen des Löberentores einzuholen und zur Kasse zu bitten. Kurzum: Jenseits des Stadttores erlosch die Abgabepflicht.

Bauliche Änderungen und Nachtbubenstreiche

Historische Abbildungen zeigen das Löberentor als trutzigen Turmbau mit kleinformatigen Fenstern, Schiessscharten und gewalmtem Satteldach. Das Dach hat zu einem späteren Zeitpunkt die ursprüngliche Zinnenbekrönung des Turmes ersetzt. Der spitzbogige Durchlass wurde einst gegen aussen zur Schanze mit einer Fallbrücke geschützt, diese ersetzte man schliesslich mit einem befestigten Steg. Gemäss Aufzeichnungen von Joseph Maria Weber-Strebel, von 1889 bis 1925 Bürger- und Kirchenratsschreiber in Zug, war ab 1657 im Löberentor auch ein kleines Gefängnis untergebracht. Der Torwächter erhielt anfänglich ein jährliches Gehalt von 12 Gulden. Im 18. und 19. Jahrhundert werden mehrere Besetzungen des Wachpostens am Löberentor namentlich genannt, darunter auch ältere Zuger Frauen.

Auch von Nachtbubenstreichen und Vandalismus am Löberentor ist bei Weber-Strebel zu lesen. Ein Vorfall wird im Juni 1802 notiert, als Josef Iten und Franz Josef Uhr aus Menzingen das Tor beschädigt und einen schweren Gesteinsbrocken mitten auf die Strasse gelegt haben. Torwächter Andreas Keiser erstattete Anzeige.

Zahlreiche Verbesserungen, Umbauten und Veränderungen am Löberentor und der Schanze wurden im Laufe der Jahre vorgenommen. 1835 waren die Zeiten friedlich genug, sodass auf Wunsch der Bevölkerung der nächtliche, mittlerweile als lästig empfundene Torschluss abgeschafft wurde und die beiden Torflügel des Löberentores zur Auktion gelangten.

Turm abgebrochen, Relief gerettet

Im März 1869 wurde der ca. 4500 Quadratfuss grosse Baugrund beim Löberentor öffentlich versteigert. Den Zuschlag erhielt Metzgermeister Carl Josef Stocklin, welcher 26 Cent pro Quadratfuss bot – Kosten gesamt: 1170 Franken. Der Kaufvertrag umfasste auch den Abbruch des Löberentors. Der neue Besitzer war verpflichtet, die dadurch entstehende Unterbrechung der alten Stadtmauer baulich instand zu stellen. Über das Abbruchmaterial des Löberentores durfte er frei verfügen.

Und unter diesem Abbruchmaterial befand sich also auch unser Relief am Schatzturm. Stocklin hat es offenbar bewusst bewahrt. Zunächst wurde es am alten Zeughaus etwas weiter die Ägeristrasse hinab eingemauert. Es wird das Jahr 1904 genannt, als es dort wieder entnommen und an seinen heutigen Platz in der Mauer des Schatzturmes eingelassen wurde.

Man ging zuweilen davon aus, dass das Relief einst zum Baarertor gehört hatte. Doch weiss der versierte Zuger Historiker, Kunstsammler und Drogerieinhaber Viktor Luthiger (1897-1983), dass ein dortiges Relief demjenigen am Löberentor zwar sehr ähnlich sah, jedoch beim Abbruch des Baarertores mitsamt Bauschutt entsorgt worden ist, weil es wegen Vandalismus bereits stark beschädigt war. (Text von Andreas Faessler)